Städte auf der ganzen Welt leiden unter den Auswirkungen des zunehmenden Autoverkehrs. Die Mikromobilität hat das Potenzial, Staus und Umweltverschmutzung zu verringern und gleichzeitig für jedermann zugängliche, bequeme und erschwingliche Transportmöglichkeiten zu bieten.
Mikromobilität ist weltweit ein Trend, mit dem Individualverkehr, hohes Verkehrsaufkommen und Ressourceneffizienz vereint werden sollen. E-Bikes, E-Roller, Hoverboards oder Segways ermöglichen es, kürzere Strecken schnell und ohne große Anstrengung zu bewältigen, zum Beispiel von zu Hause zum nächsten Carsharing-Punkt oder vom Bahnhof zur Arbeitsstelle. Dabei verringern sie den ökologischen Fußabdruck für Mobilität deutlich – zum einen aufgrund ihres geringen Platzbedarfes, zum anderen wegen ihrer Effizienz.
„Moderne Verkehrslösungen zeichnen sich durch Differenzierung und passgenauen Einsatz aus“, betont Markus Emmert, Vorstand des deutschen Bundesverbands eMobilität. „Ein Zweitonnen-Fahrzeug zu bewegen, um zwei 10 Kilo-Taschen im Stadtbezirk vom Supermarkt nach Hause zu fahren, ist ökologischer Unsinn. Wir brauchen Anreize für kluge Verkehrsangebote und zur Verkleinerung der Geräte. Bei Computern oder Telefonen hat der Markt das längst entschieden, im Personenverkehr hindert uns daran die Auto-Fixierung.“
Neue Fahrzeugklasse
Eine Alternative zu großen und teuren Autos soll eine neue Fahrzeugklasse bieten: Die Small oder Sustainable Urban Mobility, kurz SUM. In der Regel handelt es sich dabei um zweisitzige Elektro-Vierradfahrzeuge, die sich durch ultrakompakte Abmessungen, Zugänglichkeit (in Bezug auf Führerscheinklasse und Preis) und Sicherheit auszeichnen. Zu den ersten serienmäßigen Vertretern dieser Klasse zählen zum Beispiel der Renault Twizy, der Mircolino 2.0 oder der Citroen Amis. Das Konzept „erfüllt neue Bedürfnisse einer neuen Generation von Kunden, die Mobilität und individuelle Freiheit suchen, insbesondere die von Teenagern und jungen Erwachsenen“, so Vincent Cobée, Citroën CEO.
Rentabilität steigern
Die Betreiber von Shared-Micromobility-Angeboten haben ihre Aktivitäten inzwischen stark ausgeweitet, dabei allerdings laut dem Technologieforschungsunternehmen ABI Research wenig Wert auf die Entwicklung eines nachhaltigen Geschäftsmodells gelegt.
„Nach Jahren schneller, aber ungeordneter Expansion haben die meisten Akteure aufgrund eines Missverhältnisses zwischen Fahrzeugangebot und -nachfrage hohe Leerlaufraten und eine geringe Rentabilität in verschiedenen Märkten“, erklärt Maite Bezerra, Smart Mobility & Automotive Industry Analyst bei ABI Research.
Daher sei es unerlässlich, Maßnahmen zur Kostensenkung zu ergreifen. Allein das Aufladen von Fahrzeugen macht 50 Prozent der laufenden Kosten aus. Zusammen mit dem Rebalancing (dem Verteilen der Fahrzeuge im Einsatzgebiet) macht dies den größten Anteil der Betriebskosten in der Shared-Micromobility aus. Mit austauschbaren Batterien ließen sich laut ABI Research die Kosten für das Aufladen der Batterien um 30 bis 60 Prozent senken, da die Fahrzeuge dann nicht extra ins Lager zurücktransportiert werden müssen. Gleichzeitig kann die Ladezeit von vier Stunden auf 15 Minuten verkürzt werden.
Wechselakkus reduzieren Kosten
So rüstet Lime, einer der weltweit führenden Anbieter von Mikromobilität, seine E-Scooter und E-Bikes der neuesten Generation mit standardisierten Wechselakkus aus, die in beiden Fahrzeuggattungen eingesetzt werden können. Die neuen Akkus speichern fast eine Kilowattstunde, wodurch die E-Bikes weniger häufig geladen werden müssen.
Das senkt die Zahl der Betriebsfahrten, die beispielweise für einen Akkuwechsel nötig waren. Gleichzeitig können die Nutzer mit den neuen Akkus im Vergleich zum Branchenstandard mehr als doppelt so weit fahren und die Verfügbarkeit der Fahrzeuge wird erhöht.
Reparierbare Batterie
Um die Nachhaltigkeit der in den Mikro-Fahrzeugen vewendeten Batterien weiter zu erhöhen, will das in Bordeaux ansässige Unternehmen Gouach eine Batterie entwickeln, die sich in weniger als zehn Minuten reparieren lässt. Die Vision ist, dass diese Batterie die Menge an Elektroschrott reduziert und den CO2-Fußabdruck von Batterien für die Mikromobilität um 70 Prozent verringert.
Die Idee basiert auf einer Studie, nach der eine Vielzahl der defekten Batterien einen großen Anteil an einwandfrei funktionierenden Komponenten haben. Bei der Batterie von Gouach sollen daher defekte Komponenten einfach und sicher ausgetauscht werden können. Laut einer von Magelan durchgeführten Studie verursachen die Batterien von Gouach 2,6-mal weniger CO2 als eine herkömmliche Batterie und verbrauchen 2,5-mal weniger Wasser, sind aber genauso effizient.
650 Städte verfügen über Shared-Micromobility-Services (Stand Februar 2021).
Quelle: Internationale Energie Agentur IEA
Sicherheitssystem für E-Scooter
Eine weitere Herausforderung stellen die hohen Unfallzahlen in der Mikromobilität dar. Das Unternehmen Dock-Y hat als Antwort darauf ein auf Sensoren und Kameratechnik und über KI gesteuertes System für E-Scooter und Co. entwickelt. Es erkennt Gefahren frühzeitig und hilft den Fahrern, gefährliche Situationen auf öffentlichen Straßen zu vermeiden. Zu den wichtigsten Funktionen gehören autonomes Bremsen, das Erkennen von Fußgängern und Menschenansammlungen, eine Rundum-Näherungssensorik, progressive Fahrerwarnungen sowie ein intelligenter Geschwindigkeitsbegrenzer.
Selbstfahrender Personentransporter
Derartige Intelligenz hat das Konzeptfahrzeug CiKoMa von Honda bereits eingebaut: Der Nutzer kann das selbstfahrende elektrische Mikro-Mobilitätsfahrzeug per Sprache herbeirufen und den genauen Pick-up-Punkt mit Worten und Gesten mitteilen. Gesteuert wird CiKoMa „kooperativ“: Der Kurs kann über einen Joystick beeinflusst werden, die automatische Fahrtechnologie unterstützt dabei.
Noch weiter geht der Citybot von EDAG: Dabei handelt es sich um vernetzte, autonom fahrende Roboterfahrzeuge, an die unterschiedliche Nutzmodule wie Anhänger- und Rucksackmodule gekoppelt werden. Dank dieser Modularität können die Citybots überall eingesetzt werden: für den Personen- oder Warentransport, als Stadtreinigungsfahrzeug oder für den Einsatz im privaten Umfeld. Das steigert die Effizienz. Dabei stellen die Fahrzeuge keine Insellösung dar, sondern sind integraler Bestandteil eines bedarfsorientierten und ganzheitlichen Verkehrssystems.
Transport auf der letzten Meile
Mikromobilität ist aber nicht nur für den Personentransport interessant. Auch der Logistikbranche bieten sich hier Chancen, gerade beim Transport auf der „letzten Meile“ effizienter und ressourcenschonender zu werden. Ein Beispiel dafür ist der Minitransporter von Onomotion: Er hat die Vorteile eines schnellen, schmalen und wendigen Lastenrades mit wetterfester Kabine, kombiniert mit einem Ladevolumen von zwei Kubikmetern und maximal 200 Kilogramm Nutzlast in einem Wechselcontainer.
Die Pedelecs können Radwege nutzen, sind leise, stehen nicht im Stau, parken nicht in der zweiten Reihe und müssen keinen Parkplatz suchen. „Unser Ziel ist es, Citylogistik neu zu denken, eine innovative Mobilität sowie Logistik zu etablieren“, so Beres Seelbach, Co-CEO und Gründer von Onomotion. „Dadurch können wir Verkehr, Platz und Emissionen in den Städten verringern und sie dadurch lebenswerter gestalten.“
Effiziente E-Scooter
Reichweite pro Kilowattstunde Energie:
- 1,3 Kilometer benzinbetriebenes Auto
- 6,6 Kilometer E-Auto
- 133 Kilometer Elektroroller
Quelle: Wired Magazin