Neben batterieelektrischen Antrieben wird Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors spielen. Insbesondere für die Brennstoffzelle ist aber noch viel Entwicklungsarbeit erforderlich, um sie massentauglich zu machen.
Im Fokus der Diskussion um die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors stehen ganz klar batterieelektrische Antriebe. Doch daneben wird intensiv an Technologien geforscht, bei denen Wasserstoff als Energieträger dient. Er lässt sich gut speichern und transportieren. Damit eignet er sich unmittelbar als Treibstoff für die Mobilität. Insbesondere EU-Mitgliedstaaten wollen durch den Einsatz von grünem Wasserstoff – also Wasserstoff, der mit regenerativer Energie erzeugt wurde – die CO2-Emissionen in verschiedenen Verkehrssektoren reduzieren: In Deutschland liegt der Schwerpunkt auf Lastkraftwagen, Bussen und der Luftfahrt. Frankreich strebt auch Pilotprojekte im See- und Luftfahrtsektor an.
Hohe Energiedichte
Zwar kommt es bei der Herstellung zu hohen Umwandlungsverlusten, sodass Wasserstoff deutlich mehr Primärenergie als direkt-elektrische Lösungen verbraucht: Ein Pkw mit Wasserstoffantrieb benötigt zum Beispiel doppelt so viel grünen Strom wie ein E-Auto mit Akku. Doch Brennstoffzellensysteme bieten im Vergleich zu den heutigen Li-Ionen-Batteriesystemen eine überlegene Energiedichte, mit ihnen ist so bei gleichem Systemgewicht eine größere Reichweite möglich. „Die zentrale Rolle von Wasserstoff als zukünftiger Energieträger sowohl für die Industrie als auch den Verkehr ist mittlerweile unumstritten“, sagt Professor Dr. Michael Günthner von der TU Kaiserslautern. „Für die nahe Zukunft sind auch erste Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffantrieben angekündigt, die entweder eine Brennstoffzelle oder einen Wasserstoffmotor nutzen.“
~600 Megatonnen pro Jahr wird die weltweite Nachfrage nach Wasserstoff bis 2050 voraussichtlich steigen.
Quelle: PwC
Hohe Leistung im Verbrennungsmotor
Der Wasserstoffmotor kann mit einem hervorragenden Wirkungsgrad die Energie des Wasserstoffs in mechanische Energie umwandeln. Gleichzeitig punktet er mit Stärken wie Robustheit und hoher Lebensdauer sowie der Möglichkeit, ihn unter allen extremen Randbedingungen – wie Kälte, Vibrationsbelastung oder Hitze – dauerhaft zu betreiben. Zudem unterscheidet sich die Technologie nicht wesentlich von den heute üblichen Verbrennungsmotoren – es kann also auf ein umfangreiches Know-how im Motorenbau zurückgegriffen werden.
So präsentierte das Unternehmen Keyou im Frühjahr 2022 die Prototypen eines 18-Tonnen-Lkw sowie eines 12-Meter-Stadtbusses mit Wasserstoffmotor – auf Basis einer bereits vorhandenen Dieselmotorplattform. Die Technologie ist so auch auf den Bestandsmarkt anwendbar. „Hier sehen wir“, so Thomas Korn, CEO und Mitgründer von Keyou, „den größten Hebel für den Wasserstoffmotor beziehungsweise Fahrzeuge mit Wasserstoffmotor.“
Denn die Technologie ist nicht nur langlebig, robust und unabhängig von seltenen Erden, sondern bietet – insbesondere bei der Gesamtkostenbetrachtung – eine dieseläquivalente Kostenstruktur für den Endkunden. Nicht zuletzt deshalb, weil nur geringe Anpassungen beim zugrunde liegenden Basismotor nötig sind und in der Produktion der Motoren und Fahrzeuge auf bestehende Verbrenner-Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. So bieten inzwischen mehrere Hersteller Wasserstoffmotoren an. Diese werden gemeinhin als Ergänzung zu Brennstoffzellen-Antrieben gesehen – insbesondere für Einsätze, bei denen hohe Belastungen auftreten.
Brennstoffzellen für den Massenmarkt
Bei gleichmäßiger, eher niedriger Belastung ist dagegen die Brennstoffzelle effizienter. In ihr entsteht durch eine chemische Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff Strom, der für den Antrieb eines Elektromotors genutzt wird. Dabei entstehen keine Abgase und kein Lärm. Einsatzmöglichkeiten der Brennstoffzellentechnologie gibt es sowohl bei Pkws und Lkws als auch in Zügen, Schiffen und Flugzeugen.
Allerdings ist die Herstellung von Brennstoffzellen-Stacks hochkomplex. Ein Stack kann aus über 3.000 Einzelteilen bestehen und mehrere Hundert Schichten haben. Aktuelle Entwicklungsprojekte konzentrieren sich daher vor allem darauf, den Bauraum zu minimieren, die Herstellungskosten zu senken und die Lebensdauer zu verlängern.
„Um die Brennstoffzellentechnologie erfolgreich im Massenmaßstab auf den Markt zu bringen, bedarf es einer Kombination aus umfassender Erfahrung in Forschung und Entwicklung, Systemintegration und komplexem Fertigungsprozess“, meint Mike Mansuetti, Präsident von Bosch in Nordamerika. Das Unternehmen kündigte kürzlich an, bis 2024 weltweit mehr als eine Milliarde US-Dollar in die Entwicklung mobiler Brennstoffzellentechnologien zu investieren.
80,48 Milliarden US-Dollar weltweiter Markt für Wasserstoff-Brennstoffzellen in 2030. In 2021 umfasste er noch 14,72 Milliarden US-Dollar.
Quelle: ResearchAndMarket
Wasserstoff ist kein Allheilmittel
Forscher vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit und vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) warnen allerdings in dem Forschungsprojekt „Wasserstoff als Allheilmittel?“ vor falschen Hoffnungen.
„Zwar wird grüner Wasserstoff ein unverzichtbarer Baustein im Energiesystem der Zukunft sein, aber seine Herstellung erfordert große Mengen an grünem Strom. Es dauert daher, bis größere Mengen verfügbar sein werden“, erklärt Jens Clausen vom Borderstep Institut. Und Florian Kern vom IÖW ergänzt: „In der Stahlherstellung, als Langzeit-Energiespeicher und als Rohstoff für Raffinerien und die Chemieindustrie ist Wasserstoff nach heutigem Stand der Technik unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen. In anderen Bereichen sollten energetisch und kostenmäßig effizientere Lösungen bevorzugt werden.“
Wasserstoff wird von den Forschern für Pkws, Busse und für den Lieferverkehr als nicht sinnvoll erachtet.
Preis für Wasserstoff wird sinken
Derzeit liegt laut PwC der Produktionspreis für grünen Wasserstoff weltweit zwischen 3,3 und 7,3 US-Dollar pro Kilogramm. Doch die Analysten gehen davon aus, dass sich der Preis bis 2030 auf eine Spanne von 2 bis 6 US-Dollar pro Kilogramm reduzieren wird. Grund dafür ist, dass die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien sinken und die Wasserstofftechnologien immer ausgereifter werden.