Die Welt ist nicht genug

Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen, als unser Planet hergibt. Zugleich zieht es immer mehr Menschen in die Städte. Diese werden damit zu einem wesentlichen Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse: Zusammengenommen verbrauchen wir jedes Jahr 50 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde innerhalb dieses Zeitraums regenerieren und somit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Das ist das zentrale Ergebnis des „Living Planet Reports 2014“, den die Naturschutzorganisation WWF alle zwei Jahre erstellt. Laut dem globalen Zustandsbericht nehmen die Schulden der Menschheit gegenüber der Natur zu, die ökologischen Reserven hingegen ab. So zeigt der Living Planet Index für die vergangenen vier Jahrzehnte einen Rückgang der biologischen Vielfalt um 52 Prozent. Im Durchschnitt hat sich die Anzahl der untersuchten Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische damit halbiert.

Wir brauchen zwei Planeten

„Der angehäufte Schuldenberg wird größer und größer“, warnt WWF-Vorstand Eberhard Brandes. „Klimawandel, Artensterben und Wassermangel – bereits heute sind die Auswirkungen unseres Lebens auf Pump mehr als deutlich. Wir sind gerade dabei, zulasten unserer Kinder den Kreditrahmen zu sprengen.“ Die Verantwortung für die globale Übernutzung tragen laut Brandes vor allem die wohlhabenden Länder und die großen Industrienationen wie etwa Deutschland oder die USA. Die rund 8,5 Milliarden Menschen, die im Jahr 2030 auf der Erde leben werden, verbrauchen Wasser, Energie, Platz und Material. Das wird zwar zum einen die Weltwirtschaft wachsen lassen – aber unser Planet kann mit der Entwicklung nicht mithalten: Ohne einen Wandel in unserem Handeln benötigen wir 2030 eine biologische Kapazität, die doppelt so hoch ist wie die der Erde. Mit anderen Worten: Wir brauchen einen zweiten Planeten, zum Jahr 2050 wären es sogar knapp drei Erden.

Mega-Cities sind die Zukunft

Im Fokus dieser Entwicklung sind die Städte: Mehr als zwei bis drei Milliarden Menschen werden innerhalb weniger Jahrzehnte weltweit vom Land in die Städte drängen. Die Wucht dieses Urbanisierungsschubs ist der zentrale Treiber globalen Wandels im 21. Jahrhundert. Das zeigt ein vom Wissenschaftlichen Beirat der deutschen Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) erstelltes Gutachten. Mega-Cities mit vielen Millionen Menschen sind die Zukunft. 2010 lebte bereits die Hälfte der Erdbevölkerung in urbanen Regionen. Laut UN-Angaben wird diese Zahl im Jahr 2030 auf rund fünf Milliarden und bis 2050 auf 6,4 Milliarden Menschen angestiegen sein. Der Megatrend der Urbanisierung existiert schon eine ganze Zeit. Neu aber ist, dass nicht mehr die westlichen Industrienationen Treiber dieser Entwicklung sind, sondern Schwellenländer wie Brasilien, Mexiko, Indien oder China. Allein in China wird es bis zum Jahr 2025 mehr als 221 Millionenstädte geben. Der Bedarf an zukunftsfähigen Mega-Cities ist gigantisch, die Herausforderungen für große, aber auch für mittlere und kleine Städte sind enorm – sowohl ökonomisch, ökologisch, politisch, sozial als auch kulturell. Auch die Entwicklung der Städte in Europa und Nordamerika ist weiterhin hochspannend.

Zukunftsfragen entscheiden sich im urbanen Raum

„Das Wachstum der Städte ist so ungeheuer, dass es dringend in neue Bahnen geleitet werden muss“, sagt der WBGU Co-Vorsitzende Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik. Würden in den Städten der Entwicklungs- und Schwellenländer immer neue Siedlungen mit Zement und Stahl gebaut, könnte allein die energieaufwändige Herstellung dieses Baumaterials bis 2050 so viel Treibhausgase freisetzen, dass damit das weltweite Emissionsbudget unter dem 1,5-°C-Ziel bereits beinahe aufgebraucht wäre. Städte sind für rund 75 Prozent des Energieverbrauchs und der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Damit bietet der urbane Raum das größte Steuerungs-, Effizienz- und Einsparpotenzial und hat einen signifikanten Einfluss auf globale Nachhaltigkeitsbemühungen. „Ohne entschlossenes politisches Handeln und internationale Zusammenarbeit würden durch den Ressourcenbedarf und den CO2-Ausstoß des Städtebaus die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet“, so Messner.
„Eine Stadt wie Hongkong in ihrer extremen Verdichtung ist nur lebensfähig, weil sie Erdöl, Metalle, Lebensmittel aus dem Umland und der ganzen Welt aufsaugt, verdaut und die Rückstände wie Müll, Schmutzwasser, Abgase ins Umland ausstößt“, ergänzt Hans Joachim Schellnhuber, ebenfalls WBGU Co-Vorsitzender und Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die wichtigsten Zukunftsfragen entscheiden sich im urbanen Raum. „Die Dezentralität der Erzeugung erneuerbarer Energien, der Kreislaufwirtschaft und auch etwa der digitalen Ökonomie ermöglicht aber die Entdichtung – und erfordert diese teils.“
Immer mehr Städte setzen daher auf Hightech: Städte sollen vernetzt, grün und intelligent werden, um konkurrenzfähig zu bleiben, Ressourcen zu sparen und Herausforderungen wie dem Klimawandel und sich verändernden Stadtgesellschaften begegnen zu können. Die Smart City – sie soll es ermöglichen, dass der Schuldenberg der Menschheit gegenüber unserem Planeten nicht ins unermessliche steigt.

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