Gerade in der Patientenüberwachung sehen Experten einen großen Markt und viele Möglichkeiten für das Internet der Dinge. Durch die Vernetzung von Patienten, Ärzten und medizinischen Geräten sollen die Kosten im Gesundheitssektor gesenkt und es soll die Pflege der Patienten verbessert werden – auch wenn sie nicht mehr ständig im Krankenhaus überwacht werden, sondern zuhause ihrem ganz normalen Alltag nachgehen.
Das britische Gesundheitsministerium hat mit 6.000 Patienten die weltweit bisher größte Studie zur Wirksamkeit von Telemedizin abgeschlossen. Die ersten Auswertungen der Studie sind vielversprechend: Danach sinkt bei chronisch kranken Patienten, die Telemedizinplattformen nutzen, die Sterberate um 45 Prozent, die Notfallaufnahmen um 20 Prozent und die Krankenhausaufenthalte verkürzen sich um 14 Prozent. Diese Studie ist somit ein deutliches Signal für die modernen Gesundheitssysteme weltweit, ihre Strukturen in Richtung Telemedizin und Homehealthcare zu ändern. „Es gibt keinen anderen Weg, um die Versorgung chronisch Kranker außerhalb des Krankenhauses zu verbessern und gleichzeitig die Kosten für das Gesundheitssystem in den Griff zu bekommen“, so Jochen Franke, Geschäftsführer Philips Healthcare Deutschland.
Das Gesundheitssystem entlasten
Die Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen kostet das britische Gesundheitssystem jedes Jahr Milliarden. Insbesondere Besuche in der Notaufnahme oder Krankenhausaufenthalte sind kostenintensiv. Schaut man auf die ersten Studienergebnisse, so könnte die Telemedizin ein Weg sein, diese Kosten deutlich zu reduzieren. Damit ließe sich das Gesundheitssystem langfristig entlasten, ohne dass Patienten Einbußen in der Betreuung hinnehmen müssten.
So bietet Philips zum Beispiel die Telemedizinplattform Motiva zur Überwachung chronischer Erkrankungen. Das System verbindet die Patienten über einen Netzwerkanschluss am heimischen Fernseher mit ihrem medizinischen Fachpersonal. Es wertet die über drahtlose Geräte erfassten Vitalparameter wie zum Beispiel Gewicht und Blutdruck aus und leitet Auffälligkeiten direkt an das Fachpersonal weiter. Patienten erhalten so frühzeitig einen Hinweis zu ihrem veränderten Gesundheitszustand und haben die Möglichkeit, weitere Behandlungsschritte direkt am Fernseher mit dem Betreuungsteam zu planen.
Messelektronik wird kleiner und energieeffizienter
Der Kern derartiger Telehealth-Lösungen sind mobile Messgeräte: Sind sie klein genug, kann der Patient sie, wenn nötig, kontinuierlich mit sich tragen und so ständig seine Vitalparameter überwachen lassen. „Vom Gesundheitssektor bis zur Gebäudeautomation, unsere Umgebung mit Sensoren zu ergänzen wird uns in unserem Alltag unterstützen und unser Leben verbessern. Die Anwendungen sind zahllos und maßgeblich durch unsere Vorstellungskraft und durch den Energieverbrauch der meist batteriebetriebenen Sensorgeräte begrenzt“, so Harmke De Groot, Program Director Ultra Low Power Circuits am Holst Centre/imec. Das Holst Centre ist ein unabhängiges Forschungszentrum, das unter anderem Technologien für funkbasierte autonome Messwertgeber entwickelt. Das Center wurde von der belgischen imec, einem weltweit führenden Institut im Bereich der Nano-Elektronik-Forschung, und der niederländischen Forschungsorganisation TNO gegründet. „Die Funkeinheit verbraucht häufig 50 bis 80 Prozent des Gesamtenergiebedarfs eines Sensorsystems“, so De Groot weiter. „Für autonome Geräte – mit nur kleinen Batterien und daher limitierter Energie – ist der Energieverbrauch von kommerziell erhältlichen Nahbereichs-Funklösungen ziemlich hoch.“
Daher entwickelten imtec und Holst Centre eine hoch energieeffiziente Multi-Standard-Funklösung. Sie unterstützt mit Bluetooth Low Energy, ZigBee und Medical Body Area Networks die weltweit am häufigsten eingesetzten Funkstandards für mobile Sensoren. Der Sender ist bis zu fünfmal so energieeffizient wie aktuelle Bluetooth-Low-Energy-Lösungen. Dadurch lassen sich die Autonomie des gesamten Messgerätes steigern oder weitere Funktionalitäten implementieren. Auch die Größe der Batterie könnte dann reduziert werden, so dass das gesamte Gerät kleiner gebaut werden kann – was zum Beispiel bei tragbaren Systemen deutlich den Komfort für den Nutzer erhöht.
Auslöser einer neuen Bewegung
Diese kleinen, tragbaren und einfach zu bedienenden Messinstrumente zur Überwachung von Vitalparametern sind heute nicht nur die Basis eines „professionellen Gesundheitssektors“, sondern auch Kern der sogenannten Quantified-Self-Bewegung: Gemeinsames Interesse der Mitglieder ist die Erfassung und Nutzung von Informationen zu Gesundheit, Verhalten, Umwelt und anderen persönlichen Belangen mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns und der Verhaltensänderung. Einer der Pioniere in diesem Bereich ist das französische Unternehmen Withings. Das Unternehmen entwickelt intelligent vernetzte Geräte und dazugehörige benutzerfreundliche Apps, mit denen die Nutzer ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden verbessern können. Zu Beginn des Jahres brachte Withings zum Beispiel den Smart Body Analyzer auf den Markt und erfand damit die Personenwaage neu: Die erste mit dem Internet verbundene Waage misst nun neben Gewicht und Körperfettanteil auch die Herzfrequenz und Luftqualität im Zimmer. Im letzten Monat stellte Withings zudem den Activity Tracker Withings Pulse vor. Dieser ist nur halb so groß wie eine Streichholzschachtel und misst Herzfrequenz, Schritt- und Kalorienzahlen, die zurückgelegte Distanz, Höhen und Schlafqualität. Cedric Hutchings, CEO und Mitbegründer von Withings, erklärt: „Mit der Quantified-Self-Bewegung wird der Healthcare-Bereich auf eine neue Entwicklungsstufe gehoben. Dank der Withings-Lösungen erhalten Nutzer die Kontrolle über ihre Gesundheit; eine vertrauensvollere Beziehung zwischen Patienten und Gesundheitsexperten entsteht.“