Mit neuen Technologien und immer mehr Fähigkeiten werden Roboter in wenigen Jahren in alle Lebensbereiche vordringen. Das bietet nicht nur Unternehmen kreative Chancen für neue Geschäftsmodelle, wie die Teilnehmer des TQ-Round-tables sich sicher sind, sondern schafft auch für den arbeitenden Menschen Freiraum für mehr Kreativität.
Spätestens in zehn Jahren werden Roboter in jedem Bereich unseres Lebens existieren“, ist sich Roger Seeberger, Geschäftsführer bei Jinn-Bot, sicher. „In den vergangenen Jahren haben Roboter nur in statischen Umgebungen gearbeitet, jetzt erleben wir den Wechsel hin zu dynamischen Umgebungen“, so Seeberger weiter. „Das begann mit den kollaborativen Robotern von Universal Robots, aber heute geht das noch weiter – in der Schweiz wird zum Beispiel Pepper, der Assistenzroboter von Soft Banks, eingesetzt, um Kunden durch Supermärkte zu begleiten.“
Zusammenarbeit im Fokus
Lasse Kieffer, bis vor einem Jahr bei Universal Robots beschäftigt, verdeutlicht die Entwicklung durch eine schnell erstellte Zeichnung einer Pyramide: „Am Anfang, also an der Spitze der Pyramide, wurden Roboter vor allem in der Automotive Industrie genutzt. Nachdem sie sich dort bewährt hatten, wurden sie auch in anderen Industrien eingesetzt“, erklärt Kieffer weiter, während er mit dem Stift immer weiter in Richtung Pyramiden-Basis fährt. „Kollaborative Roboter haben dann eine noch breitere Anwendung ermöglicht, dort, wo traditionelle Roboter bis dato nicht sinnvoll eingesetzt werden konnten. Diese Entwicklung wird weitergehen und die Fähigkeiten kollaborativer Roboter werden sich erweitern.“ Für Kieffer, der zurzeit die Gründung einer eigenen Firma vorbereitet, eine natürlich Entwicklung, die einen immer größeren Markt für Robotik-Anwendungen schafft. Auch für Dr. Claus Lenz, Mitbegründer und Geschäftsführer von Blue Ocean Robotics Deutschland, ist die Zusammenarbeit das wesentliche Stichwort bei der weiteren Entwicklung von Robotern. Er sieht dabei drei Trends: „Zum einen kommen sich Roboter und Menschen in der industriellen Produktion immer näher. Zum anderen findet diese Annäherung auch in unserem täglichen Leben statt – mit Staubsauger-Robotern oder persönlichen Assistenz-Robotern. Und drittens werden auch Roboter untereinander verstärkt zusammenarbeiten – mehrere Roboter mit verschiedenen Fähigkeiten ergänzen einander, um gemeinsam eine Aufgabe zu lösen.“
„Heute steht für die Robotik Technologie zur Verfügung, die es vor wenigen Jahren noch nicht gab“
Jim Welander, System Field Applications Engineer, EBV Elektronik
Immer einfacher zu bedienen
Dabei profitieren die Entwickler neuer Robotik-Lösungen von den Fortschritten, die in Bereichen wie den Consumer Electronics oder im Automotive-Sektor gemacht wurden, meint Jim Welander, der als Field Application Engineer bei EBV in Dänemark besonders Robotik-Firmen betreut: „Damit stehen heute für die Robotik Technologien zur Verfügung, die es vor wenigen Jahren noch nicht gab.“ Zugleich sind Roboter immer einfacher zu bedienen, wie Welander ergänzt: „Früher brauchte man ein Ingenieurs-Diplom, um einen Roboter zu programmieren. Heute lernt das – zumindest in Dänemark – jedes Kind in der Schule.“ Grundsätzlich gilt, dass Menschen immer selbstverständlicher mit Hightech umgehen. „Junge Menschen haben damit heute kein Problem“, meint auch Roger Seeberger. „Doch bei den Senioren von heute sieht das anders aus – es wird eine Generation dauern, bis auch ältere Menschen mit Robotern umgehen können.“ Das sieht Claus Lenz nicht so – für ihn ist das nur eine Frage der Bedienbarkeit. „Wenn man in der Lage ist, einen Roboter mit einem natürlichen Interface zu bauen, das leicht zu verstehen ist, dann lassen sich Roboter auch in das Leben von Senioren integrieren.“ Dem stimmt Roger Seeberger durchaus zu – solange der Roboter einwandfrei funktioniert. „Aber derzeit sind wir noch nicht so weit, dass wenig technikerfahrene Menschen mit einem Roboter umgehen können, der eine Fehlfunktion hat.“ Dr. Lenz sieht darin aber keinen Hinderungsgrund: „Wenn eine Spülmaschine nicht funktioniert, rufen wir auch einen Servicetechniker. So könnte das in Zukunft auch bei Heim-Robotern sein – damit könnte sogar ein neues Geschäftsmodell entstehen …“
Preise für benötigte Elektronik werden fallen
Doch wie weit kann die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine wirklich gehen? „Bis zum Sex-Roboter“, meint Lasse Kieffer. Wobei Claus Lenz hinterfragt, was denn genau Kollaboration bedeutet: „Reagiert der Roboter nur auf den Menschen? Dann sprechen wir eher von Interaktion. Eine echte Kollaboration bedeutet, dass Mensch und Roboter das gleiche Ziel verfolgen.“ Bis derartige Roboter allerdings tatsächlich auch den Konsumentenmarkt erobern, wird es noch dauern. „Die Technik für kollaborative, mobile Systeme ist zwar heute schon vorhanden, aber noch zu teuer für den privaten Einsatz“, meint Jim Welander. Besonders die benötigte Sensorik –, wie zum Beispiel Laserscanner oder LIDAR-Systeme – aber auch hochwertige Elektromotoren führen bei multifunktionellen mobilen Assistenzrobotern zu Kosten, die laut diverser Prognosen bei bis zu 25.000 Dollar liegen werden. Doch gerade die Fortschritte in den Consumer Electronics und der Einsatz von Elektronik in diesem Massenmarkt werden die Preise für elektronische Komponenten in den kommenden Jahren drastisch fallen lassen – da sind sich alle Teilnehmer der Diskussionsrunde einig. Auch der Automotive-Markt wird dafür sorgen, dass zum Beispiel Systeme zur Umgebungserkennung günstiger werden, meint Lasse Kieffer: „Mit dem Trend zu immer autonomeren Autos werden immer mehr Systeme wie LIDAR oder Radar verbaut. Das macht sie letztendlich günstiger für den Einsatz in Robotern.“
„Alleine die technische Spezifikation ISO/TS 150GG für kollaborierende Roboter benötigte sechs Jahre bis zu Veröffentlichung.“
Lasse Kieffer, ISO-Experte und Entrepreneur in spe
Roboter werden Teil des Internets der Dinge
„Es wird dennoch in naher Zukunft keinen Roboter geben, der alle Aufgaben erledigen kann“, meint Claus Lenz. „Wir werden vielmehr spezialisierte kleine Geräte zuhause haben, die interagieren können.“ Der Geschäftsführer von Blue Ocean Robotics stellt sich eine Kombination von physikalischen Geräten und smarten Geräten des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) vor, die miteinander kommunizieren und Aufgaben untereinander verteilen. „Roboter könnten dabei eine Möglichkeit sein, die digitale und die reale Welt miteinander zu vernetzen.“ Das sieht auch Roger Seeberger so: Die von seinem Unternehmen produzierten Roboter für Ausbildungszwecke können über eine Android-App zum Beispiel auf dem Smartphone gesteuert werden. „Die Grenzen zwischen IoT-Geräten und Robotern sind eher historisch zu sehen, heute existieren sie de facto nicht mehr.“
Doch damit sind nicht nur Vorteile verbunden, sondern Roboter sind über das Internet den gleichen Gefahren ausgesetzt wie jedes andere vernetzte Gerät. Cybersecurity ist damit auch für Roboter-Entwickler ein Thema – oder sollte es zumindest sein. „Auch wenn die eigentliche Datenverarbeitung bei den aktuellen Robotern lokal stattfindet und die Cloud nur genutzt wird, um Informationen zu verbreiten, sollten die gleichen Sicherheitsstandards für die Internetverbindung gelten wie beim PC oder einem mobilen Gerät. Dazu gehören auch regelmäßige Security-Updates – das sollte noch mehr in das Bewusstsein der Robotik-Branche rücken“, meint Claus Lenz.
Das menschliche Gehirn simulieren
Cybersecurity ist aber nur eine der Herausforderungen, denen sich moderne Roboter stellen müssen. Eine andere ist Intelligenz: Die benötigen Roboter, wenn sie sich in unbekannter Umgebung bewegen oder mit dem Menschen kommunizieren sollen. Von Seiten der Elektronik ist das kein Problem, meint Jim Welander: „Es kommen Chips mit immer mehr Prozessorkernen auf den Markt, die ausreichend Rechenpower für künstliche Intelligenz bieten. Das Problem werden eher die Software und entsprechende Algorithmen sein.“ Claus Lenz betont, dass derzeit erst noch Systeme entwickelt werden müssen, die die Verbindung zwischen verschiedenen Wissensquellen knüpfen können und die das Maschinenlernen mit diesen Daten verbinden. Auch für eine funktionierende Spracherkennung ist eine gewisse Intelligenz notwendig, wie der Blue-Ocean-Geschäftsführer weiter erklärt: „Man benötigt Wissen über den Kontext – denn im gesprochenen Wort können Begriffe je nach Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungen haben.“ Doch bis ein Roboter tatsächlich über eine menschenähnliche Intelligenz verfügt, werden wohl noch Jahre vergehen. Roger Seeberger ist dabei überzeugt, dass Roboter, die ein eigenes Bewusstsein entwickeln, wahrscheinlich eher zufällig entstehen: „Wir wissen noch nicht viel über unser Denken, daher wird viel spekuliert und werden verschiedene Theorien und Methoden ausprobiert. Ich schätze, dass irgendwann irgendjemand sagt – upps, es ist passiert! Viel wichtiger in meinen Augen ist, ob wir wirklich Roboter mit eigenem Bewusstsein haben sollen – doch das ist eher eine politische Frage.“
„Die Standards für sichere Internetverbindungen sollten auch bei Robotern angewendet werden.“
Dr. Claus Lenz, Co-Founder und CEO, Blue Ocean Robotics
Maschinensicherheit wird auch für Roboter benötigt
Mit steigender Intelligenz, oder besser mit wachsender Autonomie, der Roboter ergeben sich auch neue Herausforderungen in puncto Sicherheit für den Menschen und die Umgebung, in der der Roboter operiert: „Künstliche Intelligenz trifft eigene Entscheidungen, die schwer vorauszusagen sind“, meint Welander. „Doch wenn man einen Roboter sicher gestalten will, muss man voraussagen können, wie er sich in bestimmten Situationen verhält.“ Natürlich gibt es unter dem Schirm der von der International Organization for Standardization (ISO) erstellten Richtlinien zur Maschinensicherheit und zur Funktionalen Sicherheit auch entsprechende Regularien für Roboter, wie Lasse Kieffer erklärt: „Es gibt Komitees für Industrieroboter genauso wie für nichtmedizinische persönliche Pflegeroboter oder Serviceroboter, zu denen zum Beispiel auch Staubsauger-Roboter zählen. Doch die hier entwickelten Standards werden sehr breit und allgemein sein.“ Kieffer hat sich während seiner Zeit bei Universal Robots intensiv mit dem Thema Funktionale Sicherheit für kollaborative Roboter auseinandergesetzt und an entsprechenden ISO-Treffen teilgenommen. Daher weiß er, dass es normalerweise mehrere Jahre braucht, bis ein ISO-Standard abgestimmt und beschlossen ist – und damit schon von neuer Technologie überholt sein kann. Das bedeutet nicht, dass Roboter ohne diese Standards unsicher sind, wie er betont: „Aber diese Standards helfen bei der Konzeptionierung neuer, sicherer Roboter.“ Seine Empfehlung, um einen wirklich sicheren Roboter mit künstlicher Intelligenz zu bauen: „Es wird einige einfache Sicherheits-Features geben, die sicherstellen, dass der Roboter ausgeschaltet werden kann.“
Ein besseres Verständnis zwischen Mensch und Roboter
So ein „Aus-Schalter“ ist das einfachste Beispiel für eine Schnittstelle zwischen Mensch und Roboter. Doch die zukünftigen mechatronischen Helfer werden über weitaus komplexere Lösungen verfügen, um mit dem Menschen zu kommunizieren und Anweisungen von ihm zu verstehen. „Für den Einsatz im privaten Bereich sind die heute bei Industrierobotern üblichen Programmierlösungen keine Option“, so Claus Lenz. „Wir benötigen Systeme, über die ein Roboter zum Beispiel durch Gesten, Vormachen oder Sprache angelernt werden kann.“ Gerade das kontextbezogene Verständnis der Sprache spielt dabei eine besondere Rolle. Blue Ocean Robotics hat in eigenen Studien darüber hinaus herausgefunden, dass es für ein reibungsloses Miteinander von Roboter und Mensch wichtig ist, dass die Bewegungen des Roboters vorhersehbar sind: „Wenn die Bewegungen eines Roboters denen eines Menschen nachempfunden und nicht technisch sind, weiß der Mensch eher, wo zum Beispiel ein Gegenstand übergeben wird“, so Lenz. Allerdings wird sich nicht nur der Roboter an die Kommunikation des Menschen anpassen, wie Roger Seeberger sich sicher ist: „Das Leben mit Robotern wird auch unsere Art zu kommunizieren verändern – man muss sich ja nur einmal anschauen, welche Auswirkungen das Smartphone auf unsere Kommunikation hat.“
„Roboter mit eigenem Bewusstsein wird es eines Tages geben.“
Roger Seeberger, Managing Director und Entwickler, Jinn-bot
Die Arbeitswelt wird sich ändern
Doch nicht nur unsere Kommunikation wird durch Roboter verändert werden, auch für die Arbeitswelt werden die Auswirkungen enorm sein. „Es gibt dazu zahlreiche Studien“, so Claus Lenz. „Aktuell veröffentlichte McKinsey eine Untersuchung – danach wird es natürlich eine Veränderung durch die zunehmende Automatisierung geben. Aber der Einsatz von Robotern muss nicht unbedingt zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen, sondern es können neue Jobs entstehen. Welche das sind, kann man noch nicht sagen – vielleicht ein Roboter-Sicherheits-Assistent?“ Ein Gedanke, der Lasse Kieffer gefällt: „Dann haben wir nicht Roboter, die uns begleiten, sondern Menschen, die Roboter begleiten!“ Auch Jim Welander ist optimistisch und erinnert an die Veränderungen, die das Smartphone mitbrachte: „Man muss nur mal schauen, wie viele Menschen heute in der App-Entwicklung arbeiten – vor wenigen Jahren hat da noch kein Mensch dran gedacht.“ Roger Seeberger erwartet allerdings durchaus tiefergehende Auswirkungen auf die Arbeitswelt. „Im Grunde ist das eine ethische und politische Frage, denn wir müssen unsere Gesellschaft neu ausrichten.“ Er nennt als Beispiel das bedingungslose Grundeinkommen, über das 2016 in der Schweiz abgestimmt wurde. „In Zukunft wird sich die Qualität der Arbeit nicht mehr in der Stundenzahl ausdrücken, sondern darin, dass der Mensch mehr Zeit für Kreativität hat.“ Natürlich sind mit neuen Technologien wie der Robotik Risiken verbunden – das sieht auch Claus Lenz so: „Menschen haben natürlich Angst, dass sich ihr Leben ändert. Aber wir können entweder Angst haben, dass die Technologie unser Leben zerstört – oder wir arbeiten daran, dass die Technologie unser Leben zu etwas Positiverem verändert.“