Der Apollo Guidance Computer

Der Apollo Guidance Computer wurde von Doc Draper, wie er von Kollegen und Mitarbeitern auch genannt wurde, erfunden. Dabei leitete er das Team, das das Leit-, Navigations- und Steuerungssystem für Apollo 11 entwickelte. Nur damit war es möglich, Apollo 11 präzise auf dem Mond zu landen. Und auch die Astronauten anschließend wieder sicher nach Hause zur Erde zurückzuholen.

Dr. Charles Stark Draper, Jahrgang 1901, machte 1922 an der Stanford University den Bachelor in Psychologie. Anschließend wechselte er zum MIT, wo er 1926 den Bachelor of Science in technischer Elektrochemie erhielt. Im Jahr 1928 dann den Master of Science in Physik. Schlussendlich promovierte er im Jahr 1938 zum Doktor in Physik.

Lernen mit der Praxis

Draper war alles andere als ein Theoretiker, ein Nerd, trotz seines unbestreitbaren technischen Genies. Das zeigte sich bereits, als er sein Studium am MIT begann. Es gab wohl keinen anderen Studenten, der seine Professoren in einem Flugzeug mitnahm, um mit ihnen über Fragen der Aerodynamik zu diskutieren. Er war zudem Turniertänzer, Boxer und Basketballspieler. Auch als er Professor am MIT wurde und 1940 schließlich das MIT Instrumentation Laboratory gründete, folgte er konsequent seiner Überzeugung, dass man fortgeschrittene Ingenieurskunst nicht nur mit Büchern unterrichten kann, sondern auch anhand von Problemen aus der Praxis, die es zu lösen galt.

Mit dieser Philosophie entwarf er im Zweiten Weltkrieg ein System, das Gyroskope zur Stabilisierung von Flugabwehrgeschützen verwendete. Nach dem Krieg entwickelten er und seine Mitarbeiter ein Gyroskop-basiertes Navigationssystem, das „inertial guidance system”. In einem Testflug im Jahre 1953 hat dieses Navigationssystem ein Flugzeug ohne Bezugnahme auf äußere Landmarken und ohne Eingreifen eines Piloten sicher von Boston nach Los Angeles geleitet. Durch dieses Navigationssystem wurde Draper bekannt als „Vater der Inertialnavigation”. Charles Draper war bei dem Flug mit an Bord – auch das war typisch für ihn. Er vertraute seinen Entwicklungen vollkommen und wollte sie am liebsten selbst in der Praxis erleben.

Größtmögliche Motivation

Das galt auch für das Leitsystem der Apollo-Mission. Als ultimatives Vertrauensvotum meldete sich Draper freiwillig, um mit dem an seinem Institut entwickelten System zum Mond zu fliegen. In seinem Brief an die NASA schrieb er: „Ich weiß, dass mein Alter von 60 Jahren ein negativer Faktor bei der Prüfung meiner Anfrage ist, aber … Ich unterziehe mich gerne allen vorgeschriebenen körperlichen Untersuchungen und Tests und absolviere alle empfohlenen Trainingskurse.“ Natürlich wurde seine Anfrage abgelehnt, und Draper flog nie ins All. Doch spiegelt der Brief das außerordentliche Engagement wider, mit dem Draper sich für seine Technologien einsetzte. So schrieb er: „Wir von den Instrumentation Laboratories gehen mit Vollgas an das Apollo-Leitsystem. … Wenn ich bereit bin, mein Leben unseren Geräten anzuvertrauen, wird das ganze Projekt sicherlich die größtmögliche Motivation haben.“

Draper war nicht nur für seine motivierende Art bei den Mitarbeitern beliebt, sondern auch wegen seines Führungsstils. Er versammelte einige der hellsten Köpfe seiner Zeit in seinem Institut, brachte sehr gut ausgebildete, aber sehr unterschiedliche Menschen zusammen. Er war bekannt dafür, sie mit Aufgaben zu beauftragen, die völlig außerhalb ihrer Komfortzone und ihrer Erfahrungen lagen. Die Mitarbeiter sollten selbst herausfinden, was sie zu den Aufgaben beitragen könnten. Gleichzeitig ließ er sie aber auch an der langen Leine. Seine Mitarbeiter konnten verschiedene Themen und Bereiche ausprobieren, bis sie etwas gefunden hatten, in dem sie sich wohl fühlten. So schuf er Raum für die Kreativität jedes Einzelnen.

Erstes Embedded System der Welt

Draper schaffte es tatsächlich in relativ kurzer Zeit ein einwandfrei funktionierendes Navigationssystem für die Apollo-Mission zu realisieren. Aus der Sicht der Elektronik war der eigentliche Triumph dabei der Onboard-Rechner. Der Computer durfte nicht größer als ein Kubikfuß sein. Daher wurde er von Grund auf neu entwickelt, wobei die damals gerade auf den Markt gebrachten integrierten Schaltkreise verwendet wurden. Der Computer hatte eine Tastatur, mit der die Astronauten Fragen stellen und Daten eingeben konnten. Obwohl er nach heutigem Stand eine erstaunlich geringe Speicherkapazität hatte, erledigte er zuverlässig seine Arbeit. Dieser Leitrechner gilt heute als das erste „Embedded System“ der Welt.

Mit seiner „learning by doing“-Philosophie spiegelt Charles Stark Drapers Karriere eine der grundlegenden Veränderungen in der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts wider. Die Transformation akademischer Forschung in die (Wirtschafts-) Praxis. In Anerkennung der Bedeutung von Drapers Karriere vergibt die US-amerikanische National Academy of Engineering seit 1988 den Charles Stark Draper Prize, einer der wichtigsten Preise für Ingenieure und in diesen Disziplinen ähnlich bedeutend wie ein Nobelpreis. Mit der Auszeichnung sollen innovative Ingenieurleistungen geehrt werden, die in der Praxis zum Wohlergehen und zur Freiheit des Menschen beitragen.

 

Der Apollo Guidance Computer – das erste Embedded-System

Apollo Guidance Computer
Der von Dr. Charles Stark Draper entwickelte Apollo Guidance Computer kam sowohl in den Kommandomodulen als auch in den Mondlandefähren des Apollo-Programms zum Einsatz. Insgesamt flog er bei 15 bemannten Missionen mit:
  • Maße: 61 × 32 × 17 Zentimeter
  • Gewicht: 32 Kilogramm
  • Prozessor: 2800 IC mit jeweils zwei NOR-3-Gattern
  • Taktfrequenz: 2.048 Hz
  • Speicher: 15-Bit RAM
  • Energiebedarf: 50 Watt

 

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