Kommunikation autonomer Autos

Die Kommunikation autonomer Autos ist der Schlüssel zum sicheren Fahren. Sie können über die Cloud von den Erfahrungen anderer Fahrzeuge profitieren, von ihnen erfasste Daten in Echtzeit in allgemein zugängliche Karten laden und per WLAN ihre Umgebung vor Gefahren warnen.

Sensorsysteme wie Lidar, Radar oder Kameras liefern heute bereits ein sehr exaktes Bild des Umfelds eines autonomen Fahrzeugs. In Kombination mit künstlicher Intelligenz und ausgefeilten Algorithmen kann es auf das Geschehen um sich herum reagieren – fast so wie ein Mensch. Doch wie der Mensch kann das Fahrzeug mit diesen Sensoren nur auf das reagieren, was im Sichtfeld liegt. Um auch „um die Ecke schauen“ zu können, sollen autonome Fahrzeuge daher vernetzt werden und mit ihrer Umgebung beziehungsweise der Infrastruktur kommunizieren können.

„Die Übertragung von Daten ins Fahrzeug, sowohl für Echtzeitanwendungen als auch für Wartung und Betrieb, ist eine Schlüsseltechnologie für das automatisierte Fahren“, betont Armin G. Schmidt, CEO von ATS Advanced Telematic Systems. Das deutsche Software-Unternehmen mit Fokus auf vernetzte Fahrzeuge entwickelt Lösungen für die Zukunft der Mobilität. Hierbei setzt ATS auf die Etablierung von industrieweiten Standards und Open-Source-Technologie. „Der Austausch der Daten zwischen Fahrzeugen, also auch zwischen unterschiedlichen Herstellerplattformen, erfordert eine Standardisierung, die weiter vorangetrieben werden muss“, so Schmidt.

In Millisekunden die Umgebung warnen

In Europa hat sich für die Kommunikation von Fahrzeugen im Straßenverkehr als ein Standard ITS-G5 des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) etabliert. Es handelt sich um eine Variante des WLAN-Standards IEEE 802.11, der für den Datenaustausch zwischen Fahrzeugen optimiert wurde und inzwischen auch in den USA anerkannt ist. Er nutzt das 5,9-GHz-Frequenzband und ermöglicht eine echtzeitnahe Kommunikation auf kurze Distanz. Die Technik gewährleistet bei hoher Geschwindigkeit der Fahrzeuge eine zuverlässige Übertragung und erlaubt auch ohne Router die direkte Kommunikation zwischen einzelnen Fahrzeugen (Car-to-Car) und zwischen Fahrzeug und Infrastruktur (Car-to-X, Vehicle-to-X [auch V2X]). So können plötzlich auftretende Ereignisse oder Gefahrensituationen innerhalb weniger Millisekunden an die Umgebung kommuniziert werden. Zum Beispiel kann ein Auto den nachfolgenden Verkehr automatisch warnen, wenn es einen Unfall hatte oder vor ihm eine Nebelbank auftaucht. „Die Vorteile für die Sicherheit und Wahrnehmung, die V2X als Sensor bietet – mit seiner Fähigkeit um die Ecke zu schauen –, sind bereits ohne jeden Zweifel erwiesen. Es liefert relevante und verlässliche Warnmeldungen für Fahrerassistenzsysteme“, unterstreicht Jozef Kovacs, CEO der US-amerikanischen Firma Commsignia, einem Anbieter von Software- und Hardware-Lösungen für das vernetzte Auto.

Allerdings werden Straßenfahrzeuge in Zukunft wohl nicht nur mit einer Kommunikationstechnologie ausgestattet sein: Erste Lösungen realisieren ein sogenanntes adaptives hybrides Netzwerkkonzept. Dabei werden verschiedene Drahtlostechnologien wie ITS-G5, LTE-Mobilfunk oder 60-GHz-Technologien (hier werden die Wellenform und die typischen Empfängeralgorithmen des WLAN-Standards IEEE 802.11ad genutzt, um einen gemeinsamen Rahmen für die Fahrzeugkommunikation und die Radartechnologien bei 60 GHz zu ermöglichen) in einem Kommunikationsstack integriert. Die Auswahl der optimalen Kommunikationstechnologie erfolgt adaptiv, das heißt abhängig von der Situation in Echtzeit. Kriterien für die Auswahl der Funktechnologie sind beispielsweise die vorhergesagte Verfügbarkeit oder die Signalqualität.

Menge an Daten, die ein autonomes Fahrzeug am Tag generiert.
Quelle: Intel

Kameras: 20-24 MB pro Sekunde
Sonar: 10-100 KB pro Sekunde
GPS: 50 KB pro Sekunde
Lidar: 10-70 MB pro Sekunde
Radar: 10-100 KB pro Sekunde

Mit 5G in die Cloud

Mobilfunk-Technologien bieten den Vorteil unbegrenzter Reichweite, denn ITS-G5 kann nur Distanzen bis maximal einen Kilometer überbrücken. Schon heute werden zum Beispiel LTE-Netze beim automatischen Notrufsystem ECall genutzt. In Zukunft wird das noch zu realisierende 5G-Netz diese Rolle übernehmen. „Wir gehen davon aus, dass 5G der weltweit dominierende Mobilfunk-Standard der nächsten Dekade wird“, meint Dr. Christoph Grote, Senior Vice President Electronics bei BMW. „Für die Automotive-Industrie ist es essenziell, dass 5G die Herausforderungen der Ära der Digitalisierung und des autonomen Fahrens erfüllt.“ BMW hat daher gemeinsam mit Audi, Daimler, Ericsson, Huawei, Intel, Nokia und Qualcomm die „5G Automotive Association“ gegründet, die entsprechende Kommunikationslösungen entwickeln, testen und promoten will. „Cloud, Kommunikations- und Netzwerk-Technologien sowie Innovationen haben das Potenzial, das Auto in ein vollständig vernetztes Gerät zu transformieren, das das Fahren revolutioniert und das auf die Mobilitätsansprüche der Gesellschaft abzielt“, ergänzt Dr. Marc Rouanne, Chief Innovation & Operating Officer bei Nokia.

Cloud, Kommunikations- und Netzwerk-Technologien sowie Innovationen haben das Potenzial, das Auto in ein vollständig vernetztes Gerät zu transformieren, das das Fahren revolutioniert.“ 

Dr. Marc Rouanne, Chief Innovation & Operating Officer, Nokia

Präziser Navigieren mit Flottendaten

Derartige Technologien bieten zum Beispiel die Möglichkeit, die Erfahrungen, die ein lernfähiges autonomes Fahrzeug gemacht hat, über die Cloud an andere Fahrzeuge weiterzugeben. Auch für die Navigation eröffnen sich mit Cloud-Technologien neue Möglichkeiten: So hat zum Beispiel das israelische Unternehmen Mobileye, Hersteller von Technologien zur Unfallprävention und zum automatischen Fahren, die kamerabasierte Karten- und Lokalisierungstechnologie „Road Experience Management“ (REM) entwickelt. Via Crowdsourcing werden die Echtzeitdaten vieler Fahrzeuge, eines Schwarms von Autos, gesammelt und zur präzisen Lokalisierung und zum Erfassen von High-Definition-Spurdaten genutzt. Dazu erfassen die Fahrzeuge über optische Sensorsysteme Fahrbahnmarkierungen und Straßeninformationen, die komprimiert in eine Cloud fließen. Diese Flottendaten werden zur kontinuierlichen Verbesserung von HD-Navigationskarten mit hochpräziser Lokalisierungsfähigkeit eingesetzt. Sie wiederum sind eine Grundvoraussetzung für das automatische Fahren und die Weiterentwicklung vieler Assistenzsysteme. „Die Zukunft des automatischen Fahrens hängt von der Fähigkeit ab, präzise HD-Karten zu erstellen, diese aktuell zu halten und mit minimalen Kosten zu skalieren“, skizziert Prof. Amnon Shashua, Mitbegründer und Technologievorstand von Mobileye. Anfang 2017 hat -Mobileye dazu mit dem Volkswagen-Konzern vereinbart, ab 2018 einen neuen Navigationsstandard für das automatische Fahren zu realisieren. Künftige Volkswagen-Modelle werden REM nutzen. Die Vereinbarung ermöglicht als erste ihrer Art das weltweite Zusammenführen von Daten verschiedener Automobilhersteller zu einer „HD-Weltkarte“. Und damit wird ein branchenweiter Standard geformt. Dr. Frank Welsch, Volkswagen-Markenvorstand für den Geschäftsbereich Entwicklung: „Tagtäglich fahren weltweit Millionen von Volkswagen durch unsere Straßen. Viele davon sind bereits mit Umfeldsensorik ausgestattet. Diesen Schwarm können wir nun nutzen, um unterschiedliche Umfelddaten, etwa über Verkehrsfluss, Straßenzustand und freie Parkplätze, anonymisiert zu erfassen und in übergeordneten Systemen hochaktuell verfügbar zu machen. Auf dieser Basis sind weitergehende Dienste geplant, die das Autofahren oder die Mobilität allgemein einfacher und komfortabler machen.“

(Bildnachweis: Unsplash)

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