Aus erneuerbaren Quellen hergestellte synthetische Kraftstoffe versprechen eine bis zu 90-prozentige CO2-Reduktion gegenüber herkömmlichen Treibstoffen. Außerdem können sie in heute gebräuchliche Verbrennungsmotoren eingesetzt werden – und die vorhandene Tank-Infrastruktur nutzen.
Batterieelektrische Antriebe, Brennstoffzellen oder Wasserstoffmotoren – all diese Alternativen zum bisherigen Verbrennungsmotor erfordern neue Fahrzeuge oder zumindest neue Technologien im Fahrzeug sowie eine eigene Infrastruktur zur Versorgung mit Energie. Besonders für den Luftverkehr bieten sie (noch) keine wirtschaftliche Lösung zur Dekarbonisierung, wie Professor Peter Pfeifer vom Institut für Mikroverfahrenstechnik des KIT und einer der Sprecher des Forschungsprojekts Kerogreen erklärt:
„Batterien, Wasserstoff und Hybridlösungen sind aufgrund ihrer geringen Energiedichte ungeeignet. Biokraftstoffe wiederum stehen aufgrund der benötigten Anbauflächen in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion und dem Naturraum.“
CO2-neutraler Kraftstoff
Aus erneuerbaren Quellen hergestellte synthetische Kraftstoffe bieten sich hier als Alternative an. Diese sogenannten reFuels oder eFuels versprechen nicht nur eine bis zu 90-prozentige CO2-Reduktion gegenüber herkömmlichen Treibstoffen, sie erlauben auch weiterhin die Nutzung der bestehenden Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmotor – und der gesamten Tank-Infrastruktur von der Herstellung über den Transport bis zum Vertrieb. Ausgangsstoff der synthetischen Kraftstoffe ist dabei Wasserstoff.
Er wird unter hohem Druck und mithilfe eines Katalysators mit aus der Luft gewonnenem CO2 verbunden – es entsteht ein synthetischer Kraftstoff, der technisch leicht speicher- und lagerbar ist und sich einfach transportieren lässt. Da in diesem Prozess im Prinzip Strom in Flüssigkeit umgewandelt wird, spricht man auch vom „Power-to-Liquid“-Verfahren. eFuels werden als CO2-neutral eingestuft, da bei ihrer Herstellung genau so viel CO2 aus der Atmosphäre im Kraftstoff gebunden wird, wie später bei der Verbrennung wieder emittiert wird. Verwendet man für die Herstellung von eFuels grünen Strom, ist dies ein geschlossener Kreislauf.
22,8 Prozent durchschnittliches jährliches Wachstum des weltweiten eFuel-Marktes von 2022 bis 2028
Quelle: ResearchAndMarkets
Voll alltagstauglich
„Auf flüssige Kraftstoffe werden wir auf absehbare Zeit nicht verzichten können, etwa im Bereich des Schwerlastverkehrs, der Schiff- und Luftfahrt, aber auch in der Auto-Bestandsflotte“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Forscher des Instituts haben in einem groß angelegten Projekt mit Partnern aus der Wirtschaft bewiesen, dass reFuels in fast allen Fahrzeugen eingesetzt und in absehbarer Zeit in großen Mengen hergestellt werden können. „Im Projekt ‚reFuels – Kraftstoffe neu denken‘ haben wir jetzt gezeigt, dass reFuels sowohl bei alten und neuen Autos als auch bei Nutzfahrzeugen oder Lokomotiven funktionieren“, so Hirth. In dem Projekt wurden in einer Größenordnung von mehreren Tonnen reFuels hergestellt, die den bestehenden Kraftstoffnormen für Otto- und Dieselkraftstoffe entsprechen. Hirth:
„Kurz, reFuels sind heute voll und ganz alltagstauglich!“
Neben einem umweltfreundlichen Ersatz für Diesel und Benzin können eFuels auch als sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF) raffiniert werden, also als CO2-neutrales Kerosin. So wurde im Projekt Kerogreen Kerosin aus Luft und Wasser erzeugt.
„Mit erneuerbarer Energie und CO2 direkt aus der Atmosphäre entsteht dabei ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf. Wir können sogar die bestehende Infrastruktur für die Lagerung, den Transport, die Betankung der Flugzeuge und vor allem die Triebwerkstechnik weiternutzen“,
erklärt Professor Peter Pfeifer vom KIT. Darüber hinaus würde synthetisches grünes Kerosin keinen Schwefel sowie weniger Ruß und Stickstoffoxide (NOx) emittieren. Im Projekt wurde eine innovative Plasmatechnologie entwickelt, mit der sich große Mengen SAF produzieren ließen.
Herausforderungen auf dem Weg zum eFuel
Derzeit bremsen die noch nicht ausreichend verfügbaren sowie bezahlbaren Mengen an grünem Wasserstoff den Einsatz von eFuels. Allein in Deutschland werden im Jahr 2045 laut einer Metaanalyse der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, acatech, und der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, Dechema, 85 bis 150 Terawattstunden Wasserstoff in Deutschland darauf verwendet werden, eFuels herzustellen. Dabei werden die Vorprodukte für die eFuels vor allem in Ländern produziert, die über ausreichend Wind- oder Sonnenenergie verfügen, zum Beispiel Chile oder Südspanien.
Die eigentlichen eFuels wie Benzin, Diesel oder Kerosin könnten dann in Raffinerien im Einsatzland produziert werden. Zweites großes Hemmnis für eFuels ist allerdings der Wirkungsgrad über den gesamten Herstellungsprozess: Von der im Prozess eingesetzten Energie bleiben am Ende nur circa 25 bis 30 Prozent übrig – oder sogar noch weniger.
Zum Vergleich: Ein Elektrofahrzeug wandelt die eingesetzte Energie zu circa 70 bis 80 Prozent in Vortrieb um. Mit neuen Reaktoren, die deutlich weniger Prozessenergie benötigen, erwarten Forscher allerdings, dass sich der Wirkungsgrad auf bis zu 60 Prozent steigern lässt.
Ein Stück Unabhängigkeit
„eFuels können nicht nur zur Bewältigung der Klimakrise beitragen. Sie können uns dabei helfen, uns unabhängig von Energieimporten aus Ländern wie Russland zu machen und damit Versorgungssicherheit garantieren“, erklärt Dr. Lorenz Kiene vom eFuels Forum und ergänzt: „Wir müssen alle Technologien, die zur Verbesserung unserer CO2-Bilanz führen, nutzen – in Pkws, Lkws und Baumaschinen sowie in Schiffen und Flugzeugen. Die Klimaerwärmung verzeiht keinen Aufschub.“