Radartechnik in autonomen Fahrzeugen

Radar ist eigentlich eine alte Technologie. Doch mit aktuellen Entwicklungen wird die Radartechnik in autonomen Fahrzeugen immer präziser und leistungsfähiger.

Radare sind ein wesentlicher Bestandteil automatisierter Fahrsysteme“, erklärt Peter Austen, Global Portfolio Director im Bereich Fahrerassistenzsysteme der ZF-Division Aktive & Passive Sicherheitstechnik, kurz ZF TRW. „Im Zusammenspiel mit Kameras, intelligenter Steuerung und Aktuatorik ermöglichen sie teilautomatisierte Fahrfunktionen.“ Seit 1999 konstruiert und entwickelt ZF TRW in Brest Radarsysteme.

Anfangs noch Luxus

Bereits zu Beginn des 2. Weltkrieges wurde die Radartechnik in Flugzeugen und Schiffen eingesetzt. Im Auto fand es sich allerdings erst 1998, als Mercedes-Benz ein Abstandsradar in der S-Klasse einführte. Doch damals waren die Kosten für die Technologie noch sehr hoch, denn bis 2009 konnten die benötigten Halbleiter nur auf Basis des Materials Galliumarsenid (GaAs) gefertigt werden – ein Material, das teuer und schwer zu verarbeiten ist. Ein weiterer Nachteil ist der niedrige Integrationsgrad, also die Fähigkeit, immer mehr Funktionen auf einer gleichbleibenden Chipfläche zu bündeln. Erst mit der Fertigung der Sensoren in der Silizium-Germanium-Technologie (SiGe) – den für die Halbleiterfertigung am häufigsten verwendeten Materialien – wurden die Systeme bezahlbar. Denn jetzt konnten erprobte Standardverfahren für die Massenfertigung verwendet werden. Zudem ließ sich jetzt eine Vielzahl von Funktionen, für die vorher bis zu acht GaAs-Chips benötigt wurden, auf nur noch maximal zwei SiGe-Bauteilen zusammenfassen.

Über 100 Jahre alt

Der deutsche Ingenieur Christian Hülsmeyer entwickelte schon 1904 in Düsseldorf die erste praktische Anwendung der Reflexion von elektromagnetischen Wellen an Objekten: Das sogenannte Telemobiloskop. Wie moderne Radarsensoren sendete es eine gebündelte elektromagnetische Strahlung – Radiowellen – aus. Die Analyse der reflektierten Strahlung ermöglicht bei modernen Radarsystemen das Erkennen von Objekten mit ihrem jeweiligen Abstand und ihrer Geschwindigkeit.

Erfassung wird immer leistungsfähiger

Die Radartechnik in autonomen Fahrzeugen arbeitet im Millimeter-Band – heute entweder im 24/26-GHz- oder im 77/79-GHz-Bereich. Damit sind hohe Auflösungen bei Detektion, Positions- und Bewegungsbestimmung von Objekten bis in den Zentimeterbereich möglich. Im Vergleich zu anderen – zum Beispiel kamerabasierten – Techniken arbeitet das Radar auch bei schwierigen Sichtverhältnissen wie Schnee, Nebel, Starkregen und blendendem Gegenlicht zuverlässig. Dabei sind die kompletten Systeme nicht viel größer als eine Streichholzschachtel.

Grundsätzlich lässt sich zwischen zwei Arten von Radar unterscheiden: dem „Frequency Modulated Continuous Wave“ (FMCW) und dem Impulsradar. Im Gegensatz zu einem Impulsradar, das nur einen Puls aussendet, senden FMC-Radare kontinuierlich. Beim FMCW-Verfahren wird das Signal während des Sendens über die gesamte Bandbreite moduliert, so dass sich die Frequenz zeitlich verändert – das nennt man Chirp. Dieser Chirp wird zyklisch wiederholt. Damit können FMC-Radare neben der Differenzgeschwindigkeit zwischen Sender und Objekt auch gleichzeitig deren absolute Entfernung messen. Allerdings haben die Geräte – bisher – eine Schwäche: Nähern sich Objekte mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, kann es passieren, dass das Radar eines davon „übersieht“. Bisherige Geräte konnten daher nur Objekte bis zu einer relativen Geschwindigkeit von 50 km/h sicher detektieren. Eine Lösung besteht darin, die Modulationsgeschwindigkeit zu erhöhen. Mit dieser sogenannten Fast-Chirp-Modulation (FCM) steigt die Genauigkeit der Entfernungsmessung und es kann eine größere Bandbreite an Geschwindigkeiten der Zielobjekte abgedeckt werden. Doch mit steigender Außentemperatur verlangsamen sich bei Standard-CMOS-Signalgeneratoren die Pulse, so dass es zu Fehlern kommt. Fujitsu präsentierte dagegen Ende 2016 einen CMOS-basierenden Millimeter-Wellen-Signalgenerator, der auch bei Temperaturen von 150° Celsius die Modulationsgeschwindigkeit sicher und genau aufrechterhalten kann. Damit werden Erfassungsfehler reduziert und selbst Objekte, die sich dem Fahrzeug mit einer relativen Geschwindigkeit von 200 km/h nähern, werden sicher erkannt.

Navigieren mit Radar

Radargeräte werden in autonomen Fahrzeugen allerdings nicht nur eingesetzt, um Objekte zu erkennen und zu orten. Zumindest in Zukunft soll mithilfe des Radars auch navigiert werden. Dafür haben Bosch und der niederländische Karten- und Verkehrsinformationsanbieter TomTom jetzt erstmalig eine hochauflösende Karte mit einer Lokalisierungsschicht aus Radar-Reflexpunkten erstellt – allerdings nur für Straßenfahrzeuge. Bislang werden dafür Videodaten genutzt. Die Bosch „Radar Road Signature“ setzt sich aus Milliarden von einzelnen Reflexpunkten zusammen. Diese entstehen überall dort, wo Radarsignale zum Beispiel auf Leitplanken oder Verkehrsschilder treffen, und bilden so den Verlauf einer Straße nach. Damit können sich automatisiert fahrende Autos bis auf wenige Zentimeter genau in der Fahrspur lokalisieren. Der große Vorteil der Radarkarte ist ihre Robustheit: Die Lokalisierung mit der Radar-Straßensignatur funktioniert auch nachts sowie bei schlechter Sicht zuverlässig. Zudem werden pro Kilometer nur fünf Kilobyte Daten an eine Cloud übertragen. Bei einer Videokarte ist die Datenmenge mindestens doppelt so groß. Spätestens 2020 sollen in Europa und den USA erste Fahrzeuge Daten für die „Radar Road Signature“ liefern. „Autos, die in den kommenden Jahren mit den Assistenzfunktionen von morgen auf den Markt kommen, fahren die Karte für die automatisierten Fahrzeuge von übermorgen ein“, sagt Bosch-Geschäftsführer Dr. Dirk Hoheisel.

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