Die britische Hauptstadt ist eine der weltweit aktivsten im Kampf gegen die innerstädtische Luftverschmutzung. Der Aktionsplan umfasst umfassende Messungen genauso wie HybridTaxen und Apps zur Information der Bürger.
London macht Ernst mit der Reduzierung der Luftverschmutzung, wie Bürgermeister Sadiq Khan in drastischen Worten klarmacht: „Mit fast 10.000 Menschen, die jedes Jahr in London sterben, weil sie verschmutzter Luft ausgesetzt sind, ist das Säubern von Londons giftiger Luft eine Frage von Leben und Tod.“ Er forciert daher einen Aktionsplan, der unter anderem bis zum Jahr 2019 die Einführung einer „Ultra-Low Emission Zone“ vorsieht. Fahrzeuge, die sich hier bewegen wollen, müssen eigens definierten, strengen Abgasstandards entsprechen – oder eine Maut von 12,50 Pfund pro Tag zahlen, Busse und Lkw sogar 100 Pfund. Schon unter seinem Vorgänger Boris Johnson, dem heutigen Außenminister von Großbritannien, wurde eine derartige Niedrigst-Emissions-Zone geplant. Sie sollte allerdings erst im Jahr 2020 umgesetzt sein.
Das schwarze Taxi wird sauber
Ein wichtiger Punkt im Aktionsplan ist auch, den Taxi- und Busverkehr sauberer zu gestalten. So sollen auf besonders belasteten Strecken emissionsarme Busse eingesetzt werden und auch das klassische, bei Touristen beliebte schwarze Taxi wird modernisiert. Seit Einführung eines Baujahreslimits für Taxen wurden über 3.000 der ältesten Modelle außer Betrieb genommen, ab 2018 sind nur noch neu zugelassene Fahrzeuge erlaubt. In Zusammenarbeit mit Autoherstellern wurden neue Hybridtaxen mit einem emissionsfreien Fahrmodus entwickelt. Die GPS-Daten der Fahrzeuge werden genutzt, um sie beim Einfahren in die Niedrigst-Emissions-Zone automatisch auf elektrischen Antrieb umzuschalten. Mit den neuen Fahrzeugen sollen die Emissionen der schwarzen Taxen in Zentral-London um bis zu 100 Prozent reduziert werden, im Rest der Stadt immer noch um 75 Prozent.
Immer informiert
Zudem hat die Londoner Stadtverwaltungsbehörde GLA (Greater London Authority) 2012/2013 umfassende Maßnahmen zur Messung der Treibhausgasemissionen gestartet. Damit ist London die erste Stadt weltweit, die nach international anerkannten Regeln der Treibhausgasbilanzierung und Emissionsberichterstattung über ihre direkten und indirekten städtischen Emissionen informiert. Rund 150 Sensor-Messstationen hat London dafür installiert. Die Daten dieser Stationen werden Unternehmen und Forschungsinstituten zur Verfügung gestellt. Besucher und Bürger von London können sich über die AirText-App Informationen zur tagesaktuellen Luftverschmutzung inklusive Pollen, UV-Strahlung, Temperatur und Luftqualität anzeigen lassen. AirText ist ein kostenloser Service, der von der Firma Cambridge Environmental Research Consultants in Partnerschaft mit den Gemeinden, der GLA, Public Health England und dem Umweltamt angeboten wird. Der Service umfasst auch Vorhersagen zur Luftverschmutzung der nächsten drei Tage.
Präzisere Vorhersagen
Die Vorhersagen zur Belastung der Luft mit Schadstoffen will Dr. Ralph Grothmann von der zentralen Siemens-Forschung Corporate Technology in Zukunft deutlich präziser machen. Er nutzt die Daten der 150 Londoner Messstationen, um auf Basis neuronaler Netze Prognosemodelle zu entwickeln, die den Luftverschmutzungsgrad präzise und mehrere Tage im Voraus vorhersehen können. Der Clou an diesem System: Es lernt dazu. Zu Beginn weiß es nicht, welche Variable sich wie auswirkt, und die Prognose weicht entsprechend stark von den tatsächlich gemessenen Emissionen ab. Im Training minimiert das Programm in hunderten Iterationen die Differenz zwischen seiner Prognose und dem Ist-Wert. Es ändert die Gewichtung der einzelnen Parameter und wird immer genauer. Heute ist das System nicht nur in der Lage, die Luftverschmutzung an 150 Orten der Stadt für jede Stunde der nächsten drei Tage und mit einer Fehlerquote von unter zehn Prozent vorauszusagen, aus den Ergebnissen lässt sich auch schließen, was die Haupttreiber der prognostizierten Luftverschmutzung sein werden.
Tauben über London
Für Romain Lacombe, Gründer und Geschäftsführer von Plume Labs, „werden vorausschauende Technologien uns helfen, die Kontrolle über unsere Umwelt zurückzuerlangen.“ Das französische Start-up hat eine künstliche Intelligenz entwickelt, die die Entwicklung der Belastung durch Luftschadstoffe in großen Städten der Welt vorhersagt. Das Ergebnis der Vorhersagen, der „Plume Air Report“, kann auf Android-Geräten, dem iPhone oder auch der Apple Watch angezeigt werden. Das soll Joggern, Radfahrern, Eltern und Pendlern helfen, sich von stark belasteten Gegenden fernzuhalten. Um auf das Problem der Luftverschmutzung aufmerksam zu machen, setzt Plume Labs sogar Tauben ein: Im März 2016 hat das Unternehmen zehn Tauben mit ultraleichten Sensorwesten ausgerüstet und für drei Tage in London fliegen lassen. Die von Plume Labs entwickelten Verschmutzungssensoren haben dabei Stickstoffdioxid- und Ozonwerte gemessen. Die Tauben-Luft-Patrouille meldete die Ergebnisse dann via Twitter an interessierte Bürger. Das Ziel der Aktion war es, für eine Wearable-Version des ultraleichten Luftmessgerätes unter den Londonern Beta-Tester zu finden. Mit diesem Beta-Test soll herausgefunden werden, inwiefern eine dezentralisierte Erfassung der Luftverschmutzung eine geeignete Entscheidungsbasis für Einzelpersonen wie auch für die Gesundheits- und Umweltpolitik liefern kann. So könnte in Zukunft jeder Bürger zu einem umfassenderen Bild der Luftverschmutzung einer Stadt beitragen – und seiner Gesundheit einen wertvollen Dienst erweisen.
(Bildnachweis: Metrocab)