Blockchain im Energiemarkt

Ob Stromhandel oder Anlagensteuerung: Blockchain könnte bei der Digitalisierung des Energiesystems eine zentrale Rolle spielen. Denn die Transaktionstechnologie vereinfacht den Austausch, die Validierung und Dokumentation von Daten.

Ein Kernaspekt der nachhaltigen Energieversorgung ist die Dezentralisierung: Immer mehr Produzenten erzeugen Energie, die sie an Konsumenten verkaufen möchten. Gleichzeitig wächst der Bedarf der Konsumenten nach kurzzeitigen Strommengen an verschiedenen Orten, etwa durch die zunehmende Bedeutung der Elektromobilität. Immer öfter verschmelzen dabei Anbieter und Nachfrager zu sogenannten Prosumern, die Energie erzeugen und nachfragen. Die Menge an Transaktionen auch kleinerer Strommengen – etwa für die Aufladung eines Elektroautos – wird daher in Zukunft deutlich steigen.

Eine Lösung, um den Tausch und Handel von Strom zwischen Produzenten, Konsumenten und Prosumern wirtschaftlich und sicher zu realisieren, ist die Blockchain-Technologie. Damit lässt sich zum Beispiel eine intelligente, sichere Stromversorgung aus unterschiedlichen dezentralen, regenerativen Energiequellen aufbauen. Dadurch können Verbraucher und Erzeuger miteinander kommunizieren. „Für die Energiewende ist Blockchain deswegen interessant, weil sie es ermöglicht, Strom direkt zwischen erzeugenden und verbrauchenden Anlagen zu handeln“, erklärt Norman Pieniak. Er ist Leiter des Forschungsprojektes „BEST – Blockchainbasiertes dezentrales Energiemarktdesign und Managementstrukturen“ vom Reiner Lemoine Institut in Berlin.

Was ist Blockchain-Technik?

Die Blockchain wird meist mit Bitcoins und Kryptosystemen in Verbindung gebracht. Doch die Technologie kann grundsätzlich für Transaktionen jeder Art genutzt werden. Auch für den Handel mit Strom. Sie ist im einfachsten Sinne eine mit einem Zeitstempel versehene Reihe unveränderlicher Datensätze. Diese werden nicht auf einem zentralen Server, sondern von einem Verbund von Computern verwaltet. Diese gehören keinem einzelnen Unternehmen, keiner Organisation oder Person. Jeder Datensatz, auch Datenblock genannt, wird unter Verwendung kryptografischer Prinzipien gesichert. Dann werden die gesicherten Datenblöcke miteinander verbunden und es entsteht eine Datensatzkette, also eine „Blockchain“.

Die Blockchain erfordert entsprechend viele Rechenoperationen; Anwendungen wie Bitcoin und Co. verbrauchen daher sehr viel Strom. Doch es sind heute bereits alternative Blockchain-Lösungen verfügbar. Deren innovative Algorithmen erfordern nur eine minimale Rechenleistung  und verbrauchen somit deutlich weniger Energie.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Die Blockchain-Technologie schafft eine „Plattform des Vertrauens“ zwischen allen Beteiligten. Sie dokumentiert und weist Besitz oder Transport, bestimmte Messwerte, Produkteigenschaften oder Vertragsinformationen unumkehrbar nach. So lassen sich Prozesse zwischen allen Beteiligten einer Wertschöpfungskette weiter automatisieren. Die möglichen Anwendungen sind vielschichtig. Zulieferer in einer Supply Chain können Daten der Qualitätssicherung mit ihren Kunden teilen. Pharmaunternehmen realisieren mithilfe einer Blockchain eine sichere Chargenverfolgung.

Gerade auch in der Energiewirtschaft verspricht die Blockchain-Technologie in vielen Bereichen einen Mehrwert für Unternehmen und Verbraucher. Das ist zumindest das Ergebnis der Studie „Blockchain in der integrierten Energiewende“ der Deutschen Energieagentur (dena). So kann die Technologie über Automatisierungseffekte und Prozessoptimierungen zur Senkung von Betriebskosten beitragen. Auf Basis eines gesteuerten Informationsmanagements generiert sie einen Zusatznutzen. Anwendungsbereiche, in denen ein besonders hoher ökonomischer Nutzen des Blockchain-Einsatzes erwartet wird, sind unter anderem die Zertifizierung von Herkunftsnachweisen und die Anmeldung von Anlagen im Marktstammregister. Aber auch Energiedienstleistungen für Gebäude und Industrieprozesse.

Blockchain als Basis

So ließe sich zum Beispiel mit der Blockchain ein digitales und dezentrales Verzeichnis für Geräteidentitäten erstellen. Es ermöglicht auf Grundlage der Blockchain-Technologie die Anbindung und Steuerung von Millionen dezentraler Erzeugungsanlagen mithilfe eines Smart-Meter-Gateways und ist Basis für zahlreiche weitere digitale Dienste. „Die Blockchain kann es technisch möglich machen, dass sich Marktteilnehmer mit ihren jeweiligen Anlagen in unterschiedlichen Zeiträumen in unterschiedlichen Märkten anmelden und darin agieren können“, erklärt Christian Sander, Lead Blockchain & Distributed Ledger Technologies bei dem Energieunternehmen EnBW.

Vor allem ermöglicht die Technologie den direkten Handel zwischen erzeugenden und verbrauchenden Anlagen, bei dem Besitzer kleinerer Anlagen überschüssige Energie direkt an andere Verbraucher verkaufen können. „Von diesem Peer-to-Peer-Handel profitiert das gesamte Energiesystem, weil es erheblich flexibler auf Schwankungen reagieren kann“, betont Norman Pieniak. „So unterstützt Blockchain den dezentralen Ansatz der Energiewende und kann dabei helfen, den Bedarf an kompensierenden Maßnahmen wie Speicher oder Netzausbau zu verringern.“ Sogenannte „Smart Contracts“ ermöglichen den Peer-to-Peer-Energiehandel. Sie lösen automatisch Transaktionen bei bestimmten Bedingungen aus.

Diese intelligenten Verträge können so eingestellt werden, dass Prosumer überschüssige Energie über einen Blockchain-fähigen Zähler in das Netz einspeisen. Der Stromfluss wird automatisch in der Blockchain kodiert, und Algorithmen bringen Käufer und Verkäufer in Echtzeit zusammen. Intelligente Verträge werden dann ausgeführt, wenn der Strom geliefert wird, und lösen die Zahlung zwischen Käufer und Verkäufer automatisch aus. Dadurch, dass die Finanztransaktionen und die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr zentral gesteuert werden, entsteht ein völlig neues Maß an Dezentralisierung und Transparenz, das die Branche bisher nicht kannte. ABB hat bereits in einem Pilotprojekt gezeigt, wie Blockchain-fähige Wechselrichter mit integrierten digitalen Funktionen es Versorgungsunternehmen, Aggregatoren und Energieverbünden ermöglichen können, die Investitions- und Betriebskosten zu senken. Dabei werden die Smart Contracts direkt in den Wechselrichter generiert.

Erste Tests in der Praxis geplant

Einige Experimente zum Einsatz der Blockchain in der Energiewirtschaft haben bereits stattgefunden: Blockchain wurde 2016 zum ersten Mal für den Handel mit Strom eingesetzt, als der Besitzer eines Solarpanels in einem Mikronetz in Brooklyn seine Energie an einen Nachbarn verkaufte. Später im selben Jahr fand in Amsterdam der erste europäische Handel statt. In Großbritannien tauschten die Bewohner einer Siedlung in Hackney eine Kilowattstunde Solarstrom zwischen den Gebäuden.

Einen größeren Test peilt das Forschungsprojekt „BEST – Blockchainbasiertes dezentrales Energiemarktdesign und Managementstrukturen“ an: Dabei soll drei Jahre lang erforscht werden, wie sich die Blockchain-Technologie bestmöglich zum Stromhandel im Rahmen der Energiewende nutzen lässt. Dazu wird ein Strommarktbietersystem (SMBS) auf Basis einer Blockchain aufgebaut, das den lokalen Handel ermöglichen soll und Überschüsse und Engpässe sofort automatisiert untereinander ausgleichen kann. Am Ende der Entwicklung steht ein sechsmonatiger Praxiseinsatz im Versorgungsgebiet des Stromanbieters e-regio, westlich von Bonn, bei denen Kunden das System unter realen Bedingungen testen. „Mit dem Blockchain-Stromhandelssystem, das wir in BEST entwickeln, leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung und zur Beschleunigung der Energiewende“, fasst Projektleiter Pieniak das Projektziel zusammen. „Für die Forschung ist uns außerdem wichtig, dass das SMBS als Open-Source-Software entwickelt wird – die Technik dahinter wird vollständig offengelegt und kann von allen Interessierten überprüft und reproduziert werden.“

 

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