Im Gespräch mit Mark Oleynik, Entwickler des weltweit ersten Roboter-Chefkochs
Noch etwas Butter in die Suppe, etwas Salz und dann rühren, rühren, rühren. Ja, kochen kann anstrengend sein und braucht Zeit und Kenntnis. Die aber nicht jeder hat. Auch der britische Unternehmer Mark Oleynik nicht, wie er in unserem Gespräch zugibt. Dennoch möchte er gut essen, ohne dafür ins Restaurant zu müssen. Also gründete Oleynik, der in St. Petersburg Computer-Wissenschaften und später Gesundheitsmanagement studierte, die Firma Moley Robotics. Sein Ziel: Die Entwicklung des weltweit ersten Roboter-Chefkochs. Premiere feierte der zweiarmige Roboter auf der Hannover Messe 2015, der international bedeutendsten Industriemesse, wo er für große Aufmerksamkeit sorgte. Ausgestattet mit 129 Sensoren, 24 Gelenken und 20 Motoren ahmte die „Robotic-Kitchen“ beim Zubereiten einer Krabbensuppe exakt die Bewegungen nach, die ihr vorher der britische Starkoch Tim Anderson beigebracht hatte. Wenn der Roboter-Chefkoch auf den Markt kommt, sollen über eine App mehr als 2.000 Rezepte zur Verfügung stehen. Mark Oleyniks erklärtes Ziel ist es, mit der Robotic-Kitchen die nächste industrielle Revolution in das Heim des Durchschnittskonsumenten zu bringen. „Sie ist nicht nur ein Gerät, das einem Arbeit erspart“, betont Oleynik. „Sie ist eine Plattform für unsere Kreativität. Sie kann uns sogar beibringen, wie wir bessere Köche werden.“
Wie kommt man eigentlich auf die Idee, einen Kochroboter zu bauen? Hassen Sie kochen so sehr?
Mark Oleynik: Im Gegenteil: Ich liebe kochen, aber ich kann es einfach nicht. Gleichzeitig schätze ich eine gesunde und abwechslungsreiche Kost. Das war auch der Hauptauslöser: Ich wollte ein Gerät entwickeln, das jede Speise in Topqualität zubereiten kann. Was serviert der Chefkoch aus Frankreich? Klassiker der französischen Küche. Was kocht ein japanischer Profi? Köstliches aus der japanischen Küche. Und was kann eine Roboterküche zaubern? Alles davon und noch viel mehr, wenn alle Rezepte und Kochvorgänge über eine Mediathek auf iTunes abrufbar sind.
Sie haben Computerwissenschaft und später Gesundheitsmanagement studiert. Was hat das mit Robotern, noch dazu in der Küche, zu tun?
M.O.: Computerwissenschaft ist ein Schlüssel in die Welt der Technologie. Und was das Gesundheitsmanagement betrifft, habe ich in Russland modernste medizinische Einrichtungen mit aufgebaut. Die Rolle der Technik in der Medizin ist ja höchst komplex, wenn es über die Standardversorgung hinausgeht. Meine Rolle war daher, verschiedene medizintechnische Bereiche wie IT und Automation zu organisieren. Da habe ich gelernt, Prozesse zu managen. Diese Erfahrung hat mir geholfen, das Küchenprojekt umzusetzen. Von der Roboterentwicklung bis zur Software und den Sicherheitsfeatures ähnelt die Roboterküche einer kleinen Fabrik, in der das Endprodukt aus zahlreichen technischen Teilen besteht.
Wann werden wir Ihren Kochroboter in normalen Haushalten sehen?
M.O.: 2018 wollen wir die ersten Kochroboter, den MK1, verkaufen. Für 75.000 US-Dollar. Allerdings soll der Preis bis 2021 auf 35.000 Dollar fallen. Unser Ziel ist jedenfalls, ganz normale Haushalte zu erreichen, Menschen, die beruflich extrem eingespannt sind, aber frische und gesunde Kost lieben. Wir haben 17 Länder im Visier, angefangen mit Großbritannien, dann wollen wir in ganz Europa und den USA, später auch in Asien den Markt aufrollen.
Kann ich meinem Roboter eigentlich auch beibringen, mein Lieblingsgericht zu kochen?
M.O.: Beim ersten Modell funktioniert das noch nicht. Aber bei Version MK2 – die ab 2019 verkauft wird – kann jeder Nutzer mit einem speziellen Aufzeichnungssystem seine Bewegungen beim Kochen aufnehmen und ins digitale Kochbuch hochladen. Danach kann er seine Leibspeise jederzeit genießen – mit derselben Kochtechnik und demselben Endergebnis vom Roboter zubereitet.
Wäre es nicht klasse, wenn der Roboter auch den Einkauf erledigen würde – oder arbeiten Sie bereits daran?
M.O.: Mein nächstes großes Projekt ist es, einen Androiden zu entwickeln, der wie ein Mensch aussieht und vom Putzen bis zum Einkaufen verschiedene Haushaltstätigkeiten erledigen kann. Wenn wir vom gleichen Konzept ausgehen, also der Übertragung individueller Wünsche und Bewegungsmuster, wird dieser Roboter auch kreative Dinge imitieren können, also wie Picasso malen oder wie Beethoven Klavier spielen. Doch das Wichtigste ist: Der Roboter wird, wenn man das Betätigungsfeld der Maschine im Haushalt ausweitet, Aufgaben perfekt erledigen können, zu denen der Mensch gar nicht fähig ist.
Wen sehen Sie als Käufer solcher Androiden?
M.O.: Wie ich zuvor schon sagte, ich will einen Androiden entwickeln, der eine Vielzahl von Tätigkeiten im Haushalt übernehmen kann. Dieser Universal-Roboter kann erstens einzigartige Dienstleistungen erbringen, die der Besitzer allein nicht ausführen kann. Zweitens kann dieser Roboter dem Menschen Routinearbeiten abnehmen. Warum also entwickeln wir keinen Humanoiden? Die Antwort ist einfach: So ein Roboter wäre zu teuer und technisch zu schwer zu realisieren.
Nichtsdestotrotz ist der Kochroboter der erste Schritt in diese Richtung. Sicherheitselemente, verschiedene Technologien, alles ist bereits im System integriert. Doch bevor wir den nächsten Schritt wagen, arbeiten wir daran, dass der Kochroboter an jede Küche angepasst werden kann und für alle Haushalte erschwinglich wird.
Was macht Ihren Kochroboter so intelligent?
M.O.: Der Roboter hat Zugang zu Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen einer unbegrenzten Zahl von Menschen. Dieses geballte Wissen, das ständig automatisch aktualisiert wird, kann er in Ihre Küche holen. Das nennen wir Transfer geistigen Eigentums. Der Kochroboter verfügt also über ein immaterielles Gut, das ursprünglich von vielen einzelnen Menschen kreiert wurde, um den eigenen Geschmack und die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das macht unseren Roboter intelligenter als die meisten anderen, die nach ziemlich begrenzten Algorithmen agieren.
Welche Rolle spielt die Elektronik in solch smarten Systemen?
M.O.: Sowohl die Elektronik als auch die Software sind wichtig, um den exakten Kochprozess bis zum identischen Endprodukt nachzuvollziehen. Die Elektronik zeichnet die exakten Bewegungsmuster auf, und die Software bestimmt die Kochparameter.
Welche technologischen Entwicklungen sind die Enabler für smarte Systeme?
M.O.: Die Architektur der Roboterküche mit all ihren Komponenten und dem Hauptfunktionsalgorithmus ist eine höchst wichtige Entwicklung. That’s it. Normale Küchengeräte können auch unabhängig voneinander existieren, aber die Roboterküche ist eine einzigartige universelle Kochtechnologie, die es möglich macht, alles in höchster Speisequalität zu kochen.
Können intelligente Systeme wirklich von einer einzigen Firma entwickelt werden? Sie selbst haben mit Shadow Robots zusammengearbeitet, um den Kochroboter zu bauen.
M.O.: Ich sage immer, jedes Projekt steht und fällt mit der Kompetenz der Partner. Das gilt auch für die Roboterküche. Unsere Partner haben große Erfahrung und in ihrem Bereich profundes Expertenwissen.
Smarten Systemen wird nachgesagt, dass sie speziell auch kleinen Firmen aufregende Perspektiven bieten. Haben Sie den einen oder anderen Tipp für Start-up-Unternehmer?
M.O.: Leider gibt es keinen allgemeinen Algorithmus, um eine Idee zum Leben zu erwecken. Meiner Meinung nach ist es Aufgabe des Staates, die entsprechende Infrastruktur für innovative Start-ups zu schaffen. Denn bevor aus einer Idee ein Produkt wird, sind viele, viele Schritte und immense Anstrengungen nötig. Und normalerweise spricht kein Investor mit dir, bevor du deine Idee nicht als Prototyp präsentieren kannst. Deshalb sollte der Staat Start-up-Projekte bereits im Frühstadium unterstützen, angefangen von der Patentanmeldung über die Finanzierung bis zur Suche nach technologischer Hilfe.
Vielen Menschen jagt der Gedanke an einen Haushaltsroboter Angst ein.
M.O.: Das liegt am Aussehen und den zackig-abrupten Bewegungen. In unserer Technologie haben wir diese Roboter-Klischees bereinigt. Die Roboterküche kocht in derselben Geschwindigkeit und Art und Weise wie der Mensch. Außerdem sieht die Roboterhand wie eine menschliche Hand aus. In Zukunft wollen wir auch die Farbe von Arm und Hand anpassen und die ganze Kücheneinheit persönlicher gestalten. Schließlich soll der Roboter nicht wie ein Fremdkörper wirken, sondern natürlich und vertraut, besonders in so einem intimen Bereich wie der Küche.
Was meinen Sie, wie wird eine wirklich smarte Welt aussehen – und wann werden wir in ihr leben?
M.O.: Ich denke, wir sind bereits auf dem Weg dahin. Die perfekte Welt ist, wenn Menschen von Routinearbeiten entlastet werden, die Maschinen besser und effizienter erledigen können. Dann können Menschen mehr Zeit ihrer Familie, ihren Hobbys oder ihrem Beruf widmen. Diesen Wandel erleben wir schon jetzt im Alltag, zum Beispiel, wenn wir Tickets online kaufen und Hotels übers Internet buchen. Wenn wir die Menschen von „algorithmischen” Aufgaben befreien, gewinnen wir Raum für Kreativität, bessere Ausbildung und höhere Lebensqualität.
(Bildnachweis: Moley Robotics Archieve)