Wearables in der Medizintechnik

Die Medizintechnik hat die unterschiedlichsten Technologien entwickelt, um kranken oder behinderten Menschen zu ­helfen. Elektronische Pillen, ­Implantate oder smarte Prothesen – sie alle sind nichts anderes als Wearables.

An und auf dem Körper getragene elektronische Geräte bieten bereits viele Möglichkeiten in der Medizin – noch spannender sind aber Geräte, die im Körper getragen werden. Sie ermöglichen nicht nur die Erfassung und Analyse von Werten innenliegender Organe, sondern können auch direkt mit dem Nervensystem kommunizieren.

Die elektronische Pille

Eine relativ neue Gruppe dieser Wear­ables sind „Ingestables” – also Geräte, die der Mensch einnehmen kann wie eine Pille: Erste Produkte befinden sich bereits auf dem Markt, viele weitere sind in der Entwicklung. Ein Beispiel hierfür ist der einnehmbare Sensor von Proteus Digital Health: Er soll helfen, die korrekte Einnahme von Medikamenten zu überwachen. Dabei wird ein sandkorngroßer Sensor direkt in die medizinische Tablette integriert. Sobald das Medikament eingenommen wird und den Magen erreicht, reagiert der Sensor auf die Magensäure und schickt ein Signal an ein smartes Pflaster, das der Patient trägt. Dies ist wiederum mit einem Smartphone und darüber mit der Cloud verbunden. Über die entsprechende App kann der Patient oder der Arzt kontrollieren, ob das Medikament in der richtigen Dosierung und zum richtigen Zeitpunkt eingenommen wurde.

Taube können hören

Andere Wearables werden schon seit Jahren in den Körper implantiert, zum Beispiel Cochlea-Implantate, die schon vor rund 30 Jahren entwickelt wurden. Mit ihnen können taube Menschen wieder hören – sofern ihr Hörnerv noch intakt ist. Die Geräte wandeln Schall in elektrische Impulse um, durch die der Hörnerv im Innenohr stimuliert wird. Sie bestehen aus zwei Teilen: dem Implantat mit der Elektrode für die Cochlea, das operativ hinter dem Ohr in den Schädelknochen eingesetzt wird, und dem Sprachprozessor mit der Sendespule, der wie ein Hörgerät am Ohr getragen wird. Je nach Art des Hörverlustes gibt es auch Lösungen, die die vom Audioprozessor gesendeten Signale in mechanische Schwingungen umwandeln und diese direkt auf die jeweiligen Mittelohrstrukturen übertragen wie das Vibrant Soundbridge Implantat von MED-EL.

Wieder etwas sehen

Auch für erblindete Menschen bietet die Wearable Technology Lösungen: Zum Beispiel das System Argus II – ein modernes Neurostimulationsgerät, das Menschen mit einer schweren bis hochgradigen Degeneration der äußeren Retina eine visuelle Wahrnehmungsfähigkeit ermöglicht. Es umgeht die nicht intakten Photorezeptoren und stimuliert die verbliebenen funktionsfähigen Netzhautzellen. Bei der Netzhautprothese Argus II werden von einer Mini-Videokamera, die in eine Brille integriert ist, Aufnahmen der Umgebung gemacht. Diese Bilder werden dann in eine Reihe kleiner elektrischer Impulse umgewandelt und kabellos an die auf der Netzhaut implantierten Elektroden weitergeleitet. Die Impulse sollen die verbliebenen Netzhautzellen stimulieren und so Lichtmuster erzeugen, die vom Gehirn wahrgenommen werden. Indem der Patient lernt, diese Muster zu interpretieren, kann er einen Teil seiner funktionalen Sehkraft zurückgewinnen. Argus II wurde bereits mehr als 100 Patienten weltweit implantiert.

Natürliches Gehen

Medizinische Wearables müssen aber nicht immer klein und unsichtbar sein – moderne Prothesen, die Hände, Arme oder Beine ersetzen, werden ebenso zu elektronischen tragbaren Geräten gezählt. Mit aktiver Elektronik ermöglichen sie Funktionen, mit denen sehr natürliche Bewegungen erlangt werden. Wie zum Beispiel die Beinprothese Genium von Ottobock: Sie unterstützt den natürlichen Bewegungsablauf bis ins Detail – und das, ohne dass der Träger das Gelenk bewusst steuern muss. Möglich macht das die neueste Computer-, Sensor- und Regeltechnik. Dank dieser Technologie reagiert das Genium intelligent auf unterschiedlichste Situationen des Alltags, so dass der Anwender dem natürlichen Gehen weit näherkommt als mit bisherigen prothetischen Lösungen. Eingebaute Mess-Sensoren überprüfen permanent, in welcher Phase des Gehens sich der Träger gerade befindet – berücksichtigt werden unter anderem die Geschwindigkeit, die Beschleunigung und auch die Lage der Prothese im Raum. Entsprechend wird die Beugung des Kniegelenks oder die Pendelbewegung des Unterschenkels gesteuert. Alles geschieht in Echtzeit, der Anwender nutzt das Genium intuitiv und Gehen wird zur Selbstverständlichkeit.

(Bildnachweis: OttoBock)

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