Warum intelligente Netze für die Energiewende unerlässlich sind

Um die Vielzahl an erneuerbaren Energiequellen zu verbinden und die zunehmende Elektrifizierung von Industrie, Verkehr und Heizung zu bewältigen, müssen Energienetze modernisiert und ausgebaut werden. Dies macht das Netz insgesamt intelligenter, und neue Technologien wie Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) werden die Effizienz des Systems verbessern.

Die Energiewende stellt erhebliche Herausforderungen für die Stromnetze dar. Heute fließt der Strom in eine Richtung vom Kraftwerk über das Übertragungsnetz zum Verbraucher. In den für eine All Electric Society benötigten Netzen fließt der Strom aus Hunderttausenden kleiner, dezentraler Anlagen in alle Richtungen. Da Photovoltaik- oder Windkraftanlagen Strom zeitlich und mengenmäßig unregelmäßig in alle Spannungsebenen einspeisen, schwankt die Belastung der Verteilernetze erheblich. Diese neue Art der Energieverteilung belastet das Verteilernetz stark und macht die Infrastruktur zunehmend ineffizient. Gleichzeitig müssen Kapazitäten ausgebaut werden, um die wachsende Zahl an Stromverbrauchern zuverlässig zu versorgen.

„Um es klar zu sagen: Unser aktuelles Stromnetz ist dafür nicht ausgelegt. Es ist nicht energiewendetauglich“, betont Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Der Verband fordert, dass neben dem physischen Ausbau auch Intelligenz in das System integriert wird.

Smart Grid: Das intelligente Stromnetz der Zukunft

Smart Grids koordinieren die Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Strom, indem sie kontinuierlich Daten von IoT-fähigen Sensoren und Geräten sammeln und analysieren. Dadurch kann die Nutzung und Steuerung der Stromnetze optimal erfolgen, was zu einer stabilen und effizienten Energieversorgung beiträgt. Diese intelligenten Netze ermöglichen eine bidirektionale Kommunikation und die Rückspeisung überschüssigen Stroms ins Netz über intelligente Zähler. Der verstärkte Einsatz von Energiemanagement-Geräten und die Einbindung der Verbraucher helfen den Anbietern, die Spitzenlast zu reduzieren und den Ausbau der Infrastruktur zu verzögern.

Smart Meter: Intelligente Zähler für Verbraucher und Prosumer

Auf Verbraucherseite sind Smart Meter das Kernelement zukünftiger Energieversorgungsnetze. Diese intelligenten Stromzähler messen den Energieverbrauch in Echtzeit und ermöglichen Überwachung und Optimierung. Sie sind auch für Prosumer – Verbraucher, die ihre eigene Energie erzeugen, beispielsweise durch ihre Solaranlage – von entscheidender Bedeutung. Ein Bericht der Europäischen Kommission prognostiziert, dass der Einsatz von Smart Metern zu jährlichen Energieeinsparungen von bis zu zehn Prozent führen kann, was sowohl den Verbrauchern als auch der Umwelt zugutekommt.

„Durch die Digitalisierung unserer Netze werden unsere Stromsysteme zuverlässiger und sicherer, und unsere Versorgungsunternehmen können das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage besser steuern“, erklärt IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol.

Erweiterung des Netzwerks erforderlich

Um jedoch den Anforderungen einer All Electric Society gerecht zu werden, ist ein signifikanter Netzausbau erforderlich: Laut dem „New Power Systems Report“ der Klassifikationsgesellschaft DNV muss die globale Netzkapazität auf das 25-fache ansteigen, und die jährlichen Netzausgaben müssen sich bis 2050 auf 970 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Für Europa würde dies laut dem Branchenverband Eurelectric bedeuten, dass ab 2025 bis 2050 jährlich etwa 67 Milliarden Euro in das Stromverteilungsnetz investiert werden müssten, doppelt so viel wie derzeit. Diese Zahl relativiert sich, wenn man bedenkt, dass diese Summe nur 20 Prozent dessen ausmacht, was die EU 2023 für fossile Brennstoffimporte ausgegeben hat.

Effizientere Übertragung mit Gleichstrom

Der Netzausbau beschränkt sich nicht mehr auf die etablierte Wechselstromtechnologie, sondern umfasst zunehmend Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen (HGÜ). Beim Transport von Gleichstrom über lange Strecken bei einer Spannung von 525 Kilovolt sind die Übertragungsverluste im Vergleich zu vergleichbaren Wechselstromverbindungen gering. Darüber hinaus benötigen Gleichstromnetze (DC-Netze) weniger Komponenten. Erneuerbare Energiequellen, die typischerweise auch mit Gleichstrom arbeiten, können leichter integriert werden.

Höhere Spannung, geringerer Rohstoffverbrauch

Der Umbau des Energiesystems erfordert enorme Mengen an Rohstoffen wie Kupfer und Aluminium für Leitungen, die erneuerbare Erzeuger mit dem Netz verbinden.

„Eine Erhöhung der Systemspannung kann hier helfen. Durch den damit einhergehenden gleichzeitigen Rückgang der Ströme können erhebliche Rohstoffeinsparungen erzielt werden“, erklärt Andreas Hensel, Gruppenleiter für Hochleistungselektronik und Systemtechnik am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.

Die Erhöhung der Ausgangsspannung von 800 V auf 1.500 V Wechselstrom führt bei gleicher Leistung zu einer Verringerung des Kabelquerschnitts um etwa 75 Prozent. Zudem ist das Verlegen und Anschließen kleinerer Kabelquerschnitte wesentlich einfacher, was die Installationskosten senkt.

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