Geräte des Internets der Dinge benötigen nur wenig Energie. Diese lässt sich effizient aus der direkten Umgebung gewinnen. Mit der immensen Zahl an IoT-Geräten summiert sich das Energiepotenzial dieser Energy Harvesting-Technologien schnell auf mehrere hundert Terawattstunden.
Rund 30 bis 70 Milliarden Geräte bildeten in 2020 das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Auch wenn die Schätzungen weit auseinandergehen, sicher ist: ihre Zahl wird weiter wachsen. Klar ist auch, dass diese Geräte Energie verbrauchen. Bereits im Jahr 2014 warnte die Internationale Energieagentur (IEA), dass der Stromverbrauch der weltweit vernetzten Geräte bei rund 616 Terawattstunden liegt. Diese Schätzung erfolgte damals auf Basis von 14 Milliarden vernetzten Geräten. Das ist ungefähr so viel, wie in deutschen Haushalten jährlich an Endenergie verbraucht wird.
Nachhaltige Lösungen für die Stromversorgung der IoT-Geräte zu finden, ist also ein nicht zu unterschätzender Beitrag auch für den Klimaschutz. Eine Option ist dabei das sogenannte „Energy Harvesting“. Unter diesem Schlagwort sind Technologien vereint, die die Umgebungsenergie nutzen. Sie erzeugen zum Beispiel aus Bewegungen und Vibrationen, Luftströmungen oder Temperaturunterschieden Strom. Die Leistungsabgabe liegt dabei typischerweise zwischen 0,0001 bis 500 Milliwatt. „Energy Harvesting-Lösungen bilden die Basis zur Versorgung einer Vielzahl von batterielosen IoT-Applikationen, die uns im Rahmen der digitalen Transformation in Zukunft unser Leben erleichtern werden“, ist sich Dieter Bauernfeind von Elec-Con technology sicher. Zusammen mit der Technischen Hochschule Deggendorf und der Firma Lintech entwickelt sein Unternehmen zum Beispiel einen Energie-Generator mit Positionsfunk, der Strom aus mechanischer Bewegung gewinnt. Das System soll in der Logistik eingesetzt werden.
Energy Harvesting: Aus Bewegung wird Energie
Dabei kommen piezoelektrische Materialien zum Einsatz. Sie erzeugen Elektrizität als Reaktion auf mechanische Stimulation wie Vibration oder Bewegung. Piezoelektrische Energy Harvester lassen sich heute unter anderem mit Hilfe der MEMS-Technologie realisieren, also als winzige Bauelemente, die Logikelemente und mikromechanische Strukturen in einem Chip vereinen.
Eine andere Technologie, um aus Bewegung Energie zu gewinnen, nutzt eine Gruppe von Forschern an der Chinese University of Hong Kong: Sie verwenden ein spezielles intelligentes Makrofasermaterial, das bei jeder Art von Verbiegung Energie erzeugt. Die Forscher bauten daraus einen Energy Harvester, der am Knie eines Menschen befestigt wird und beim Laufen des Trägers 1,6 Mikrowatt Energie erzeugt. Das reicht aus, um zum Beispiel einen Gesundheitstracker zu -betreiben.
Strom aus LED-Licht
Eine wichtige Energiequelle ist auch die Photovoltaik. Allerdings werden viele IoT-Geräte innerhalb von Gebäuden eingesetzt, wo kein helles Sonnenlicht zur Verfügung steht. Die Lichteinstrahlung beträgt dort üblicherweise nur 30 bis 50 Lux – direktes Sonnenlicht erreicht dagegen bis zu 130.000 Lux. Ein Forscherteam der Universität Uppsala hat daher spezielle Indoor-Photovoltaikzellen entwickelt. Sie basieren auf Kupferkomplex-Elektrolyten, die Licht aus Leuchtstofflampen und LEDs mit einem Wirkungsgrad von 34 Prozent in Strom wandeln können. „Die Kenntnis der Spektren dieser Lichtquellen macht es möglich, spezielle Farbstoffe so abzustimmen, dass sie Licht in Innenräumen absorbieren“, erklärt Marina Freitag, Assistenz-Professorin an der Fakultät für Chemie der Universität Uppsala.
Funkwellen und Wärme als Energiequellen
Auch Radiowellen stellen eine Umgebungsenergie dar. Ein Pionier bei der Nutzung dieser Energiequelle ist Drayson Technologies. Das Unternehmen hat mittlerweile die dritte Generation seiner Freevolt-Technologie auf den Markt -gebracht, die Strom aus NFC-, Mobilfunk- oder Wi-Fi-Netzen gewinnen kann. Dabei erreicht die Lösung eine „RF-to-DC“-Effizienz von bis zu 80 Prozent – und liefert so ausreichend Energie, um zum Beispiel moderne Smartcards zu versorgen.
Viel Energie steckt auch in der Wärme, die zum Beispiel von Motoren, Maschinen oder dem menschlichen Körper abgegeben wird. Abhängig von den physikalischen Eigenschaften des thermoelektrischen Materials und der Menge der verfügbaren Wärmeenergie können thermoelektrische Generatoren zwischen 20 Mikrowatt und zehn Mikrowatt pro Quadratzentimeter erzeugen.
Da sich das Profil von Energy Harvesting-Generatoren stark von dem einer Batterie unterscheidet, werden spezielle Power-Management-Interfaces benötigt. Sie steuern zum Beispiel Rechenprozesse im Chip in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Energie. Zudem wandeln sie Strom und Spannung auf ein Niveau um, mit dem das IoT-Gerät betrieben werden kann. Chip-Hersteller bieten dazu inzwischen spezielle ICs. Sie können oftmals die Energie aus verschiedenen Quellen managen und vereinfachen die Integration von Energy Harvesting in ein IoT-Gerät erheblich.
Mehrfacher Umweltnutzen mit Energy Harvesting
Auch wenn das Potenzial an durch Energy Harvesting erzeugter Energie nicht unbedeutend ist, fallen zwei Argumente noch viel stärker ins Gewicht. Energy Harvesting-Lösungen reduzieren die Wartungskosten für IoT-Geräte erheblich, da Batterien deutlich seltener ausgetauscht werden müssen. Im Idealfall kann man sogar komplett auf eine Batterie verzichten und damit die Umwelt von giftigen Materialien entlasten. Viele Argumente sprechen also für Energy Harvesting-Lösungen. Entsprechend optimistisch sind die Marktaussichten für diese Technologie: Laut Market Study Report wird der weltweite Energy Harvesting-Markt von 2020 bis 2028 durchschnittlich um 10,15 Prozent pro Jahr wachsen und ein Umsatzvolumen von rund 9,45 Milliarden US-Dollar erreichen.