Nach einem Jahr Einsatz zweier autonomer Kleinbusse in der Schweiz kann ein erstes Fazit gezogen werden: Die Akzeptanz durch die Fahrgäste ist hoch, doch die Technologie steht noch in den Anfängen.
Ein kleines Schweizer Städtchen nimmt bei der Nutzung von automatisierten Bussen eine Pionierrolle ein: Seit Juni 2016 fahren zwei Elektro-Shuttles des französischen Herstellers Navya durch die Innenstadt von Sitten im Kanton Wallis – damit gehört der Betreiber Postauto zu den ersten Anbietern weltweit, die automatisierte Busse für den Personentransport auf öffentlichen Straßen einsetzen.
Noch handelt es sich um einen auf zwei Jahre angelegten Test, und noch fährt ein Sicherheitsbegleiter mit, der das System überwacht und im Bedarfsfall eingreifen kann. Ziel des Pilotprojekts ist, die neue Technologie im öffentlichen Raum zu testen und so Erfahrungen für zukünftige Einsatzmöglichkeiten zu sammeln. Daniel Landolf, CEO von PostAuto Schweiz: „Wir wollen von der neuen Technologie und ihren Möglichkeiten lernen, um für die ganze Branche des öffentlichen Verkehrs neue Mobilitätslösungen zu entwickeln.“
21.500 Personen in einem Jahr
Nach rund einem Jahr haben die beiden 4,8 Meter langen und mit elf Sitzplätzen ausgestatteten Elektro-Shuttles mehr als 21.500 Personen befördert. Sie waren 312 Tage im Einsatz und legten mehr als 4.500 Kilometer zurück. Auch wenn viele Fahrgäste vor der Fahrt skeptisch sind – hinterher zeigen sich gerade ältere Passagiere begeistert von der Technik. Dabei sind sie alles andere als normal: Die kleinen selbstfahrenden Busse besitzen weder Lenkrad noch Pedale. Zwei Stereokameras im unteren Bereich der Frontscheibe überwachen die Fahrbahn und erkennen Ampeln oder -Verkehrsschilder. Sechs Lidar-Sensoren scannen die Fahrzeug-umgebung zusätzlich in einem Winkel von 360 Grad und einem Umkreis von 50 bis 100 Metern. Über Satellitennavigation findet das Smartshuttle seinen Weg durch die Innenstadt. Dazu musste allerdings vorher die Strecke manuell abgefahren werden, wobei der autonome Bus über eine Konsole gelenkt wird. Bei dieser „Erkundungsfahrt“ erfassen die Sensoren des Fahrzeugs die Umgebung und erstellen darauf basierend eine 3D-Karte. Danach ist das Shuttle in der Lage, seine eigene Position für das automatisierte Fahren auf der Strecke zu bestimmen und Hindernisse zu erkennen. Das Fahrzeug fährt wie auf virtuellen Schienen. Allerdings ist es noch nicht vollständig autonom: Wenn es, zum Beispiel wegen falsch geparkter Autos, von der programmierten Linie abweichen muss, steuert das der Begleiter manuell über die Konsole. Zusätzlich überwacht von einer Betriebszentrale aus ein Teleoperator die Shuttles und kann aus der Distanz sofort eingreifen und den Bus an der nächsten Haltestelle stoppen oder zur Ladestation schicken.
Die Cloud am Steuer
Die cloud-basierte Flotten-Management-Software der Schweizer- Firma Bestmile ermöglicht es den selbstfahrenden Fahrzeugen, als Flotte zu kooperieren. Sie verwaltet sowohl fahrplangebundene Fahrten als auch Fahrten auf Abruf und ist unabhängig von Fahrzeugherstellern. Mit modernen Algorithmen zur Planung, automatischem Einsatz-Management in Echtzeit, Streckenberechnung und Energie–Management integriert Bestmile die „individuellen Roboter“ in ein intelligentes und flexibles Mobilitätssystem. Die Flotten-Management-Software kommuniziert zudem in Echtzeit mit der Steuerungs-Software des Shuttles. Die Software im Bus steuert das Fahrzeug, bestimmt die Geschwindigkeit und betätigt die Bremsen. Auch wenn die Busse eine Höchstgeschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde erreichen können, fahren sie in Sitten nicht schneller als 20, die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt sogar nur bei sechs Kilometern pro Stunde.
Autonome Busse noch in den Anfängen
Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie viel Potenzial in automatisierten Bussen steckt. Es zeigte aber auch, dass trotz ausgereifter Technologie der Fahrbetrieb mit automatisierten Bussen noch in den Anfängen steht. Aufbau und Betrieb sind aufwändig und müssen streng überwacht werden. Noch geht es nicht ohne manuelle Eingriffe der Begleiter: Wobei sie in 80 Prozent der Fälle falsch geparkte Autos umfahren mussten. Außerdem ist das System bei starkem Schneefall nicht einzusetzen. Auch einen Unfall gab es bereits: Im September 2016 touchierte eines der beiden Shuttles die offene Heckklappe eines geparkten Lieferwagens. Beide in den Vorfall verwickelten Fahrzeuge wurden leicht beschädigt. Aber aus genau derartigen Fehlern wird gelernt: Postauto und der Fahrzeugkonstrukteur Navya haben kleine technische und organisatorische Anpassungen vorgenommen. So wurde beispielsweise der Sicherheitsabstand für das Befahren von Kurven erhöht, sodass die Fahrzeuge sensibler auf Hindernisse reagieren und schneller anhalten können.
Blick in die Zukunft
Zurzeit wird geprüft, das Streckennetz der Shuttles in der Stadt Sitten zu vergrößern und so anzupassen, dass die Smartshuttles in die gesamte Mobilitätskette integriert werden können. Als Ergänzung und Verbesserung des Angebots auf der letzten Meile würden die Smartshuttles damit ein erklärtes Ziel von Postauto erfüllen. Zudem wird geprüft, ob die Testphase verlängert wird, so dass weitere Vorteile für die Fahrgäste wie etwa ein Rufbusangebot eingerichtet werden können.