Entwicklung autonomer Fahrzeuge

Für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge liefert EBV Elektronik als Europas größter Halbleiter-­Distributor alle erforderlichen Elektronikkomponenten. Aber nicht nur, wie Frank-Steffen Russ, Vertical Segment Manager Automotive Europe bei EBV, betont. Mit seinem Partnernetzwerk können Entwicklungszeiten verkürzt und Produkte schneller auf den Markt gebracht werden. Gleichzeitig können die Erfahrungen, die die EBV-Experten in anderen Anwendungsbereichen machen, neue Lösungen für autonome Fahrzeuge anregen.

The Quintessence: Hand aufs Herz – würden Sie heute schon in einem autonomen Fahrzeug mitfahren?

Frank-Steffen Russ: Ja, ich habe das sogar schon gemacht. Allerdings entsprach das Testfahrzeug dem Autonomielevel 3 bis 4 und war damit noch etwas weg von einem echten Roboterfahrzeug. Grundsätzlich gilt aber, dass man die Grenzen der eingesetzten Technologie kennen sollte. Viele der heute als autonom bezeichneten Fahrzeuge sind noch in der Erprobungsphase und erfordern immer noch Interaktion mit dem Fahrer, zum Beispiel in Gefahrensituationen. Darauf muss man sich als Nutzer einstellen.

Welche Rolle spielen autonome Fahrzeuge für EBV?

F.-S.R.: Autonome Systeme sind ein zentrales Thema in unseren Marksegmenten Industrie, High-REL und Automotive. Für autonomes Fahren, Fliegen oder Arbeiten sind verschiedene Disziplinen erforderlich. Diesen Blick über den Tellerrand kann EBV bieten, denn wir sind in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen tätig – Aktuatorik, Umfeldsensorik, Sensorfusion, Konnektivität und in übergeordneten Themen wie Bordnetz-Strukturen, Security und Daten-Management. Somit kann EBV segmentübergreifend einen großen Beitrag leisten: Im Bereich Umfeldsensorik unterstützen wir zum Beispiel Radartechnologien mit Produkten aus unserem RF- & Wireless-Segment, im LightSpeed-Segment bieten wir Lösungen für das Thema Lidar oder im High-End-Segment kamerabasierte Technologien oder Lösungen zur Sensorfusion nebst KI. In der Konnektivität können wir mit den Technologiesegmenten RF & Wireless und Security & Identification zwei wesentliche Bestandteile zur Vernetzung von Fahrzeugen abdecken. Gepaart mit branchenspezifischem Know-how aus den Marktsegmenten sind wir also in der Lage, einen umfassenden Beitrag zur Evolution von autonomen Fahrzeugen zu leisten.

Welche Rolle spielen Halbleiter grund­sätzlich beim autonomen Fahren? 

F.-S.R.: Die Halbleitertechnologie ist heute in der Lage, die für autonomes Fahren notwendigen Systeme zu unterstützen. Highspeed-Datennetze, die Grundlage für vernetzte Fahrzeuge, können mit ihnen sowohl drahtgebunden als auch drahtlos realisiert werden. Die Verkehrswegeplanung profitiert von modernsten Rechenzentren, selbst hochkomplexe Verkehrssituationen können dank leistungsstarker Prozessoren simuliert und optimiert werden. Und das Fahrzeug selbst profitiert von einer immer höher integrierten Rechnertechnologie – vor allem von Multi-Core-Systemen, die in Automobilqualität und zu einem bezahlbaren Preis angeboten werden. Fahrerassistenzsysteme leisten heute unter Einsatz modernster Halbleiter schon einen maßgeblichen Beitrag, Unfälle und kritische Situationen im Straßenverkehr funktional sicher zu vermeiden.

Welche elektronischen Komponenten ­bietet EBV denn im Einzelnen für die Realisierung eines autonomen Fahrzeugs?

F.-S.R.: In aller Kürze: Halbleiter, gepaart mit Know-how. Ein autonomes System muss funktional sicher aufgebaut sein. Das erfordert Komponenten – von der einfachen Diode über einen Sensor bis hin zum komplexen Multi-Core-µC-System –, die den höchsten Anforderungen an Robustheit, Fehlertoleranz und Zuverlässigkeit gerecht werden.

Wie kann EBV darüber hinaus Unternehmen helfen, ihre Ideen eines autonomen Fahrzeugs erfolgreich zu realisieren?

F.-S.R.: Das Bauelement spielt die zentrale Rolle in unserem Vertriebskonzept. Doch neben der Technologieberatung wird das System-Know-how immer wichtiger, um derart komplexe Strukturen wie autonome Systeme zu realisieren. Hier bringen wir Unternehmen mit Ideen mit den richtigen Systempartnern zusammen. Sie bieten Hardware, Software, Design-Support, Produktion und vieles mehr für die Realisation der Produktidee an. Zudem unterstützen wir unsere Kunden zusammen mit den Halbleiterherstellern mit den richtigen Werkzeugen und Referenzplattformen. So können unsere Kunden ihre Entwicklungszeit deutlich verkürzen – oder als „Quereinsteiger“ die neuesten Technologien für ihre Produktidee nutzen.

Vernetzung ist ja beispielsweise ein großes Thema bei Wearables. Könnten Sie sich hier Technologien vorstellen, die auch für autonome Fahrzeuge interessant sind? 

F.-S.R.: Ja klar – ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung mit Hörgeräten: Die Hearables können zwar viel, doch die immer leiser werdenden Fahrzeuge, besonders die Elektroautos, stellen eine Herausforderung für die Systeme dar. Warum also nicht gleich die Hearables zum Bestandteil der V2X-Kommunikation werden lassen und intelligente Warnungen vom Fahrzeug direkt ins Ohr des Fußgängers flüstern?

Darüber hinaus wird das autonome Fahrzeug durch seine Umfeldsensorik eine Vielzahl an Daten erfassen, die auch anderswo genutzt werden könnten. Ganz simples Beispiel ist eben das Wetter: Hier kann das Fahrzeug zum Sensor für aktuelle lokale Niederschläge werden – die dann etwa von der Landwirtschaft oder für die Planung von Sportveranstaltungen genutzt werden können. Das vernetzte Fahrzeug wird nicht nur Daten zum Verkehrsfluss empfangen, sondern die Daten aus seinem Umfeld direkt an die nahen Verkehrsteilnehmer oder eben über einen Cloud-Server an das Internet und damit an die unterschiedlichsten Nutzer geben.

Mit Vernetzung und Autonomie wird auch ­Cybersecurity immer wichtiger. Was bietet EBV hierzu?

F.-S.R.: Mit unserer Segmentstrategie bieten wir potenziell „Best Practice“‘ aus allen Bereichen an – Cybersecurity wird bei uns vom Technologiesegment Security & Identification unterstützt. Damit stellen wir sicher, dass unsere Kunden immer auf dem neuesten Stand der Technologie und der angewandten Verfahren beraten werden.

Wie sieht es bei Kommunikationstechniken aus? Aus dem Smart Building kommt zum Beispiel LiFi, also quasi WLAN per Licht. Können Sie sich da auch Anwendungen vorstellen? 

F.-S.R.: Wird ein Fahrzeug mit Funk vernetzt, zum Beispiel per WLAN, dann wird das Umfeld sicherlich ebenso angebunden. Bleiben wir auf DSRC, also der „Dedicated Short Range Communication“, reden wir immer über ein System, das in Echtzeit Daten austauscht. Hier kann LiFi durchaus als Alternative angesehen werden. Bereits heute ließen sich hierfür LED-Tagfahrlichter, -Scheinwerfer oder -Rückleuchten verwenden. Damit wäre die Kommunikation zu Ampeln oder Verkehrsleitsystemen ohne „Funkbelastung“ im Sichtbereich möglich.

Aus Ihrer Sicht: Wie glauben Sie werden ­autonome Fahrzeuge die Mobilität, wie wir
sie kennen, verändern? 

F.-S.R.: Um die Ziele der WHO und der EU zu erreichen, bis 2050 einen sicheren Verkehr zu ermöglichen, sind autonome Fahrzeuge unerlässlich. Dies ist auch der Zeithorizont, den ich für die Veränderungen sehe. Sicherlich werden wir in zehn bis fünfzehn Jahren den Level 5 beim autonomen Fahren technologisch erreicht haben. Doch bis die Technologie, die zunächst im Premium-Segment eingeführt werden wird, in der Fläche verfügbar ist, werden dann noch einige Jahre vergehen.

Die autonome landwirtschaftliche Maschine wird es uns erlauben, Bodenverdichtungen zu minimieren, indem sie Konzepte wie „Swarm Farming“ ermöglicht. Das wird den Ackerbau massiv verändern.

Im Transportwesen kann der autonome Lkw das Berufsbild „Trucker“ vom reinen Fahrer zum mobilen Spediteur, Disponenten und Bewacher der Fracht ändern. Der Fahrerarbeitsplatz wird zum mobilen Büro.

Luftfahrt, aber auch die Schifffahrt, profitieren derzeit davon, dass das Verkehrsaufkommen überschaubar ist. Hier sind autonome Prozesse bereits eingeführt, müssen aber weiter vollautomatisiert werden, wenn das Verkaufsaufkommen zunimmt.

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