Smartphones sind heute die Schaltstelle für Wearables. Doch dank neuer Technologien können immer mehr Wearables auch typische Funktionen des Smartphone übernehmen – und umgedreht.
Kaum einem Smartphone-Besitzer dürfte bewusst sein, dass das Gerät, das er da in der Hosentasche mit sich herumträgt, mehr Rechenleistung hat, als ein PC sie vor einigen Jahren besaß. Telefonieren und SMS schreiben ist längst nicht mehr die Hauptaufgabe der intelligenten Telefone – heute senden, sammeln und verarbeiten sie eine Vielzahl von unterschiedlichen Daten, sind ständig mit dem Internet verbunden und mit anderen Geräten in Kontakt. In kompakter, tragbarer Form vereinen sie umfassende Sensorik, Kommunikationsfähigkeit und Rechen-Power und sind damit die verbreitetsten Wearables überhaupt – rund 1,48 Milliarden Smartphones wurden laut den Marktforschern von CCS Insight allein in 2015 weltweit verkauft. Darüber hinaus haben sie sich auch als die Schaltstelle für die Steuerung von anderen Wearables etabliert und dienen als „Gateway“ für die Übertragung der von Fitness-Trackern, Smartwatches und Co. generierten Daten ins Internet und die Cloud.
Freiheit für Wearables
Doch in 2016 könnte sich diese Partnerschaft lösen. „eSIM“ heißt das Zauberwort, das das Wearable vom Smartphone befreit. Diese „Embedded SIM“ soll die bisher übliche feste Bindung der SIM-Karte an einen einzelnen Netzbetreiber beenden, sie lässt sich per Funk auf einen neuen Anbieter umstellen. Waren die Wearables in 2015 noch per Bluetooth mit dem Handy in der Tasche verbunden, übernimmt in 2016 zunehmend eine eigene digitale SIM-Karte die Verbindung ins Internet. Dabei ist die eSIM so klein, dass sie sich perfekt in das Design des smarten Accessoires integrieren lässt. So ermöglicht beispielsweise die Gear S2 Smartwatch von Samsung ihren Trägern über eine eSIM-Karte eine sichere 3G-Verbindung mit Mobilfunknetzen. Sie können direkt vom Handgelenk aus Anrufe tätigen und Daten, E-Mails sowie Benachrichtigungen empfangen oder auf Apps zugreifen, ohne mit ihrem Smartphone verbunden sein zu müssen.
Auslaufmodell Smartphone?
Thad Starner, Wearable Pionier, Direktor der Contextual Computing Group am Georgia Institute of Technology und Technischer Leiter beim Googles Glass-Projekt, ist sich daher sicher, dass das Smartphone ein Auslaufmodell ist. „Es benötigt zu viel Aufmerksamkeit und wird sich deshalb nicht auf Dauer halten“, sagte Starner im Interview mit der Zeitschrift Technology Review. Laut Starner ist der Aufwand einfach zu hoch, um zum Beispiel eine WhatsApp-Mitteilung zu lesen: Smartphone aus der Tasche holen, entsprechende App öffnen, auf den Bildschirm schauen, anschließend wieder ausschalten und zurück in die Tasche stecken. Er meint, dass die Menschen in Zukunft ihre Informationen beiläufig erhalten möchten, zum Beispiel eingeblendet in eine Datenbrille. So müssten sie ihre momentane Tätigkeit nicht unterbrechen.
Smartphone und Wearable ergänzen sich
Ganz anders sieht das Brian Pitstick von Moor Insights & Strategy, einem global tätigen Technologie-Analyse- und Beratungsunternehmen. In seinem Blog schreibt er: „Wearables werden dem Smartphone Aufgaben abnehmen, da sie für bestimmte Situationen besser optimiert sind. Wie auch immer, sie werden nicht alles von dem ersetzen, was ein Smartphone kann.“ Er meint, das Attraktive an Wearables sei ihr elegantes Design, die einfache Interaktion, die höhere soziale Akzeptanz in gewissen Situationen und dass sie beim Tragen weniger zur Last fallen. Sobald man jedoch anfange, Funktionalitäten in sie einzubauen, die bisher das Smartphone erledige, würden sie genau diese Vorteile verlieren. Sein Rat an Wearable-Entwickler: „Wearable-Geräte sollten auf einen spezifischen Anwendungsfall fokussiert werden und man sollte der Versuchung widerstehen, jedes mögliche Feature einzubauen.“
Das Gleiche gilt aber auch andersherum: Mit der Vielzahl von unterschiedlichen Sensoren können auch Smartphones Funktionen von Wearables übernehmen. So nutzt Nike den M7 Bewegungsprozessor von Apple im iPhone 5S, um über seine Move-App das Smartphone als Fitness-Tracker zu verwenden. Auch Fitbit hat eine ähnliche App angekündigt, die das iPhone in ein Fitbit-Tracking-Gerät verwandelt. Derartige Lösungen würden aber immer schnell an ihre Grenzen stoßen, so Pitstick, und daher nie spezifisch entwickelte Tracker für ernsthafte Sportler ersetzen können: „Während ein Smartphone als Bewegungs-Tracker fungieren könnte, ist es nicht so genau und kann nicht Werte wie Herzfrequenz, Hauttemperatur, Atemfrequenz und so weiter messen. Wearable-Geräte werden in der Lage sein, neue und ergänzende Daten zu liefern, die das Smartphone nicht bieten kann.“
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