Mobiltelefon auf vier Rädern

Fahrzeughersteller und Mobilfunkanbieter arbeiten intensiv daran, das Auto zu einem aktiven Teilnehmer im World Wide Web zu machen. Das geht weit über den Austausch von Musikdateien zwischen Smartphone und Auto-Musikanlage hinaus. Die Vernetzung des Autos ermöglicht völlig neue Applikationen, für die das europäische Notrufsystem eCall nur ein Beispiel ist.

Der moderne Mensch von heute ist zu jeder Zeit „online“. Soziale Netzwerke sind kaum mehr wegzudenken, die Nutzung von Apps ist zentraler Bestandteil der digitalen Lebenswelt geworden. Ob das Smartphone, der heimische PC, der Fernseher – all diese Geräte ermöglichen mittlerweile die Nutzung von Web-Diensten. Und auch das Auto wird zunehmend ein Gerät, mit dem man sich im World Wide Web bewegen kann. Die Marktanalysten des britischen Beratungshauses SBD erwarten, dass bis zum Jahr 2025 die meisten, wenn nicht sogar alle Autos mit irgendeiner Art von Vernetzung ausgerüstet sind.
Dabei werden gemeinhin zwei Varianten der Vernetzung unterschieden: Zum einen wird zunehmend die SIM-Technology direkt in das Fahrzeug „eingebettet“, zum anderen dienen mobile Geräte wie Smartphones als Schnittstelle zum globalen Netz.

Eine eigene SIM-Karte für das Auto

Bei der ersten Variante wird die SIM-Karte, mit der sich jeder Mobiltelefon-Besitzer bei seinem Netzanbieter identifiziert, zum Teil des Fahrzeuges – das Auto wird quasi zum Mobiltelefon. Von dieser Lösung wird erwartet, dass sie eine Bandbreite an mobilfunkbasierten Diensten rund um Sicherheit, Unterhaltung, Navigation und Fahrzeug-Diagnose ermöglicht. „Mobile Technologien in Autos einzubetten wird nicht nur Leben retten, sondern auch eine Reihe von neuen Diensten vorantreiben und für die Automotive und Mobilfunk-Industrie eine erhebliche Einnahmequelle bieten“, so Michael O’Hara, Marketingchef bei der GSMA, der weltweiten Industrievereinigung der GSM-Mobilfunkanbieter. „Das rasante Wachstum dieses Marktes wird teilweise auch durch positive regulatorische Maßnahmen angetrieben, insbesondere in Europa und in den Emerging Markets wie Russland oder Brasilien.“ Ein Beispiel hierfür ist das eCall, das von der Europäischen Union entwickelte automatische Notruf-System für Autos. Ab dem Jahr 2015 müssen alle neuen Fahrzeuge in den EU-Ländern mit diesem System ausgestattet sein. eCall verbindet im Falle eines Unfalles das Auto mit einer Notrufzentrale, übermittelt automatisch eine genaue Standortmeldung des Fahrzeuges und bietet die Möglichkeit, mit den Insassen zu sprechen, um weitere Informationen über die Schwere des Unfalls zu erhalten. Außerdem können dadurch auch die notwendigen Rettungsinformationen (Rettungskarte) abgerufen und an die Retter übermittelt werden. „Wir sind mitten in einer Connected-Car-Revolution“, so O’Hara weiter, „und es ist entscheidend dass die Mobilfunk- und Automotive-Industrie zusammenarbeiten, um eine skalierbare und alles durchdringende Vernetzung zu bieten und sicherzustellen, dass der Markt sein Potenzial ausschöpft.“ Die GSMA hat daher das Connected Car Forum ins Leben gerufen, in dem führende Mobilfunkanbieter und Autohersteller gemeinsam an Telematik- und Infotainment-Services arbeiten. Für 2018 wird erwartet, dass von den weltweit rund 100 Millionen neu zugelassenen Fahrzeugen rund ein Drittel mit derartigen „eingebetteten“ Mobilfunktechnologien ausgestattet ist.

Das Smartphone als Schnittstelle zum Netz

21 Millionen Fahrzeuge werden dagegen voraussichtlich über das Smart-phone vernetzt. Dabei ist die Bluetooth-Technologie heute schon fast der Standard, um mobile Geräte mit dem Infotainment-System des Autos zu vernetzen. Bluetooth ist eine Funktechnologie zur Datenübertragung zwischen Geräten über kurze Distanz. Mit diesem System kann der Fahrer die Freisprecheinrichtung seines Autos nutzen, wobei er die Kontakte aus seinem Smartphone verwendet. Die auf dem mobilen Gerät gespeicherte Musik lässt sich via Bluetooth über das Lautsprechersystem des Fahrzeugs anhören. Über das Infotainment-System des Autos lassen sich zudem SMS und E-Mails empfangen und versenden. Schließlich können so über das Smartphone auch Telematik-Dienste genutzt werden, beispielsweise lassen sich aktuelle Verkehrsinformationen in das Navigationssystem des Fahrzeugs übermitteln.

HTML5 wird übergreifende Sprache

Damit die Vielzahl unterschiedlicher Geräte und Fahrzeugmarken aber auch tatsächlich miteinander kommunizieren können, ist eine standardisierte Applikationsplattform notwendig. Es zeichnet sich ab, dass Web-Browser wie Mozilla Firefox oder Google Chrome die Basis einer derartigen Plattform sein werden. Über ihn lassen sich dann Dokumente und Informationen mithilfe von offenen Standards über Gerätegrenzen hinweg austauschen. Diese Entwicklung wurde durch HTML5 angestoßen, der Sprache des „Web 2.0“. HTML5 erweitert das bestehende HTML um „Rich Web Content“, zum Beispiel lassen sich Videos leichter einbetten. Zudem bietet die Spezifikation neue Möglichkeiten für Web-Applikationen.
„Da Fahrzeuge immer mehr miteinander verbunden sind, ist es für die Automobilbranche wichtig, für Fahrzeuge angepasste weltweite Web-Standards auszunutzen, um einen Datenaustausch mit der Cloud zu vereinfachen und dem Endkunden das digitale Leben im Fahrzeug zu verschönern“, betont Philippe Gicquel, General Manager für Cockpit, Sicherheit, Infotainment EE Module bei PSA Peugeot Citroën. So nutzt die GENIVI Alliance, ein Branchenverband der Automobil- und Unterhaltungselektronikindustrie, HTML5 für die Entwicklung einer offenen Referenzplattform für Infotainment in Fahrzeugen (IVI – In-Vehicle Infotainment). Gemeinsam sollen Programmierschnittstellen (APIs) für HTML5 Web-Anwendungen zur Verknüpfung mit Fahrzeug-Hardware oder Fahrzeug-Bus-Schnittstellen bestimmt werden. „Die HTML5 Auto API ist unerlässlich, um es der Open-Source-IVI-Gemeinschaft zu ermöglichen, innovative Anwenderkonzepte schnell und einfach als Prototyp umzusetzen, zu testen und zu produzieren“, meint Matt Jones, Senior Technical Specialist bei Jaguar Land Rover.
Mithilfe dieser APIs lassen sich eine Vielzahl von Fahrzeugdaten zur Verfügung stellen. Neben dem Zugriff auf Parksensoren, Durchschnittsgeschwindigkeits- und Verbrauchswerte sowie Licht- und Scheibenwischereinstellungen ist ebenso die Übertragung der Information über den aktuellen Gang möglich. Beispielsweise könnte durch diese Verknüpfung der Kunde auch auf seinem Smartphone oder auf dem TV den aktuellen Tankstand seines Fahrzeugs abrufen. Umgekehrt ist es aber auch möglich, vom Fahrzeug aus auf die Medienbibliothek des Smartphones oder des PCs zuzugreifen.

Related Posts

  • Im Healthcare-Bereich entstehen spannende Möglichkeiten für die Wearable Technology. Dr. med. Molly Maloof lotst Unternehmen durch diese noch unbekannten Gewässer. Für „Future…

  • Autonome Maschinen, Precision Farming und vernetzte Traktoren – intelligente Technologien erobern schon seit einigen Jahren Felder und Ställe. Durch die Automatisierung in…

  • Der beste Kollege des Wachpersonals soll der Security-Roboter SAM3 sein. Mit seinen Sensorsystemen entdeckt er Eindringlinge, Defekte in elektrischen Anlagen oder gefährliche…