Die Nutzung unterschiedlichster Technologien trägt zum Stillen des Energiehungers der wachsenden Weltbevölkerung bei. Oberstes Ziel dabei ist die Klimaneutralität. Energy Harvesting ist eine der neuen Möglichkeiten, um beiden miteinander zu vereinen. Aber was ist Energy Harvesting?
Der globale Energiebedarf wird bis 2040 um rund ein Drittel steigen. Das ist das Ergebnis des „Energy Outlook 2019“ des Energiekonzerns BP. Dennoch ist sich Bernard Looney, BP-CEO, sicher: „Klimaneutralität kann bis 2050 erreicht werden. Die entsprechenden CO2-freien Energien und Technologien gibt es schon heute. Aber die Herausforderung besteht darin, sie möglichst schnell und umfänglich zu nutzen. Ich bleibe optimistisch, dass wir dies erreichen können.“
Was ist Energy Harvesting?
Energy Harvesting bezeichnet die Nutzung von Energie, die in der Umgebung ohnehin vorhanden ist. Wie zum Beispiel Körper- und Wasserbewegungen, Luftströmungen oder Temperaturunterschiede. „Energy-Harvesting-Lösungen bilden die Basis zur Versorgung einer Vielzahl von batterielosen IoT-Applikationen. Diese erleichtern uns im Rahmen der digitalen Transformation in Zukunft unser Leben“, ist sich Dieter Bauernfeind von Elec-Con technology sicher. Das Unternehmen ist an einem Projekt beteiligt, dass für Logistik-Anwendungen ein Energy-Harvesting-Netzteil entwickelt. Das Netzteil generiert Strom aus verschiedenen Bewegungen. Damit können zum Beispiel Sensoren gespeist werden, die die erfassten Daten dann per Funk weitergeben.
Energy-Harvesting-Lösungen können aber nicht nur IoT-Geräte mit Energie versorgen, sondern auch im großen Rahmen Strom produzieren. Davon ist zumindest Professor Dr. Zhong Lin Wang vom US-amerikanischen Georgia Institute of Technology überzeugt. Er hat Nanogeneratoren entwickelt, die aus geringen mechanischen Bewegungen kostengünstig Strom erzeugen. Diese triboelektrischen Nanogeneratoren funktionieren über zwei Materialschichten, die immer wieder miteinander verbunden und voneinander getrennt werden. Dabei bauen sich elektrische Ladungen auf, die zur Stromerzeugung genutzt werden können. Wang kann sich vorstellen, damit auch die Meere als Quelle von erneuerbaren Energien zu nutzen: „Ein Netzwerk aus Nanogeneratoren, das die Wellenbewegungen in elektrische Energie umwandelt, könnte einen nennenswerten Beitrag zur Stromversorgung leisten“, meint er.
Steigende Wirkungsgrade in der Photovoltaik
Noch dominieren bei den erneuerbaren Energien allerdings „Klassiker“ wie Wind- oder Sonnenenergie. Eine Vorreiterrolle nimmt dabei die Nutzung des Sonnenlichts durch Photovoltaik-Solarmodule ein. Hierbei besitzt die kristalline Silizium-Technologie einen Anteil von circa 95 Prozent am Photovoltaik-Weltmarkt. Deren Zellwirkungsgrade liegen heute bei bis zu 22 Prozent. Mit neuen Materialien soll der Wirkungsgrad weiter verbessert werden.
Metallorganischen Perowskiten, eine neue Halbleiterklasse, bewirkten beispielsweise einen Wirkungsgrad von 24,3 Prozent. Zudem versprechen sie eine deutlich günstigere und einfachere Herstellung. Daraus gefertigte Zellen können auch bei der direkten solaren Wasserspaltung zur Gewinnung von Wasserstoff eingesetzt werden.
Hoffnungsträger Wasserstoff
Denn Wasserstoff soll zukünftig die fossilen Brennstoffe großflächig ersetzen. Einsatzgebiete liegen sowohl im industriellen Sektor, als auch im Bereich der Stromveredelung und -speicherung in Verbindung mit Wind- und Solarparks.
Wie das aussehen kann, zeigt unter anderem das Projekt eFarm, das größte Wasserstoff-Mobilitätsprojekt seiner Art in Deutschland. Fünf Elektrolyseure der Firma H-Tec Systems mit jeweils 225 Kilowatt elektrischer Leistung wandeln Strom aus regionalen Bürgerwindparks in Wasserstoff um. Dieser wird an zwei Tankstellen dem öffentlichen Nahverkehr und auch dem Individualverkehr bereitgestellt. Die Abwärme aus dem Elektrolyse-Prozess fließt in die regionale Wärmeversorgung. Diese ganzheitliche Nutzung des Umwandlungsvorgangs ermöglicht einen optimalen Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent.
„Die Nutzung von alternativen Kraftstoffen wie Wasserstoff gewinnt zunehmend an Bedeutung“, so Deutz-CEO Dr. Frank Hiller. Deutz arbeitet mit dem Münchner Unternehmen Keyou zusammen, um CO2-freie Wasserstoffmotoren für den Off- und On-Roadbereich sowie die Energieerzeugung zu bauen. Keyou entwickelt auf Basis von konventionellen Diesel- oder Gasmotoren emissionsfreie Wasserstoffmotoren. Unter anderem mit speziell auf Wasserstoff angepassten Komponenten wie Zündanlage oder Motorsteuergerät.
Die Technologie ist deutlich kostengünstiger als bei Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen. Zudem kommen Wasserstoffmotoren ohne seltene Rohstoffe aus. Thomas Korn, CEO und Mitgründer von Keyou: „Die Nachfrage von Herstellerseite an dem Thema Wasserstoffmotor ist enorm groß. Selbst aus dem Schienensektor oder dem maritimen Bereich erreichen uns zahlreiche Anfragen.“
Der Sonne nachempfunden
Wasserstoff spielt auch bei einer Technologie eine wesentliche Rolle, die die größte Revolution in der Energieversorgung verspricht: Kernfusion. Eine Weltbevölkerung von bald zehn Milliarden Menschen braucht kontinuierlich gewaltige Mengen Energie. Eine solche Menge können fluktuierende Wind- und Solarkraft samt ihrer Speichertechnologien nicht allein bereitstellen können. Bei der Kernfusion werden bei über 100 Millionen Grad Celsius Wasserstoff-Atome zu Helium verschmolzen. Die dabei entstehende Energie kann zur Stromerzeugung genutzt werden. Die Machbarkeit soll mit 500 Megawatt Fusionsleistung der internationale Experimentalreaktor ITER zeigen, der zurzeit in weltweiter Zusammenarbeit in Cadarache in Frankreich entsteht.