Mikroprozessoren und -controller sind das Gehirn in der Industrie 4.0. Sie müssen dafür nicht nur immer kleiner und leistungsstärker werden, sondern auch Signale in Echtzeit verarbeiten und weiterleiten.
A uf welcher Maschine soll ein Produkt gefertigt werden? Welche Arbeitsschritte folgen aufeinander? Und was passiert, wenn eine Bearbeitungsstation ausfällt? Die Antworten auf diese Fragen zu finden, ist heute noch Sache der Fertigungsplanung – mit einem hohen Anteil von Know-how der Mitarbeiter. In der Industrie 4.0 sollen diese Entscheidungen automatisiert, das heißt von Mikroprozessoren getroffen werden. Sie werden in Werkzeuge, Maschinen, Anlagenteile und auch in Endprodukte integriert, kommunizieren mit anderen Komponenten und Bereichen der smarten Fabrik und klären auf Basis dieser Informationen in Sekundenschnelle die aktuelle Situation, um selbstständig zu entscheiden.
Immer kleinere Strukturen
Komplexe Hochleistungsprozessoren sind damit das Gehirn und die Rechenzentrale der intelligenten Elemente der Industrie 4.0. Die gewaltige Datenmenge und die komplexen Anforderungen zum Beispiel durch Algorithmen zur Entscheidungsfindung erfordern eine enorme Rechenleistung. Gleichzeitig soll die Leistungsaufnahme, also der Stromverbrauch, möglichst gering sein, denn die meisten dieser Mini-Rechenzentralen sind mobil und werden über Batterien oder über Energy Harvesting mit Energie versorgt.
Dafür werden heute in der Regel Multi-Core-Chips eingesetzt, die über mehrere Hauptprozessoren verfügen. Sie gestatten neben der reinen Datenverarbeitung eine Vielzahl von Steuerungs- und Programmfunktionen, die in der Firmware oder einer programmierbaren Software hinterlegt sind. Die für Industrie 4.0-Anwendungen benötigte Leistungssteigerung lässt sich vor allem über immer mehr Transistoren pro Chip erreichen – bei einer gleichzeitigen Verkleinerung der Strukturen. Doch immer kleinere Strukturen bergen Probleme: So steigt der Anteil der sogenannten Leckströme am Gesamtenergieverbrauch der integrierten Schaltungen. Die Halbleiterhersteller setzen daher alternative Materialien wie zum Beispiel die High-k Metal Gate-Technologie ein, mit denen der Leckstrom bei gleichbleibender Schaltgeschwindigkeit um mehrere Größenordnungen reduziert werden kann.
Der Energieverbrauch sinkt
Ein geringer Energieverbrauch war auch bei dem neuen Mikrochip „Tomahawk 2“ des Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) der TU Dresden ein Entwicklungsziel. Anders als aktuelle Mehrkern-Chips kann er die Stromzufuhr zu jedem einzelnen seiner 20 Kerne binnen Nanosekunden hoch- oder herunterregeln, um Energie zu sparen. Im Labor der Dresdner Mikroelektronikexperten arbeitet der Chip bereits zuverlässig – und das sechsmal schneller bei gleichem Energiebedarf als ähnliche Mobilfunk-Mikroelektronik. Er kann unterschiedlichste Bauelemente problemlos miteinander in Verbindung bringen und so ein wichtiger Teil für vernetzte Fabriken und Entwicklungsabteilungen im Rahmen der Industrie 4.0 werden. Mit dem neuen Prototypen bereiten sich die Forscher des Exzellenzclusters für Mikroelektronik der TU Dresden auf das sogenannte „Taktile Internet“ vor. Damit sollen sehr große Datenmengen in Echtzeit übertragen werden. „Das ist die nächste Stufe der digitalen Revolution“, sagt Cluster-Koordinator Prof. Dr. Gerhard Fettweis.
Chips für Echtzeit-Anwendungen
Die Echtzeitfähigkeit ist eine wesentliche Herausforderung an die Chips für die Industrie 4.0 – industrielle Anwendungen wie Servo-Antriebe, Motion-Control (das ist die Bewegungsregelung durch Aktoren) oder die Steuerung von Umrichtern erfordern nicht nur eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit und Ansprechempfindlichkeit, sondern auch ein sehr gutes Echtzeitverhalten. Traditionelle Lösungen wie Hochfrequenz-Mikroprozessoren mit Cache-Memory sind aufgrund des schwer vorhersagbaren Cachespeicher-Verhaltens für Echtzeitanwendungen nicht geeignet. Daher werden Mikrocontroller mit auf dem Chip integriertem Flash-Speicher für Echtzeitsteuerungen eingesetzt. Doch die steigenden Anforderungen an die Leistung der Prozessoren lässt auch diese Chips ihre Leistungsgrenzen erreichen. Eine Lösung bieten Chips, bei denen der Prozessorkern direkt auf den High-Speed On-Chip-Speicher zugreift, anstatt über einen Cache-Speicher. So kann es bei Echtzeitanwendungen keine Störungen durch Cache-Latenzen geben.
Herausforderung für die Chip-Fertigung
Die Miniaturisierung führt aber auch zu neuen Herausforderungen bei der Herstellung der Chips: „Die Zuverlässigkeit und Qualität der Verbindungstechnologien, welche die Milliarden an Transistoren in einem Chip verschalten, sind kritische Faktoren für Halbleiterhersteller, um hohe Produktionszahlen zu erzielen“, erklärt Dr. Randhir Thakur, Executive Vice President und General Manager der Silicon Systems Group bei Applied Materials. Das Unternehmen liefert Systeme zur Produktion von Halbleitern. „Da die Leitungs-Dimensionen schrumpfen, um mit Moore’s Law Schritt zu halten, werden die Zwischenverbindungen anfälliger für Fehlstellen und für Fehler durch Elektromigration.“ Applied Materials hat daher ein neues Verfahren entwickelt, bei dem die Kupferverbindungen in einem dünnen Kobaltfilm eingekapselt werden. So lassen sich zuverlässige Chips auch bei immer kleineren Baugrößen fertigen. Moderne Fertigungsverfahren ermöglichen immer kleinere Prozessoren – im Laufe des Jahres sollen die ersten Chips in 14-nm-Technologie auf den Markt kommen – und die Hersteller diskutierten zurzeit bereits über Chips in 7-nm-Technologie.
Damit ist ein weiterer Schritt hin zu immer kleineren „Super-Hirnen“ für die Industrie 4.0 getan, die sich in immer kleinere Werkzeuge und Betriebsmittel integrieren lassen und so eine immer größere Durchdringung einer Wertschöpfungskette mit Intelligenz ermöglichen.