Es gibt nicht viele Menschen, die auf 80 Jahre Forschung zurückblicken können. Und noch weniger, die mit ihrer Arbeit das Leben der Menschen revolutioniert haben. John B. Goodenough, Vater der Lithium-Ionen-Batterie, ist einer dieser Menschen. Noch heute, mit 99 Jahren, forscht er an nachhaltigeren Lösungen zur Energiespeicherung. Und sieht in der Fähigkeit zum Dialog, eine Kernkompetenz für einen erfolgreichen Wissenschaftler.
Sie liefern Energie für Smartphone wie für Elektrowerkzeuge, und die Elektromobilität wäre ohne sie schlichtweg nicht denkbar: Lithium-Ionen-Batterien. Diese Energiespeicher „haben unser Leben revolutioniert, seit sie 1991 erstmals auf den Markt kamen. Sie haben den Grundstein für eine kabellose, von fossilen Brennstoffen freie Gesellschaft gelegt und sind von größtem Nutzen für die Menschheit“, stellte auch das Nobel-Komitee fest. Damit begründete es im Jahr 2019 die Verleihung des Nobel-Preises in Chemie an den Amerikaner John B. Goodenough. Er gilt heute als einer der Väter der Lithium-Ionen-Batterie, unter anderem mit M. Stanley Whittingham und Akira Yoshino, die mit ihm zusammen die Auszeichnung in Stockholm erhielten.
Holpriger Start beim Vater der Lithium-Ionen-Batterie
Goodenough identifizierte und entwickelte die entscheidenden Materialien, die die hohe Energiedichte der Lithium-Ionen-Batterien lieferten. Bis es so weit war, hatte Goodenough aber erst einmal einen schwierigen Weg zu meistern. Denn im Jahr 1922, als Sohn eines amerikanischen Ehepaares in Jena, Deutschland, geboren, kämpfte Goodenough mit einer nicht diagnostizierten Legasthenie. Er sagt, damals „war man einfach ein rückständiger Schüler“. Aber er war entschlossen, seinem älteren Bruder aufs Internat zu folgen, also „brachte ich mir selbst das Schreiben bei, damit ich die Aufnahmeprüfung schreiben konnte.“ Er erhielt ein Stipendium und kam mit zwölf Jahren auf die Groton School in Massachusetts. Die strenge und stark strukturierte Ausbildung tat ihm gut, sagt er, und so wurde er 1940 in Yale angenommen.
Wissenschaft als internationale Sprache
Goodenough hatte sein Studium der Mathematik fast abgeschlossen, als er 1943 zum aktiven Dienst als Meteorologe in die Armee einberufen wurde. Der Zweite Weltkrieg prägte sein späteres Leben, hinterließ unter anderem das Bedürfnis, etwas für die Allgemeinheit zu tun – und das mit den Mitteln der Wissenschaft: „Ich denke, dass die Wissenschaft eine internationale Sprache ist und hilft, die Beziehungen aufzubauen, die notwendig sind, um die Gier und Dummheit zu unterdrücken, die zum Krieg führen.“ So machte er nach dem Krieg seinen Doktor in Physik und begann 1952 seine Karriere am Lincoln Laboratory des Massachusetts Institute of Technology, wo er die Grundlagen für die Entwicklung des Arbeitsspeichers (RAM) für Computer schuf. Nachdem er das MIT verlassen hatte, wurde er Professor und Leiter des Labors für anorganische Chemie an der Universität von Oxford.
Gemeinschaftswerk Lithium-Ionen-Batterie
Während dieser Zeit machte Goodenough die Entdeckung der Lithium-Ionen. Er knüpfte an die Forschungen Whittinghams an und vermutete, dass das Potenzial der Batterie größer wäre, wenn die Kathode statt aus einem Metallsulfid aus einem Metalloxid bestünde. Nach einer systematischen Suche konnte er im Jahr 1980 zeigen, dass sich mit Kobaltoxid eine Batterie mit einem Potenzial von vier Volt bauen ließ. Das war ein wichtiger Durchbruch und wies den Weg zu deutlich leistungsfähigeren Batterien. Auf Basis von Goodenoughs Kathode stellte Akira Yoshino 1985 die erste kommerziell nutzbare Batterie her. Als Anodenmaterial nutzte er ein kohlenstoffhaltiges Material, in das sich ebenfalls Lithium-Ionen einlagern lassen. Dies ermöglichte eine leichte, strapazierfähige Batterie, die sich hunderte Male wieder aufladen ließ.
Miteinander reden und genießen, was man tut
„Jeder Wissenschaftler ist ein Individuum und bringt eine andere Begabung mit ein. Aber man muss zum Dialog bereit sein, damit wir alle von der Intuition des anderen profitieren können“, meint Goodenough. Im Dialog sieht der Wissenschaftler einen Schlüssel zur Kreativität. „Ich denke am besten, wenn ich mit jemandem im Dialog über ein Problem bin.“ Sein wichtigster Rat, um als Wissenschaftler erfolgreich zu sein, ist allerdings: Nichts kopieren! „Man sollte nicht alles glauben, was man liest. Und man sollte keine Angst haben zu denken. Entwickeln Sie Ihre innere Stimme und Ihre eigene innere Art der Interpretation.“ Das könne bei jedem Menschen anders sein: Der eine kann gut Geräte bauen, der andere hat ein ausgeprägtes theoretisches Verständnis, wieder andere verfügen über eine gewisse wissenschaftliche Intuition. Vor allem aber sollte man das genießen, was man tut, denn „die Forschung ist eine anspruchsvolle und manchmal frustrierende Profession.“
Es bleibt noch viel zu tun
So sieht er auch seinen größten Erfolg, die Lithium-Ionen-Batterie, durchaus kritisch: „Obwohl die Lithium-Ionen-Batterie unsere Lebensweise verändert hat, hat sie nicht die Emanzipation der modernen Gesellschaft von der Abhängigkeit von fossiler Energie ermöglicht – eine Abhängigkeit, die nicht nachhaltig ist.“ John B. Goodenough lässt es aber nicht bei diesem Fazit bewenden, auch mit 99 Jahren forscht er noch an nachhaltigeren und energieeffizienteren Batteriematerialien. So identifizierten er und sein Team vor zwei Jahren ein neues Kathodenmaterial für den Einsatz in Natrium-Ionen-Batterien. Die schrittweisen Verbesserungen, die er an der Größe und Leistung der Lithium-Ionen-Batterie vorgenommen hat, bringen ihm Geld ein, sagt Goodenough. Aber er ist mehr an der Forschung „out-of-the-box“ interessiert, nur so seien echte Innovationen möglich. In seinem Alter „hat man nicht mehr viel Zeit, und man will wirklich in der Lage sein, das Problem zu lösen“, sagt Goodenough. „Und ich denke, wir sind kurz davor, das zu können.“