Im Healthcare-Bereich entstehen spannende Möglichkeiten für die Wearable Technology. Dr. med. Molly Maloof lotst Unternehmen durch diese noch unbekannten Gewässer. Für „Future Markets. Discovered Today.“ blickt sie auf Gegenwart und Zukunft der Wearables in der Medizin.
Dr. med. Molly Maloof verfügt über eine einzigartige Mischung von Know-how: Sie steht an der Schnittstelle von Consumer-Technologie und medizinischer Wissenschaft. Neben ihrer medizinischen Karriere ist sie Unternehmerin, Strategin und Gesundheitstechnologin, nicht zu vergessen auch eine viel gebuchte Rednerin. Sie berät Technologieunternehmen im Silicon Valley im Hinblick auf den Einsatz von Wearable Technology in der Medizin. Immer mehr Firmen beginnen heute, das Potenzial in diesem Bereich zu erkennen und bieten einen fruchtbaren Boden für Dr. Maloofs Ideen und Visionen. Wir sprachen mit ihr über den aktuellen Stand der Dinge und über die Zukunft von Wearables in der Medizin.
Welche Rolle spielen Wearables heute in der Medizin, und wozu werden sie in Zukunft in der Lage sein?
Molly Maloof: Als ich vor ein paar Jahren begann, mich für die Wearable Technology zu interessieren, zielten die meisten Geräte auf dem Markt auf den Fitness- und Wellness-Sektor ab, denn diese Bereiche sind weitaus weniger reguliert als die der Medizingeräte. Aber heute erkennen Firmen die gewaltigen Chancen des Marktes – in den USA hat immerhin die Hälfte der Bevölkerung entweder Diabetes oder ein Vorstadium davon. Außerdem leiden viele Menschen unter Bluthochdruck. Daher stürzen sich Unternehmen darauf, Technologien zur Überwachung klinischer Messwerte zu entwickeln – wie zum Beispiel den Blutdruck.
Es wird einen großen Schub in Richtung des Managements chronischer Krankheiten geben. Es wird zwar einige Zeit brauchen, bis diese Technologien durch die FDA zugelassen sind, aber ich glaube, dass sie letztendlich alltäglich werden in der Medizin.
Wie sehen Sie den Zeitrahmen dafür?
M.M.: Sobald Patienten hierfür Geld von den Versicherungen erstattet bekommen, wird es Realität werden. Die Oscar Health Versicherung aus New York gibt heute schon jedem neuen Patienten ein Misfit-Wearable, das die Schritte zählt und den Schlaf überwacht. Man sieht – Versicherungen erkennen, dass es sich lohnt, in Wellness zu investieren.
Es gibt bereits Unternehmen, die chronische Krankheiten mithilfe von Tracking managen. Andere Firmen haben sich auf das Hosting von Daten und deren Vernetzung mit den Ärzten spezialisiert. Sobald alle diese kleinen Stücke zusammengesetzt sind, Ärzte auch für das Überwachen der Daten bezahlt werden und diese Daten sowohl
für die Kollegen als auch für die Pflegekräfte leicht zugänglich sind, wird das Gesundheitssystem davon Notiz
nehmen.
Sie haben mit ihrer holistischen Herangehensweise, sowohl Medizin als auch Wearables einzusetzen, ein neues Geschäftsfeld kreiert. Wie ist das Feedback Ihrer Patienten?
M.M.: Es sind die Early Adopter, die das am meisten schätzen, und Athleten neigen dazu, dies als Erste zu nutzen. Aber ich denke, die meisten Menschen suchen einen Arzt, der sich tatsächlich um sie kümmert – wenn es also einen weiteren Datenbestand gibt, auf dessen Basis ich sie beraten kann, dann werden sie sich über das Feedback freuen.
Das heißt, die chronischen Patienten folgen später?
M.M.: Die Patienten mit chronischen Krankheiten folgen, sobald die Versicherungen für diese Überwachungsmethoden zahlen. Meine Kunden sind grundsätzlich gesund, aber ich habe auch einige Patienten, die hohen Blutdruck haben. Ihnen verschreibe ich den Withings Blutdruckmonitor.
In Zukunft werden wir auch kleine Kits mit Wearables sehen, die für spezifische Probleme verschrieben werden. So wird es zum Beispiel Fruchtbarkeits-Kits geben, die nach Hause verschickt werden und Tests für das luteinisierende Hormon und einen tragbaren Temperaturmonitor beinhalten. Mıt der Beratung der Ärzte und der Hilfe dieser digitalen Gesundheitsplattformen wird der Patient seine Informationen besser nutzen. Hersteller konzentrieren sich auf spezifische Anwendungsfälle wie Diabetes und Schwangerschaft. Sobald sie zeigen können, dass dies eine effektive und bezahlbare Option ist, werden die Versicherungen auch dafür bezahlen.
Welche Wearables nutzen Sie selbst zurzeit?
M.M.: Pebbel, da ich das Unternehmen seit kurzem berate. Ich nutze auch eine Withings Waage. Thync ist ein weiteres Wearable – es gibt dir Energie oder reduziert deinen Stress durch Neurosignale, die direkt durch den Schädel übertragen werden.
Wo sehen Sie die finanziellen Vorteile von Wearables in der Medizin?
M.M.: All diese Technologien liefern Messwerte, die genutzt werden können, um etwas zu verändern. Aber dennoch liegt es an der Motivation jedes Einzelnen, gesund zu bleiben. Ich glaube nicht, dass Wearables den Arzt oder die Erfahrungen einer Klinik ersetzen werden, aber sie können sie erweitern. Die Patienten können nach Hause gehen, ihre Gesundheit überwachen und so dem Arzt zusätzliche Daten für seine Entscheidungen zur Verfügung stellen. Ich denke, die ersten großen Erfolge werden wir bei Diabetes sehen, mit Sets für die Überwachung von Glukose, Gewicht und Bewegung – alles wirklich wichtig für die Kontrolle des Blutzuckers.
Welchen Rat haben Sie für Unternehmen, die Wearables für den Gesundheitssektor entwickeln wollen?
M.M.: Habt keine Angst vor den Regulierungen und habt keine Angst, weil es sich um ein medizinisches Gerät handelt. Wenn du ein klinisches Gerät entwickelst, wird es erfolgreich sein, wenn es von den Kontrollorganen genehmigt ist. Sobald Daten vorliegen, die beweisen, dass das Gerät die Gesundheit eines Menschen beeinflusst, sehe zu, dass das Gerät genehmigt wird, so dass deine Technologie von den Versicherungen statt von den Patienten bezahlt wird.
Wird das Thema Datenschutz eine Rolle spielen?
M.M.: Ich denke, Technologie wird mehr dazu beitragen, Daten zu schützen, als es Regulierungen tun – aber natürlich muss ein Gerät den entsprechenden Standards entsprechen.
Zum Schluss noch die Frage nach Ihrem Traum-Wearable. Wie sähe das ideale Wearable für Sie aus?
M.M.: Es wäre wahrscheinlich eine Wearable-Technologie, die nicht nur meine Vitalparameter misst, sondern auch Glukose und meine Herzfrequenz. Denn es besteht ein großer Zusammenhang zwischen Stress, dem Blutzuckerspiegel und dem Blutdruck. Wenn der Stress zunimmt, steigen auch Herzfrequenz und Blutzucker und unser Rhythmus kommt aus dem Takt. Je mehr wir chronisch gestresst sind, desto mehr gelüstet es uns nach Kohlehydraten und wir sehen hohe Glukosespitzen. Wir erkennen das aber immer erst hinterher. Wenn uns also eine Technologie warnen und auf unseren Stress aufmerksam machen kann, dann wäre das wirklich cool. So etwas gibt es noch nicht, da die Sensoren noch nicht ganz so weit sind – aber es rückt näher.
(Bildnachweis: Molly Maloof MD)