Stabile Smart Grids trotz erneuerbarer Energien

Smart Grids bedeuten den Umbruch von einer zentral gesteuerten zu einer intelligenten dezentralen Stromversorgung. Eine bessere Stromnetz-Stabilität, besonders im Kontext regenerativer Energien, gehört zu den wichtigen Aspekten der Einführung von Smart Grids.

Die Einbindung regenerativer Energiequellen in das Stromnetz stellt Netzbetreiber vor eine große Herausforderung. Es müssen nicht mehr wie bisher nur einige wenige große Kraftwerke koordiniert werden, sondern eine Vielzahl von Energiequellen und Speichern. Zudem lässt sich das Volumen der aus unbeständigen Quellen wie Photovoltaik oder Windkraft erzeugten Energie nur schwer vorhersagen oder gar beeinflussen. Dadurch wird es immer schwieriger, Stromerzeugung und -verbrauch im Gleichgewicht und damit das Netz stabil zu halten. Um Blackouts und Engpässe zu vermeiden, müssen Angebot und Nachfrage optimal aufeinander abgestimmt werden. Diese Aufgabe übernimmt das Smart Grid.

Energie plus Daten mit Smart Grids

Smart Grids sind intelligente Stromnetze, die nicht nur Energie, sondern auch Daten transportieren. Der Informationsaustausch zwischen allen Teilnehmern ermöglicht es, Stromerzeugung, -speicherung und -verbrauch besser zu koordinieren. Dabei sind intelligente Stromzähler oder Smart Meter, ein wichtiger Bestandteil des Smart Grids. Sie erfassen die Stromverbräuche in Echtzeit und kommunizieren diese an den Netzbetreiber beziehungsweise Stromanbieter. Smart Meter können aber nicht nur Daten senden, sondern auch empfangen – etwa den aktuellen Stromtarif. So können sich zum Beispiel Hausgeräte automatisch einschalten, wenn ein Energieüberschuss im Netz und der Strom besonders günstig ist. Das kann eine entsprechend vorbereitete Waschmaschine sein. Oder auch eine Wärmepumpe, die bei besonders günstigen Stromtarifen gezielt die Puffertemperatur oder die Temperatur der Fußbodenheizung geringfügig anhebt. Dadurch speichern diese Geräte indirekt die günstige Energie.

Bei der Übertragung der Informationen kommen ganz unterschiedliche Technologien zum Einsatz. 5G eignet sich besonders für das Echtzeit-Management und die Automatisierung des intelligenten Stromnetzes. Reicht eine niedrige Bandbreite und ist eine hohe Latenz akzeptabel, sind Low-Power-Funknetze eine kostengünstige Alternative zum Mobilfunk. Eine Breitband-Powerline-Infrastruktur, bei der die Daten über das Stromkabel übertragen werden, verspricht eine hohe Verfügbarkeit und einen einfachen Roll-out.

Energiebedarf prognostizieren

Die durch das Smart Grid verfügbaren Informationen und Messungen können von Energieversorgern genutzt werden. Zum Beispiel um Anlagen zu steuern, zu überwachen und deren variablen Energiebedarf vorauszusagen. Das grundsätzliche Problem dabei ist allerdings die Menge der Daten und die Zeit, die für die Analyse der Informationen benötigt wird.

Arizona Public Service setzt daher auf Künstliche Intelligenz (KI). Der Energieversorger steht in den USA an dritter Stelle bei Kapazitäten aus Solarenergie. Das Unternehmen kombiniert seine Smart-Meter-Daten mit Wetteraufzeichnungen und demografischen Daten von Drittanbietern, um den Energiebedarf vorauszusagen. Dabei kommt ein Softwaretool des Unternehmens Innowatts zum Einsatz. Die Plattform ist mit über 43 Millionen intelligenten Zählern weltweit verbunden. Sie nutzt KI, um stündlich über fünf Milliarden Datenpunkte zu analysieren. „Mehr denn je benötigen Stromversorger und Netzbetreiber Dateneinblicke, um fundierte Entscheidungen zu treffen, die ihren Kunden heute und in Zukunft am besten dienen“, erklärt David Boundy, Innowatts Chief Product and Technology Officer und General Manager Europe. „Bis zum Sommer 2021 wird erwartet, dass allein in Großbritannien über 25 Millionen intelligente Stromzähler installiert sein werden, die stündlich Milliarden von Datenbits produzieren. Bislang blieb jedoch ein Großteil dieser Daten ungenutzt.“

Störungen dank Digitalisierung gesenkt

Enel bietet ein Paradebeispiel dafür, wie die Digitalisierung die betriebliche Effizienz steigert und die Servicequalität für einen Netzbetreiber verbessern kann. In nur zehn Jahren hat Enel den System Average Interruption Duration Index (SAIDI: je niedriger dieser Indikator, desto besser ist die Netzqualität) um 65 Prozent gesenkt und gibt derzeit fast ein Drittel seines Investitionsbudgets für digitale Technologie aus.

(Quelle: IEA)

Energiefluss gezielt steuern

Neben Smart-Grid-Technologien ist die Leistungselektronik eine Schlüsseltechnologie für die nachhaltige Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung. Ohne sie kann die Integration erneuerbarer Energien kaum gelingen, erklärt Prof. Dr.-Ing. Joachim Böcker, Leiter des Fachgebiets Leistungselektronik und Elektrische Antriebstechnik am Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik der Universität Paderborn.

„Es gibt nicht nur eine Form von elektrischer Energie, sondern jeder Verbraucher benötigt eine passende elektrische Versorgung“, schildert er. „Das betrifft sowohl die Höhe der Spannung als auch die Frage nach Gleich- oder Wechselspannung. Auch die Energieerzeuger generieren elektrische Energie ganz unterschiedlicher Art: Photovoltaik-Anlagen liefern Gleichspannung, Windkraftanlagen zwar Wechselspannung, aber leider nicht die zum Wechselspannungs-Stromnetz passende Frequenz. Für Energieübertragung und -verteilung wiederum sind 50-Hertz-Hochspannungssnetze vorherrschend. Hinzu kommen immer mehr Hochspannungs-Gleichstromübertragungen, zum Beispiel zur Anbindung der Offshore-Windkraftanlagen oder zur Kopplung der deutschen und norwegischen Stromnetze über Seekabel.“ All diese Umformungen der elektrischen Energiearten – ob für LEDs oder den Motor eines Elektroautos – ermöglicht heute die Leistungselektronik. Sie bietet darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, den Energiefluss gezielt zu steuern, und schafft damit die Voraussetzung für intelligente Energiesysteme. So untersucht Prof. Böcker Stromrichter, die dank des Einsatzes von virtuellen Synchronmaschinen das Anfahren von Inselnetzen unabhängig vom Stromnetz ermöglichen.

In konventionellen Kraftwerken werden über Synchronmaschinen – das sind rotierende elektrische Maschinen – kurzfristig verfügbare Leistungsreserven geschaffen, zum Beispiel bei einem abrupten Erzeugungsausfall oder einer plötzlichen Zunahme der Verbraucherlast. Dieses Verhalten kann über Leistungselektronik simuliert werden und im Fall eines Stromausfalls die Spannung im Netz erneut aufgebaut werden. Das trägt wesentlich dazu bei, dass die nachhaltigen Energienetze der Zukunft auch mit ihren zahlreichen volatilen Quellen zuverlässig und stabil sind.

 

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