Durch intelligente, autonom agierende Werkstücke und Maschinen wird die industrielle Fertigung revolutioniert. Die Industrie 4.0 oder Smart Factory kann selbstständig auf schwankende Rahmenbedingungen reagieren und individuelle Produkte wirtschaftlich herstellen.
Die moderne Produktion ist geprägt durch immer stärker individualisierte Produkte, die in kleinen Stückzahlen bei größtmöglicher Effizienz hergestellt werden. Starre, unflexible und zentral gesteuerte Abläufe stehen der immer wichtiger werdenden „individuellen Produktion“ im Wege. Für die nötige Neuorganisation der industriellen Produktion wurde in Deutschland der Begriff „Industrie 4.0“ geprägt: Durch die Vernetzung von Maschinen, Systemen, Werkstücken und Produkten entstehen intelligente Produktionssysteme, die sich ohne manuelles Eingreifen selbstständig gegenseitig steuern können. Im Idealfall weiß das Werkstück also bereits, für welchen Kunden es vorgesehen ist und trägt alle Informationen darüber, wo und wann es bearbeitet wird, mit sich. Ist das Material erst einmal in der Maschine, zeichnet es selbst jede Abweichung vom Standardprozess auf, stellt fest, wann es fertig ist und weiß, wie es zum Kunden gelangt. Noch ist ein derartig umfassendes Projekt nicht realisiert worden. Doch erste Teilprojekte sind bereits in der industriellen Praxis umgesetzt.
Technologie bietet großes Potenzial
„Industrie 4.0 ist mehr als eine Zukunftsvision“, unterstreicht denn auch Dr. Verena Majuntke, Senior Solution Architect für Industrie 4.0 bei der Bosch Software Innovations GmbH. „Die Technologie bietet großes Potenzial für Maschinen- und Komponentenhersteller. Bereits heute sehen wir neue Geschäftsmodelle, die sich in den nächsten Jahren noch weiterentwickeln werden.“ Dazu müssen zunächst die Komponenten und Maschinen mit den notwendigen Industrie 4.0-Features wie Sensoren, Aktoren, Software sowie einem Netzwerkzugang ausgestattet werden. Damit ist die Grundlage gelegt, um die relevanten Daten maschinenübergreifend zu erfassen, die in einem zweiten Schritt ausgewertet werden können. So lassen sich Vorhersagen treffen und Entscheidungsprozesse automatisieren. Bei der vorausschauenden Instandhaltung zum Beispiel macht man sich diese Methode bereits zu Nutze, um schneller und gezielter auf Wartungsbedarf reagieren zu können.
Der Kern der smarten Fabrik
Ähnliche Konzepte werden auch unter dem Namen Smart Manufacturing oder Smart Factory entwickelt. In den USA spricht man vom Industrial Internet oder Industrial Internet of Things, wobei hier der Begriff deutlich mehr umfasst, als nur die industrielle Produktion. Der Kern aller Konzepte ist allerdings gleich: Cyber-Physical Systems ermöglichen die Interaktion von Produkten, Geräten und Objekten über Anwendungs- und Branchengrenzen hinweg. Durch die Anbindung an das Internet und die Cloud verschmilzt die physikalische Welt mit der digitalen. Grundsätzlich handelt es sich bei allen cyber-physischen Systemen um mikroelektronische Systeme, die über eine eigene Rechenfähigkeit, über Kommunikations- und Vernetzungsbausteine sowie über Sensorik und Aktorik verfügen. So können sie alle Funktionen zur Datenaufnahme, -verarbeitung und -ausgabe eigenständig erfüllen. Als „Embedded System“ sind sie in größere Systeme oder Gegenstände integriert wie zum Beispiel in mobile Roboter, Paletten und Baugruppen oder kommunizierende Fertigungsmaschinen. Vernetzt über Cyber-Physical Systems können beispielsweise Produktionsprozesse auf Schwankungen bei Zulieferung oder Bestellungen in Echtzeit reagieren.
Vernetzung über alle Grenzen hinweg
Aber cyber-physische Systeme sind nicht auf die Fertigung beschränkt, wie Professor John Fitzgerald betont. Der Forschungsleiter im Bereich Informatik an der Newcastle University erklärt: „Dabei kann es sich um eine Masse von Menschen mit ihren individuellen Smartphones handeln, oder es können all die Geräte in einem smarten Stromnetz oder in der landwirtschaftlichen Logistik sein, wo Ernten auf Basis der Sensor-Daten des Mähdreschers neu berechnet werden können.“ Die immer stärker werdende Vernetzung von Objekten, die über Anwendungsgrenzen hinweg interagieren, macht den Weg frei für neue netzbasierte Produkte und Dienstleistungen. Cyber-Physical Systems werden in Zukunft auch wichtige Beiträge zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen leisten wie Mobilität, Sicherheit und Gesundheit.
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