Grüner Wasserstoff wird ein Kernelement des zukünftigen Energiesystems werden. Er kann einen wesentlichen Beitrag zur angestrebten Treibhausgasneutralität aller Sektoren bis 2050 leisten und zur Systemintegration fluktuierender erneuerbarer Energien beitragen.
Wasserstoff ist ein Energieträger mit enormem Potenzial. Das Gas besitzt viel Energie, verbrennt sauber, ist gut transportierbar und lässt sich über lange Zeit zuverlässig lagern. Damit kann Wasserstoff einen großen Teil zur angestrebten Treibhausgasneutralität bis 2050 leisten. „Sauberer Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle im Rennen um die Dekarbonisierung zahlreicher Sektoren unserer Wirtschaft“, unterstreicht so auch Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt. „Als zentrales Element des europäischen Green Deals wird erneuerbarer und kohlenstoffarmer Wasserstoff nicht nur zur grünen Energiewende beitragen, sondern auch bedeutende Business-Chancen für EU-Unternehmen bieten.“
Nachhaltig produziert
Wasserstoff kommt auf der Erde praktisch nur in chemisch gebundener Form vor, zum Beispiel in Wasser, Methan oder Biomasse. Um ihn als Energieträger zu nutzen, muss man den Wasserstoff zunächst aus diesen Verbindungen herauslösen. Dies geschieht mittels Energie in Form von Strom oder Hochtemperaturwärme. Weltweit forscht man, „grünen“, also nachhaltig erzeugten Wasserstoff in großindustriellem Maßstab und damit entsprechend günstig zu produzieren. Dabei stehen vor allem zwei Methoden im Fokus: die Elektrolyse und solarthermische Verfahren.
Bei der Elektrolyse wird Wasser mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Diese Technik ist bereits weit entwickelt: In Deutschland zum Beispiel gibt es heute schon eine installierte und mit erneuerbarem Strom gespeiste Elektrolyseleistung von insgesamt 30 Megawatt. Allerdings lässt die Effizienz der Elektrolyse derzeit noch Raum für Weiterentwicklungen, denn aktuell führen – vereinfacht gesagt – 100 Watt Strom zu rund 20 Watt Wasserstoff. Zielsetzung ist, diesen Wirkungsgrad auf 75 Prozent zu erhöhen.
„Grauer“ Wasserstoff wird vorwiegend aus Erdgas gewonnen, aktuell macht er etwa 95 Prozent der weltweiten Produktion aus. Dabei entstehen erhebliche CO2-Emissionen.
„Blauen“ Wasserstoff gewinnt man ebenfalls aus Erdgas. Allerdings trennt man die Treibhausgase ab und speichert sie ein. Es ist aber auch möglich, ihn Elektrolyse herzustellen. Dabei setzt man auf Strom aus Kernkraft.
„Grüner“ Wasserstoff wird aus Wasser und Energie – aus Sonnen-, Wind-, Wasserkraft oder Biomasse – gewonnen. Nur er ist wirklich nachhaltig und klimaneutral.
Solarthermisches Verfahren
Bei den solarthermischen Verfahren erfolgt die Wasserstoffherstellung direkt mit der Wärmeenergie der Sonne durch eine thermochemische Redox-Reaktion. Dabei wird das Licht der Sonne durch eine Vielzahl von Spiegeln auf einen Brennpunkt konzentriert. Dort entstehen Temperaturen um die 1.500 Grad Celsius. In der Theorie hat dieses Verfahren einen energetischen Wirkungsgrad von 30 bis 50 Prozent – in der Praxis liegt die Ausbeute der solarthermischen Wasserstoffgewinnung laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt derzeit allerdings erst bei rund vier Prozent. Verbesserungspotenzial liegt hier vor allem in Reaktormaterialien, die die nötigen Redox-Prozesse bei niedrigeren Temperaturen ermöglichen.
Eine weitere Möglichkeit der Wasserstoffherstellung ist die photoelektrochemische Wasserspaltung. Hierbei wandeln Solarmodule die Sonnenenergie direkt in chemische Energie um, indem sie Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Die Wirkungsgrade liegen dabei heute bei rund acht Prozent. Für den wirtschaftlichen Betrieb ist es notwendig, Kosteneffizienz und Wirkungsgrad der solaren Wasserstofferzeugung noch weiter zu verbessern. Das Jülicher Forschungszentrum entwickelte dazu zum Beispiel eine Silizium-Mehrfachstapelsolarzelle, die auf der Dünnschicht-Technologie beruht. Sie kommt mit deutlich weniger Material als die herkömmliche Wafer-Technologie aus und lässt sich damit kostengünstiger herstellen.
Leichter Transport
Grundsätzlich gilt jedoch. Um Wasserstoff in großem Maßstab kostengünstig zu produzieren, ist es notwendig die Anlagen dort aufzubauen, wo nachhaltige Energie günstig ist. Forscher der Fraunhofer-Institute ISI und ISE gehen in einer Wasserstoff-Roadmap für Deutschland davon aus, dass das Regionen sind, in denen die Stromgestehungskosten durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen bei unter drei Eurocent pro Kilowattstunde liegen und die Volllaststunden (Vlh) bei solchen Anlagenparks mindestens 4.000 Vlh pro Jahr betragen.
Das bedeutet, dass man den Wasserstoff transportieren muss. Es ist möglich ihn direkt in flüssiger Form, analog zu flüssigem Erdgas zu transportieren, aber auch in chemisch gebundener Form als Ammoniak, Methanol oder LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carriers).
Gerade die LOHC-Technologie ermöglicht es, Wasserstoff sicher und effizient zu transportieren und zu speichern. Dabei bindet man gasförmigen Wasserstoff an eine ungefährliche Trägerflüssigkeit. Schon ein einziger Liter der Trägerflüssigkeit bindet über 650 Liter Wasserstoff. Von ihrer Handhabung und den physikalischen Eigenschaften her ist die ölige Substanz üblichen Kraftstoffen recht ähnlich und lässt sich mit Tanklastern und Zügen einfach und gefahrlos transportieren, denn LOHC ist nicht als Gefahrenstoff eingestuft. Zudem ist es möglich, sobald der Wasserstoff abgespalten ist, sie wiederzuverwenden und somit ein Kreislaufsystem zu ermöglichen.
Technologien existieren
„Aus unserer Sicht existiert die Technologiebasis der gesamten Wertschöpfungskette“, sagt Prof. Dr. Christopher Hebling, Bereichsleiter Wasserstofftechnologien am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. „Jetzt kommt es darauf an, die Weichen so zu stellen, dass das Scale-up für die Realisierung der weiteren Kostenreduktion und das Sammeln von Betriebserfahrungen gelingt.“ Noch in den 2030er Jahren soll grüner Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen produziert werden können. Laut dem Hydrogen Council, einer internationalen Initiative verschiedener Unternehmen, werden die Kosten bis 2030 um bis zu 50 Prozent fallen. „2020 markiert den Beginn einer neuen Ära für Energie: Wenn das Potenzial von Wasserstoff als Teil unseres globalen Energiesystems Realität wird, können wir weniger Emissionen und eine verbesserte Sicherheit und Flexibilität erwarten“, so Benoît Potier, Chairman und CEO von Air Liquide und Co-Vorsitzender des Hydrogen Council. „Damit wird das Jahrzehnt des Wasserstoffs eingeläutet.“
50 Megawatt Elektrolyseur in Lingen
BP und Ørsted wollen einen 50-Megawatt-Elektrolyseur bauen, der mit Strom aus einem Offshore-Windpark von Ørsted beliefert werden könnte. 2024 soll damit grüner Wasserstoff produziert werden, langfristig soll die gesamte fossile Wasserstofferzeugung in der BP-Raffinerie treibhausgasneutral werden. Perspektivisch ist auch die Produktion synthetischer, klimaneutraler Flugkraftstoffe und eine direkte umweltfreundliche Nutzung von Wasserstoff im Straßen- und Schiffsverkehr möglich.
Grüner Wasserstoff aus der Nordsee
Das Konsortium AquaVentus plant, bis 2035 zehn Gigawatt Offshore-Windanlagen zwischen Helgoland und der Sandbank Doggerbank zu installieren. Mit dem Wind-Strom soll Wasserstoff erzeugt und dann über eine Pipeline an Land gebracht werden. Das Projekt umfasst die Entwicklung von Offshore-Windturbinen mit integrierter Wasserstofferzeugung, einen Offshore-Wasserstoff-Park, eine Abnahmepipeline, Hafeninfrastrukturen, maritime wasserstoffbasierte Anwendungen sowie eine Forschungsplattform.