Halbleiter sind der Kern einer jeden Edge Lösung. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen an die Embedded Systeme von denen aus dem Computer- oder Server-Bereich deutlich, wie Antonio Fernandez betont. Doch laut dem Vice President Technical Development bei EBV bieten die Halbleiterhersteller immer mehr Lösungen, die speziell für das Edge Computing ausgelegt sind.
Was verstehen Sie bei EBV unter Edge Computing?
Antonio Fernandez: Wir verstehen unter Edge Computing die Infrastruktur, die gebraucht wird, um eine leistungsstarke Datenverarbeitung und -speicherung in der Nähe des Ortes zu implementieren, an dem sie benötigt wird – am Rande des Netzwerks, in der Nähe der Datenquelle.
Verschiedene Schlüsselfaktoren tragen dazu bei, die Nachfrage nach Edge Computing steigen zu lassen, und treiben die Entwicklung voran. Dazu zählen die zunehmenden KI-Anwendungen genauso wie die Notwendigkeit von Echtzeit-Performance mit geringen Reaktionszeiten oder der Schutz kritischer Daten. Gleichzeitig muss vor dem Hintergrund der steigenden Zahl verteilter Sensoren im IoT die Menge der übertragenen Daten reduziert werden.
Wird das Edge Computing die Cloud ersetzen oder werden beide eher parallel existieren?
A. F.: Es wird einen Wechsel vom zentralisierten IoT in der Cloud zum verteilten IoT mit Edge Computing geben, aber beide werden nebeneinander existieren. Edge Computing reduziert die Menge der an die Cloud gesendeten Daten und reduziert die Latenzzeit des Netzwerks, was die Reaktionszeit verbessert. Edge Lösungen ermöglichen sichere intelligente Entscheidungen in Systemen, die nicht mit der Cloud verbunden sind, und können den Datenschutz verbessern.
Die Cloud wird viel leistungsfähiger bei der Verarbeitung riesiger Datenmengen in Echtzeit. Im Kontext der künstlichen Intelligenz wird das Lernen und die Speicherung großer Datenmengen in der Cloud stattfinden, während Erfassung, Inferenz und Aktion für das maschinelle Lernen häufiger in der Edge stattfinden werden. Edge wird also nicht die Cloud ersetzen, sondern die Cloud ergänzen.
Welche Rolle spielt dabei die Embedded Technologie?
A. F.: Embedded Systeme, die im Edge Computing eingesetzt werden, haben besondere Anforderungen zu erfüllen, die sich von PCs oder Servern in Rechenzentren unterscheiden. Sie müssen kompakt, hochintegriert und mit mehreren sicheren Verbindungsmöglichkeiten und Schnittstellen zur Kommunikation mit Sensoren und Aktoren ausgestattet sein. Sie müssen mit anderen Systemen interoperabel sein und die richtige Balance zwischen Rechenleistung und Stromverbrauch finden. Die Embedded Technologie muss robust und zuverlässig genug sein, um in spezifischen Umgebungsbedingungen sicher zu funktionieren, und sie muss über die Möglichkeit zur Verwaltung, Überwachung und Steuerung über Fernzugriff verfügen. Alle Embedded Systeme haben eine zunehmende Konvergenz von Rechen-, Speicher- und Netzwerkfähigkeiten gemeinsam.
Welche Rolle spielt die Halbleiter-Technologie überhaupt bei der Embedded Technologie?
A. F.: Der Kern des Edge Computing sind die Applikationsprozessoren als stand-alone oder integriert in FPGAs oder anwendungsspezifische integrierte Schaltkreise. Dann sind Bausteine für Datenverarbeitung und -speicherung, Schnittstellen, Spannungsversorgungen, Timing, Netzwerk-peripheriegeräte usw. erforderlich. Der Einsatz wettbewerbsfähiger „grüner“ und zuverlässiger Halbleiter nach Stand der Technik ist für Edge Computing unerlässlich.
Was sind für Sie die wesentlichen Entwicklungen in der Halbleiter-Technologie mit Hinblick auf das Edge Computing?
A. F.: Die neue Generation von ARM-Applikationsprozessoren in 28-Nanometer-Technologie bietet eine höhere Leistung, eine höhere Integrationsdichte an Peripheriekomponenten inklusive GPU, einen geringeren Stromverbrauch, eine höhere Zuverlässigkeit und sehr wettbewerbsfähige Preise.
Die Entwicklung von FPGAs über Systems-on-Chips bis hin zu in modernster 7-Nanometer-Technologie realisierten Adaptiven Compute Acceleration Plattformen, sogenannten ACAPs, bietet eine bisher unerreichte Leistungsfähigkeit. Ihre Hard- und Software ist für parallele heterogene Berechnungen und die Integration intelligenter Beschleuniger für künstliche Intelligenz und erweiterte digitale Signalverarbeitung optimiert.
Wo sehen Sie bei der Hardware noch Entwicklungsbedarf, um Edge Computing weiter zu optimieren? Welche Trends beobachten
Sie bei Ihren Hardware-Lieferanten?
A. F.: Uns fehlt noch die Integration von maschinell lernenden Inferenz-Beschleunigern als Standardperipherie. Aber das kommt mit einer neuen Generation von Prozessoren. Die meisten unserer Hardwarelieferanten bereiten sich bereits auf Edge Computing vor: Die neuesten Speicher entsprechen der Leistung der aktuellen Applikationsprozessoren, der Solid State Speicher erfüllt das Kostenziel des Marktes und die Peripheriegeräte werden wirklich für Prozessoren der neuesten Generation optimiert.
Welche Rolle spielt die Software?
A. F.: Edge Computing Hardware ohne die richtige Software ist nutzlos. Software ist der Schlüssel, um das Beste aus den neuen Peripheriegeräten herauszuholen, die Echtzeitverarbeitung zu optimieren, komplexe Kommunikations-Stacks zu implementieren, Sicherheit auf höchstem Niveau zu realisieren und die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen zu gewährleisten. Wir haben sogar Software Partitionierung mit Cloud, Edge und Software-Stacks. Sie alle müssen präzise und zuverlässig zusammenarbeiten. Glücklicherweise gibt es ein ganzes Software-Ökosystem, das die neuen Design-Herausforderungen unterstützt, wobei ein relevanter Teil des Angebots frei zugängliche offene Software ist.
Wie unterstützt EBV seine Kunden beim Thema Edge Computing? Welche Services und Lösungen bieten Sie?
A. F.: Wir arbeiten sehr eng mit unseren Fertigungspartnern zusammen, um die neuesten Technologien in verschiedenen Anwendungen und Regionen auf den Markt zu bringen. Wir verfügen über technisches Fachwissen in Hard- und Software, um unsere Kunden mit technischer Beratung bei der Produktauswahl, über Live-Demonstrationen und Workshops und mit detailliertem technischem Support zu unterstützen. Wir helfen unseren Kunden so, die Produktentwicklung zu beschleunigen, technische Probleme zu lösen und das Design für eine erfolgreiche Fertigung zu optimieren.
Mit welchen Herausforderungen ist ein Hersteller konfrontiert, der sein Produkt smart machen will, also mit Edge -Computing Fähigkeiten ausstatten will?
A. F.: Sie müssen sich um Sicherheit, Interoperabilität zwischen mehreren Konnektivitäts- und Netzwerkstandards, Echtzeitverarbeitung, Remote Management und Reprogrammierung kümmern und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechenleistung, Integration, Kosten und Stromverbrauch finden.
Welche Rolle spielen offene Strukturen bei der Weiterentwicklung von Edge Lösungen?
A. F.: Die neuesten offenen Hardwareplattformen und offenen Software-Ökosysteme bieten ein neues Maß an Transparenz, Nachhaltigkeit und Kostensenkung, von dem sowohl Systemhersteller als auch Endanwender profitieren, ohne Kompromisse bei Qualität und Zuverlässigkeit einzugehen. Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung, die Instrumente zu verbessern, da jeder von den Entwicklungen profitieren kann.
Wie wird sich der Markt für Edge Lösungen weiterentwickeln? Was sind die großen Treiber dafür?
A. F.: Der Markt für Edge Lösungen wird als Folge der Erweiterung des IoTs, das durch Künstliche Intelligenz noch weiter gestärkt wird, sehr schnell wachsen. Wir können uns vorstellen, dass es zusammen mit einer steigenden Anzahl von Sensor- und Aktuatorknoten zu einem großen Einsatz von smarten Gateways kommen wird, die Edge Computing aufgrund verschiedener Vorteile implementieren:
Erstens reduzieren sie die Datenmenge, die in die Cloud geht, und verbessern die Bandbreite. Zweitens fließen nur noch ausgewählte Daten und Erkenntnisse in die Cloud – gemäß den datenschutzrechtlichen Anforderungen. Der dritte Vorteil ist die Möglichkeit, Entscheidungen und Aktionen in Echtzeit zu treffen, unabhängig von der Cloudverbindung und ohne unproduktive Wartezeiten. Und nicht zuletzt kann die Intelligenz über physische Dinge und Systeme dem Benutzer einen echten Mehrwert bringen.