Die Digitalisierung in der Industrie ermöglicht nicht nur effizientere Produktionsprozesse. Denn sie revolutioniert auch die Geschäftsmodelle, wobei der Hersteller nicht mehr am Verkauf der Maschine verdient. Sondern er wird für damit verbundene Dienstleistungen oder sogar nach dem Volumen der auf der Maschine produzierten Waren bezahlt.
Vernetzte Maschinen, die miteinander kommunizieren. Roboter, die Reparaturen durchführen. Die automatisierte Wartung von Anlagen. In den Fabrikhallen ist die nächste industrielle Revolution, die Industrie 4.0, in vollem Gange. Sie basiert maßgeblich auf einer detaillierten Erfassung einer Vielzahl von Betriebsdaten durch intelligente Komponenten und Sensoren. Edge-Computing-Technologien filtern und analysieren die Daten noch vor Ort. Die vorverarbeiteten Daten werden dann an das Internet der Dinge übertragen. Dort generieren Analyseplattformen daraus die unterschiedlichsten Informationen für den Betrieb der Fabrik oder die Organisation der Materialströme.
Daten als Basis neuer Services
Durch die Zusammenführung von Daten und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz werden völlig neue Services und Geschäftsmodelle ermöglicht. „Ob Fahrzeugbau, Maschinenbau oder Elektronik. Denn die Industrie 4.0 sorgt dafür, dass traditionelle Geschäftsmodelle in allen Branchen durch neue Technologien ergänzt, optimiert oder sogar ganz ersetzt werden“, sagt Achim Berg, Präsident des deutschen Branchenverbandes Bitkom. „Die Unternehmen können ihre Produkte auf ganz neue Weise anbieten. Dadurch werden sie nicht nur serviceorientierter, sie bleiben vor allem international wettbewerbsfähig.“
So ermöglicht die Digitalisierung neue Services rund um die Wartung und Instandhaltung von Maschinen und Anlagen. Der Hersteller hat dabei Zugriff auf die erfassten Betriebsdaten seiner beim Kunden aufgestellten Maschine. Durch eine permanente Auswertung dieser Daten, kann er zukünftige Schäden im Produktionsprozess vorhersagen und rechtzeitig Wartungen und Reparaturen durchführen. Der Kunde profitiert von minimierten Ausfallzeiten und einer höheren Produktivität. Dieser Service hat somit einen reellen Wert, für den der Kunde entsprechend bezahlt. Damit kann der Hersteller nicht nur durch den Verkauf seiner Maschine Geld verdienen, sondern zusätzlich auch mit seinem Service.
Was sind Pay-per-Use-Modelle?
Noch einen Schritt weiter gehen sogenannte Pay-per-Use-Modelle (auch Equipment-as-a-service oder Machine-as-a-service). Doch was sind Pay-per-Use-Modelle? Dabei verkauft der Hersteller sein Produkt nicht, sondern stellt eine Infrastruktur, Anlage oder Maschine als einen Service gegen ein Entgelt zur Verfügung. Die Basis für dieses Entgelt könnte zum Beispiel die Zahl der auf der Maschine produzierten Produkte oder die Betriebsstunden sein. Dieses Geschäftsmodell bietet, richtig umgesetzt, sowohl für den Kunden als auch für den Hersteller Vorteile.
Bewährt in der Praxis
Das britische Unternehmen Rolls-Royce bietet seine Flugzeugtriebwerke schon seit mehr als 20 Jahren auch im Rahmen sogenannter „Power-by-the-hour“-Serviceverträge an. Dabei werden die Pay-per-Use-Gebühren auf Basis der geflogenen Stunden berechnet. Es übernimmt dabei alle erforderlichen Wartungsarbeiten und bietet vorbeugende Instandhaltungsservices an. Dazu sind die Triebwerke vernetzt und senden die Maschinendaten zur Überwachung an vier Rolls-Royce-Zentren. Die Erfahrungen von Rolls-Royce mit diesem Modell sind bemerkenswert. Auch dank der langen Lebensdauer von Flugzeugtriebwerken sind die Einnahmen aus dem Service rund viermal so hoch wie die aus dem Verkauf.
Darüber hinaus zieht Rolls-Royce als Maschinenhersteller zusätzlichen Nutzen aus dem Service-Angebot. Zum einen lernt das Unternehmen dadurch, dass es die Inspektion der Triebwerke selbst durchführt und den Triebwerkszustand kontinuierlich überwacht. Es lernt so seine Produkte und deren eventuelle Schwachstellen immer besser kennen und verstehen. Das ermöglicht die Optimierung der Lebensdauer, sorgt für eine effizientere Wartung und reduziert die Ausfallzeiten beim Kunden.
Ein anderes Beispiel ist Heidelberger Druckmaschinen. Das Unternehmen hat ein Geschäftsmodell realisiert, bei dem nicht wie bisher an der Lieferung der Maschinen-Komponenten verdient wird. Sondern an der mit seinen Anlagen bedruckten Anzahl von Papierbögen. Dazu werden alle Betriebsdaten in einer Analyseplattform erfasst und ausgewertet. Verschleiß und Wartung werden frühzeitig identifiziert und ermöglichen eine vorausschauende Serviceplanung. Dabei werden nicht nur Daten einzelner Maschinen bei einem Kunden herangezogen, sondern auf alle am System angeschlossenen Maschinen zurückgegriffen. So entsteht eine höhere Präzision der Analysen und damit eine höhere Verfügbarkeit der Maschinen.
Boomender Markt
Noch ist der Markt für derartige Pay-per-use-Modelle übersichtlich. Laut einer Studie der Marktanalysten von IoT-Analytics hatte er in 2019 ein Volumen von 21,9 Milliarden Dollar. Nur ein geringer Teil des weltweiten Ausrüstungsmarktes wird demnach als ein Service verkauft. Unternehmen werden in Zukunft zunehmend in Ergebnisse investieren, weniger in Vermögenswerte. So soll der Markt bis zum Jahr 2025 rasant auf 131 Milliarden Dollar anwachsen. „Wir sehen ganz deutlich, dass die eigentliche Revolution von Industrie 4.0 nicht allein in der Produktion, sondern bei den Geschäftsmodellen stattfindet“, unterstreicht Bitkom-Präsident Berg. „Daher sollte jedes Unternehmen sein Geschäftsmodell auf den digitalen Prüfstand stellen.“
Vorteile von Pay-per-Use-Modellen:
- Geringere Abhängigkeit von Konjunkturschwankungen
- Steigerung der Einnahmen aus Dienstleistungen
- Erhöhung der Kundenbindung
- Kontinuierliche Verbesserung des Produktdesigns
…den Kunden:
- Höhere Produktivität und Verfügbarkeit
- Schonung der Liquidität
- Reduzierung von Geschäft- und Betriebsrisiko
- Zugang auch zu kostenintensiven Maschinen