Wo bin ich? Wohin soll es gehen? Und auf welchem Weg? Das sind die drei entscheidenden Fragen, die ein Roboter beantworten muss, wenn er sich autonom in einer Umgebung fortbewegen soll. Hierfür kommen die unterschiedlichsten Navigationslösungen zum Einsatz, die häufig auch miteinander kombiniert werden, um eine optimale Orientierung im Raum zu gewährleisten.
Grundlage für alle Anwendungen mobiler Roboter ist eine robuste autonome Navigation. Damit ein mobiler Roboter Aufgaben wie „Fahre zu Zielort A“ in unterschiedlichen Einsatzumgebungen ausführen kann, muss er in der Lage sein, sich korrekt zu lokalisieren und zu navigieren. Ein grundlegendes System hierfür ist die Navigation mithilfe von globalen Satellitennavigationssystemen, wie sie auch das „Navi“ im Auto nutzt. Das bekannteste ist sicherlich das US-amerikanische GPS. Daneben existieren aber auch noch Systeme anderer Länder wie das russische Glonass, das noch im Aufbau befindliche chinesische Beidou sowie das europäische Galileo, für das auch bereits die ersten Satelliten im All sind. Die Satellitennavigationssysteme bieten eine Positioniergenauigkeit von einigen Metern, je nach System und Anzahl der empfangbaren Satelliten. Damit können Roboter durchaus schon durch ein Gelände navigieren, sofern sie eine Karte der Umgebung abgespeichert haben.
Mit dem Satelliten zentimetergenau navigieren
Für eine noch genauere Navigation können die Signale der Satelliten per Software aufbereitet werden. So bietet zum Beispiel die US-amerikanische Firma Swift Navigation ein software-basiertes System, das mit den Standardinformationen der Navigationssatelliten eine Genauigkeit von nur noch wenigen Zentimetern erreicht. Als Hardware werden dabei preiswerte Smartphone-Komponenten eingesetzt. „Das ist nicht das GPS des Mobiltelefons mit einer Genauigkeit von rund drei Metern – was gut genug für die Suche nach einem Restaurant ist, aber bei weitem nicht ausreicht, um ein autonomes Fahrzeug durch die Welt zu navigieren“, erklärt Tim Harris, CEO von Swift Navigation. „Mit unserem zentimetergenauen GPS weiß ein Auto, in welcher Fahrspur es sich befindet und eine Drohne kann ein Paket auf deiner Türschwelle absetzen – und nicht im Pool des Nachbarn.“ Allerdings bietet die Satellitennavigation einen grundsätzlichen Nachteil: Sobald die Signale der Satelliten verdeckt sind, zum Beispiel in den Häuserschluchten einer Großstadt oder im Inneren eines Gebäudes, funktioniert die Navigation nicht mehr. Daher haben verschiedene Anbieter Systeme entwickelt, bei denen die Satelliten durch andere Signalquellen ersetzt werden.
Funksignale ersetzen den Satelliten
Gerade im Indoor-Bereich bietet sich Wi-Fi an: Mithilfe von Wi-Fi-Routern, deren Position und Signalstärke dem System bekannt ist, kann die Position ermittelt werden. In besonders dicht besiedelten Gebieten kann so ein Standort mit einer Genauigkeit von zehn bis 20 Metern innerhalb von ein paar Sekunden bestimmt werden. WPS (Wi-Fi Positioning System) wird meist nicht allein verwendet, sondern zum Beispiel zusammen mit GPS. Durch die Kombination dieser Techniken entsteht eine Hybridnavigation, die die Leistung des Gesamtnavigationssystems deutlich verbessert. Ähnliche Systeme werden auch mit der Bluetooth-Technologie realisiert.
Hier ist vor allem die von Apple entwickelte iBeacon-Technologie zu nennen: Dazu werden in einem Gebäude kleine Sender auf vorher festgelegten Punkten platziert und auf einer digitalen Karte markiert. Sie verschicken in festen Zeitintervallen Signale mit einer zum Sender gehörigen eindeutigen Kennung. Die Datenübertragung geschieht hierbei über die extrem stromsparende Bluetooth-Low-Energy-Technologie, so können die Sender auch über eine Batterie betrieben werden. Der Roboter als Empfänger identifiziert die Kennung des Senders, misst seine Signalstärke und vergleicht die Informationen mit der digitalen Karte. Empfängt er vier Sender, kann er sogar seinen Standort im dreidimensionalen Raum bestimmen.
Eine noch relativ neue Technik ist das Ultra Wideband (UWB): Hier werden Sender installiert, die Breitbandsignale von mehr als 500 MHz im Frequenzbereich zwischen 3,1 GHz und 10,6 GHz ausstrahlen. Sind dem Roboter die Positionen der Sender bekannt, kann er über Triangulation seine Position bestimmen. Das von der irischen Firma Decawave entwickelte System ermöglicht beispielsweise auf Basis der UWB-Technologie eine garantierte Genauigkeit von zehn Zentimetern. „Der Markt für Indoor-Ortsbestimmung der nächsten Generation mit hoher Genauigkeit wächst mit soliden Use-Cases und konkreten Einsätzen. UWB erobert sich dabei seinen Raum, ABI Research erwartet ein starkes Wachstum in verschiedenen Branchen“, so Patrick Connolly, Chefanalyst bei ABI Research. „Die Marktchancen sind recht groß und Unternehmen wie Decawave, die eine Vorreiterrolle in UWB innehaben, sind für ein kontinuierliches Wachstum gut positioniert.“
Navigation anhand der räumlichen Gegebenheiten
Eine Alternative – oder auch Ergänzung – zur Navigation über Funksignale sind Onboard-Systeme, die die Umgebung erfassen. Zum Einsatz kommen dabei etwa Radar- oder Lidar-Systeme: Lidar (Light Detection and Ranging) bezeichnet ein Verfahren, bei dem ein Lichtpuls ausgesendet wird und über die Laufzeit und Lichtgeschwindigkeit eine Entfernung berechnet werden kann. Lidar ist eine dem Radar sehr verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung; statt der Radiowellen beim Radar werden Laserpulse verwendet.
Nach dem gleichen Prinzip arbeiten Ultraschallsysteme: Hier existieren spezielle Chips, die Schallwellen im Ultraschallbereich aussenden. Treffen sie auf Objekte, werden sie reflektiert und vom Chip wieder empfangen. Aus der Laufzeit der Schallwelle lässt sich dann die Entfernung zum Objekt errechnen.
Eine andere Möglichkeit ist die 3D-Umgebungserfassung mit Stereokameras: Farb- und Tiefenkameras erzeugen eine Punktewolke mit exakt zugeordneten Abstandswerten. Auf deren Basis und durch einen Vergleich mit einer zuvor erstellten Karte kann der Roboter seine Position sehr genau bestimmen. Eine Navigationslösung, die unter anderem typischerweise in großräumigen Lagerhäusern oder in Automotive-Anwendungen zum Einsatz kommt, bieten Laserscanner. Mit einem rotierenden Laserstrahl können sie reflektierende Ziele in einem 360-Grad-Winkel identifizieren. Durch Berechnung der Entfernung und des Winkels zum Ziel kann ein Roboter seine Position bestimmen – vorausgesetzt, dass er die Referenzpunkte mit einer zuvor erstellten Karte der Umgebung abgleichen kann. „Bei diesem Ansatz spricht man heute von „Natural Feature Navigation, also der Navigation anhand räumlicher Gegebenheiten“, so Nicola Tomatis, CEO bei Bluebotics. Das von der Schweizer Firma entwickelte System ANT (Autonomous Navigation Technology), das herkömmliche Sicherheits-Laserscanner zur Navigation nutzt, erreicht eine Genauigkeit von einem Zentimeter. Dazu kombiniert das System allerdings die Daten des Laserscanners mit Messwerten zusätzlicher Sensoren, die die Bewegung des Roboters erfassen. Das können Sensoren sein, die die Drehbewegung der Antriebsräder und damit die zurückgelegte Strecke messen, oder Gyrometer, die die rotatorische Ausrichtung des Roboters erfassen.
Navigieren mit Licht
Der Roboterhersteller Adept ergänzt seine Indoor-Navigation zudem durch die sogenannte „Overhead Static Cues“-Technologie: Sollte sich die Umgebung – etwa durch herumstehende Paletten oder Kartons in einem Lager – so sehr verändert haben, dass die Messergebnisse unter eine bestimmte Wiedererkennungswahrscheinlichkeit fallen, so kann optional eine nach oben schauende Kamera als zusätzliche Sensorinformation verwendet werden. Die Kamera orientiert sich beispielsweise an der Deckenbeleuchtung. Anhand von mindestens drei sichtbaren Deckenleuchten lässt sich zusätzlich die Position im Raum ermitteln und damit die anderen sensorischen Informationen korrigieren.
Auf Licht setzen auch Forscher der Schwedischen Lund University. Sie haben auf Basis des Ausweichverhaltens von Bienen ein Konzept für ein neues Drohnen-Orientierungs-System entwickelt: Die Insekten schätzen die Lichtintensität ein, um Objekten gezielt auszuweichen. Es handelt sich genauer gesagt um das Licht, das Löcher im dichten Gestrüpp durchdringt. Das System könne ideal auf kleine, leichtgewichtige Roboter zugeschnitten werden. „Ich schätze, dass unser Vision-System für Drohnen in fünf bis zehn Jahren Realität wird“, prognostiziert Emily Baird von der Lund University. Die Nutzung von Licht, um sich durch komplizierte Umgebungsverhältnisse zu manövrieren, sei eine universelle Strategie, die sowohl von Tieren als auch Maschinen eingesetzt werden könne. Damit wird das Erkennen und sichere Durchdringen von Öffnungen möglich. „Es ist faszinierend, dass Insekten solche simplen Strategien haben, um mit schwierigen Problemen umzugehen, für die Wissenschaftler noch keine Lösung gefunden haben“, resümiert die Forscherin.
(Bildnachweis: Unsplash: NASA, SpaceX)