Grüner Treibstoff ersetzt fossile Energien

Auf synthetischen, mit grünem Wasserstoff hergestellten Brenn- und Kraftstoffen ruhen große Hoffnungen. Solche E-Fuels sollen fossile Energien in Industrie, Verkehr und anderen Bereichen ersetzen.

Auch wenn der Einsatz von erneuerbarem Strom in allen Sektoren enorm an Bedeutung gewinnen wird, wird es Bereiche geben, in denen Strom auch in 20 oder 30 Jahren nicht direkt eingesetzt werden kann. Zum Beispiel im Flugverkehr, bei Überseeschiffen oder auch in der chemischen Industrie. Hier können synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, eine Lösung bieten.

Dabei wird in einem sogenannten Power-to-Liquid-(PtL-)Prozess über einen Elektrolyseur CO2, Wasser und Strom aus erneuerbaren Energien zunächst in grünes Synthesegas umgewandelt. Das anschließend zu einem synthetischen Rohöl weiterverarbeitet wird. Dieses „erneuerbare Rohöl“ wird in Raffinerien zu verschiedenen synthetischen Kraftstoffen veredelt, die dann fossiles Benzin, Diesel und Kerosin ersetzen können.

Grüner Treibstoff: Chance für Raffinerien

Laut einem Positionspapier des europäischen Raffinerieverbands FuelsEurope wollen die europäischen Erdölraffinerien bis zu 650 Milliarden Euro investieren. Somit können sie ihre Produktion auf E-Fuels und fortschrittliche Biokraftstoffe umstellen. John Cooper, Generaldirektor von FuelsEurope: „Ergänzend zu Elektrifizierung und Wasserstofftechnologien werden kohlenstoffarme Flüssigkraftstoffe während der gesamten Energiewende und über das Jahr 2050 hinaus unverzichtbar sein, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten zu bieten und auch die industrielle Führung Europas auszubauen.“ Darüber hinaus könnten CO2-arme flüssige Kraftstoffe für eine strategische Versorgungssicherheit sorgen, wie der Raffinerieverband weiter betont. In der Regel lagert in europäischen Treibstoffspeichern der Energievorrat für 90 Tage. So könnte eine große Menge an überschüssigem, regenerativ erzeugten Strom gespeichert werden.

Zahlreiche Projekte in Planung

Aktuell sind verschiedene Raffinerien an Projekten beteiligt, die auf die Produktion von E-Fuels abzielen. Total Energies kooperiert zum Beispiel mit Sunfire – das Unternehmen entwickelt und produziert Hochtemperatur-Elektrolyseure und -Brennstoffzellen. Ein Sunfire Elektrolyseur wird in der Total Raffinerie Mitteldeutschland eingesetzt, um synthetisches Methanol aus hochkonzentriertem CO2 zu produzieren. Pro Tonne hergestelltem synthetischem Methanol werden dabei 1,4 Tonnen CO2 verarbeitet. In Leuna entsteht also letztlich ein bedeutendes Beispiel für Carbon Capture and Utilization, also die Weiterverwendung von CO2 aus der Luft.

In Chile realisiert ein Konsortium verschiedener Firmen – darunter unter anderem Porsche, das Energieunternehmen AME und das Mineralölunternehmen ENAP aus Chile – ein Pilotprojekt. Aus diesem sollen weltweit erste integrierte und kommerzielle Großanlage zur Herstellung synthetischer klimaneutraler E-Fuels hervorgehen. Die Pilotphase erzeugt bereits 2022 etwa 130.000 Liter. In zwei Schritten soll die Kapazität dann bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter gesteigert werden. Bis 2026 sogar auf rund 550 Millionen Liter pro Jahr. Porsche ist Hauptabnehmer des grünen Kraftstoffs. Oliver Blume, CEO von Porsche: „Elektromobilität hat bei Porsche höchste Priorität. E-Fuels für Automobile sind dazu eine sinnvolle Ergänzung. Wenn sie an Orten auf der Welt produziert werden, wo nachhaltige Energie im Überschuss vorhanden ist. Sie sind ein zusätzlicher Baustein auf dem Weg zur Dekarbonisierung.“

Auch Shell engagiert sich im PtL-Bereich und möchte in einem Teil der Rheinland Raffinerie künftig nachhaltige Flugkraftstoffe herstellen. Baubeginn der PtL-Anlage könnte 2023, Inbetriebnahme Ende 2025 sein. Die Kapazität würde zunächst jährlich etwa 100.000 Tonnen betragen. Dr. Fabian Ziegler, Vorsitzender der Geschäftsführung von Shell Deutschland, erklärt: „Wir werden die Mobilität in Zukunft nur erhalten können, wenn diese nachhaltiger gestaltet wird und die Verkehrsteilnehmer auf der Straße, zu Wasser und in der Luft Emissionen signifikant senken können. Um dies zu ermöglichen, wird und muss sich das Produktportfolio des Standortes deutlich ändern.“

Klimafreundlicher fliegen

Gerade die Luftfahrtbranche setzt auf E-Fuels, denn batterieelektrische Antriebe sind für Flugzeuge schlicht zu schwer und die Wasserstofftechnik steckt noch in den Kinderschuhen. Deutschland hat dazu eine eigene PtL-Roadmap für die Branche verabschiedet, die die Grundlage schaffen soll, bis 2030 jährlich mindestens 200.000 Tonnen nachhaltiges Kerosin für den deutschen Luftverkehr zu produzieren. Wolfgang Langhoff, Vorstandsvorsitzender des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) und Vorsitzender des Vorstands der BP Europa SE: „Wir sind überzeugt, dass die PtL-Roadmap einen belastbaren Plan aufzeigt, wie wir effizient und im Schulterschluss von Politik und Wirtschaft das Ziel Dekarbonisierung der Luftfahrt erreichen können. 200.000 Tonnen PtL-Kerosin pro Jahr sind ein realistischer erster Schritt, der keineswegs zu klein ausfällt: Er ermöglicht die Dekarbonisierung von etwa einem Drittel aller deutschen Inlandsflüge bis 2030.“

Energieträger mit Potenzial

Laut Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE ließen sich weltweit realistisch bis zu 57.000 Terawattstunden Power-to-Liquid-Treibstoffe produzieren. Zum Vergleich: Die globale Luftfahrt benötigt 2050 insgesamt mindestens 6.700 Terawattstunden, der weltweite Schiffsverkehr 4.500 Terawattstunden PtL. (Quelle: Fraunhofer IEE)

 

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