Die Zukunft des Individualverkehrs

In der Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur sieht die Auto­motive-Branche die Lösung der Verkehrs­probleme von morgen. Dadurch dass Autos ­miteinander und mit Ampeln und Co. kommunizieren, sollen Staus reduziert und Unfälle vermieden werden.

Schon heute zeichnen sich in den aufstrebenden Märkten der Welt die Verkehrsprobleme von morgen ab: In der brasilianischen Millionen-Metropole São Paulo erreichen Staus im täglichen Berufsverkehr oft eine Länge von 160 Kilometern und mehr, der Weg zur Arbeit kostet viele Autofahrer zwei bis drei Stunden. In der Volksrepublik China ging 2010 ein Verkehrsstau in die Geschichte ein, der geschlagene elf Tage andauerte. Diese Probleme beschränken sich keinesfalls nur auf Schwellenländer. So beziffern Hochrechnungen den Verlust, den Verkehrsstaus der britischen Wirtschaft schon bald bescheren, auf gut 26 Milliarden Euro jährlich. Doch das ist erst der Anfang, denn Experten rechnen damit, dass sich der globale Fahrzeugbestand bis zur Mitte des Jahrhunderts von einer auf dann vier Milliarden vervierfachen wird.

Das Auto als multifunktionaler Sensor

Angesichts der weiter wachsenden Verkehrsbelastung sind sich heute eigentlich alle Experten der Branche einig, dass die Zukunft des Individualverkehrs in der gegenseitigen elektronischen Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer liegt. Bill Ford, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ford Motor Company, hatte Ende Februar 2012 auf dem „Mobile World Congress“ in Barcelona seine Vision für das Auto von morgen so dargestellt: „Um künftig Staus zu vermeiden und Unfälle zu verhindern, können wir immer stärker von Autos profitieren, die mit ihren zahlreichen Sensoren Daten und Informationen sammeln. Ich bin mir sicher, dass viele dieser Möglichkeiten schon in absehbarer Zeit unseren Alltag einfacher und sicherer machen, denn sie werden bereits heute entwickelt und in vielen Fällen auch schon getestet.“

Fahrzeuge warnen sich gegenseitig

Ein aktueller Forschungsschwerpunkt ist dabei die sogenannte Car-to-X-Kommunikation. Dabei tauschen Autos beispielsweise Informationen zur genauen Position und Geschwindigkeit im Nahbereich von mehreren hundert Metern aus und kommunizieren mit der Infrastruktur, zum Beispiel Verkehrsleitsystemen oder Ampeln. Dadurch kann ein Autofahrer beispielsweise vor einem Stauende gewarnt werden. Bei einem Unfall werden per Knopfdruck oder automatisch andere Fahrzeuge im Umkreis der Gefahrenstelle gewarnt. Parallel wird die nächste Rettungsleitstelle per GPS über die exakten Koordinaten des Unfallortes informiert und kann umgehend Rettungsmaßnahmen veranlassen. Die Leitstelle wiederum signalisiert umgehend per digitalen Funk weiteren Autofahrern die Unfallsituation.

Technologie ist bereits alltagstauglich

Grundsätzlich ist die Technologie dazu nicht nur bereits entwickelt, sondern sie ist auch reif für die Praxis: „Im Rahmen des Forschungsprojektes simTD wurde in einem der weltweit größten Feldversuche zur Car-to-X-Kommunikation deren Alltagstauglichkeit nachgewiesen“, bestätigt Projektkoordinator Dr. Christian Weiß. „Der Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen untereinander sowie zwischen Fahrzeugen und der Verkehrs-infrastruktur kann einen deutlichen Beitrag zur Erhöhung von Sicherheit, Komfort und Effizienz im Straßenverkehr leisten“, erläutert Dr. Weiß und ergänzt: „Mit Car-to-X-Technologie ausgestattete Fahrzeuge haben ein deutlich größeres ‚Sichtfeld‘ als herkömmliche Fahrzeuge ohne Car-to-X-Systeme. Der so vergrößerte telematische Horizont bringt einen enormen Mehrwert – sowohl für Privatkunden als auch für die öffentliche Hand.“

Branche entwickelt gemeinsamen Standard

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die Fahrzeuge und Infrastruktur-Komponenten der verschiedenen Hersteller auch verstehen, wie Andreas Ostendorf, Vizepräsident für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Sicherheitstechnik bei Ford of Europe, betont: „Autohersteller haben unabhängige Mobilitäts-Lösungen für die heutigen Fahrzeuge entwickelt, aber wir müssen dieses Paradigma ändern und zusammenarbeiten, um die Mobilitäts-Probleme der Zukunft zu lösen.“ In einer Absichtserklärung haben sich daher bereits im letzten Jahr zwölf Automobilhersteller auf die Entwicklung eines einheitlichen Standards bis 2015 für die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander sowie mit der umgebenden Infrastruktur geeinigt. „Das Auto ist nur ein Element des Ökosystems ‚Transport‘“, ergänzt Ostendorf. „Wir müssen das gesamte System optimieren, um dem Kunden mehr Sicherheit und Effizienz zu bieten.“

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