Auf dem Weg zum Cyborg

Für einige Menschen sind Wearables nur ein erster Schritt – sie wollen Technologie fest mit ihrem Körper verbinden und so ihre menschlichen Fähigkeiten dauerhaft steigern. Sie nennen sich selbst Cyborgs und propagieren das „Internet of us“.

Neil Harbisson ist der erste Mensch, der offiziell von einer Regierung als Cyborg anerkannt wurde. Der farbenblinde Künstler nutzt ein fest an seinen Schädelknochen fixiertes Gerät, das ihm Farben in verschiedene Töne übersetzt. Er ist damit zu einer Ikone der globalen Cyborg-Bewegung geworden. Im Grunde beschreibt Cyborg – zusammengesetzt aus „cybernetic organism“ – ein Mischwesen aus Mensch und Technik. Das hört sich sehr nach Science-Fiction an, doch die heutigen Cyborgs sind eher Technik-Fans oder auch Menschen mit einem Handicap, die ihren Körper dauerhaft durch künstliche Bauteile ergänzen, um ihre menschlichen Fähigkeiten zu steigern oder ihre Gesundheit wiederherzustellen.

Mobiler Datenträger in der Hand

Derzeit setzen Cyborgs meist noch auf bescheidene technische Hilfsmittel: So konnten sich Besucher der Computermesse CeBIT in 2016 am Stand von Digiwell reiskorngroße NFC-Chips zwischen Daumen und Zeigefinger implantieren lassen. Diese können als mobile Datenträger genutzt werden und ermöglichen beispielsweise das Öffnen einer Haustür ohne Schlüssel. So einen ließ sich der DIY-Cyborg, Bio-Hacker und IT-Leiter von Grindhouse Wetware, Tim Cannon, schon in 2013 implantieren. Darüber hinaus hat er seinen Unterarm mit einem Chip „aufgerüstet“, der mittels Bluetooth seine Körperdaten an Android-Systeme übermittelt und dessen LEDs sein Tattoo subkutan beleuchten. Zudem hat er als sechsten Sinn einen Magneten in seiner Fingerkuppe. Das ist heute jedoch eher noch als Spielerei und neugieriges Experimentieren mit neuer Technik zu sehen.

Tuning für das Gehirn

Doch zunehmend realistisch wird die Perspektive, in Zukunft Chips auch in das Gehirn zu implantieren und es so zu tunen. Entsprechende „Neuroimplantate“ gibt es bereits heute – zum Beispiel Cochleaimplantate. Einmal etabliert lässt sich diese Technik auch anderweitig nutzen. Memorychips sind hier nur eine der möglichen Alternativen. Was sich zunächst ein wenig fremd anhört, können sich jedoch viele Menschen vorstellen: Bei einer Umfrage des Marktforschungsinstituts TNS Emnid aus dem Jahr 2015 in Deutschland befürworteten 51 Prozent der Befragten Implantate für mehr Konzentration und Gedächtnisleistung. In genau diese Richtung zielen die Visionen der sogenannten Transhumanisten: Sie bejahen explizit den Gebrauch von Technologien zur Selbstoptimierung. Ihr führender Vertreter ist der amerikanische Informationstheoretiker und Futurologe Ray Kurzweil. Kurzweil prophezeit bereits für die nächsten Jahrzehnte ein Zusammenwachsen von Neurowissenschaft, Informatik sowie Nanotechnologie und sieht den Menschen der Zukunft als Cyborg, der sein Gehirn mit den Mitteln der Computertechnologie gezielt optimiert. Dann könnte sich das Gehirn auch direkt mit dem Internet verbinden und Informationen streamen. Statt des Internet of Things hätte man ein Internet of us, der Mensch selbst wäre Teil des Internets.

(Bildnachweis: Fotolia: kaprikfoto)

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