In der Logistik entstehen völlig neuartige Anwendungsfelder und Effizienzpotenziale, wenn smarte Technologien mit etablierten Strukturen verknüpft werden.
Mit einem leisen Surren setzt sich das orangefarbene Gefährt in Bewegung. Gleich darauf starten die nächsten, und schon bald sind Dutzende Mini-Transporter in der Halle unterwegs. Wie von Geisterhand gelenkt, steuern sie auf das Hochregallager zu oder drehen sich um die eigene Achse. Die kleinen fahrerlosen Transportfahrzeuge sind im Dienst der Wissenschaft unterwegs: Am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund arbeiten Forscher daran, mit einer von Ameisen abgeschauten Schwarmintelligenz die logistischen Material- und Warenflüsse im Lager zu verbessern. Die Transportsysteme sollen künftig alle Aufgaben von der Auslagerung im Regal bis zur Anlieferung an einer Kommissionierstation selbstgesteuert übernehmen. Die Alternative zu herkömmlichen Fördertechniklösungen ist flexibler und leichter an Bedarfsschwankungen anpassbar.
Vollständige Transparenz in Echtzeit
Noch ist der praktische Einsatz dieser Mini-Roboter in der Praxis Zukunftsmusik. Doch derartige smarte Technologien finden in der Logistik immer mehr Verwendung. Cyber-physische Logistiksysteme verbinden schon heute verschiedene mobile und eingebettete Logistikelemente. Die Komponenten einer solchen Logistikkette können dabei miteinander agieren, autonom handeln und schließlich die virtuelle mit der physischen Welt verknüpfen. Damit verbunden sind völlig neue Möglichkeiten der Informationsgenerierung und Nutzung – Logistikprozesse erfahren eine bisher nicht zu realisierende Transparenz. „Ein Echtzeitüberblick über die gesamte Lieferkette ist eine Vision, die sicher jeder im Logistikbereich verwirklichen möchte. Wenn Produkte, Anlagen und Maschinen Echtzeitdaten liefern, ist durchgängige Transparenz gegeben“, erklärt Hans Thalbauer, Senior Vice President für Extended Supply Chain Management bei SAP.
Bausteine smarter Logistikkomponenten
Damit diese Vision Wirklichkeit werden kann, ist eine leistungsfähige Informations- und Kommunikationstechnik notwendig. Eine der wichtigsten Basisfunktionen ist dabei die automatische Identifikation der Logistikkomponenten. Durch eindeutige Identitäten können Objektbewegungen und Statusänderungen automatisiert nachvollzogen werden. Heute kommen vor allem der Barcode und die Radio Frequency Identification zum Einsatz. Neben der Identität ist für Logistikprozesse auch entscheidend, den Standort des Objektes zu kennen. Hier werden die unterschiedlichsten Technologien angewendet: GPS-basierte Lösungen, Systeme mit Stereokameras, die wie das menschliche Auge gleich eine Vielzahl von Objekten „im Auge behalten“ können, oder Verfahren, die smarte Antennen und kabellose Kommunikationsnetze nutzen, um die Position zu bestimmen. Hinzu kommt eine Vielzahl von Sensoren, die drahtlose Sensornetzwerke bilden und den Status – Temperatur, Erschütterungen und vieles mehr – des Objektes oder der Ware überwachen. Zur Übertragung der Daten sind die Komponenten zudem mit Kommunikationsbausteinen ausgerüstet, die Technologien wie WLAN, ZigBee oder Bluetooth nutzen.
Marktreife Lösungen sind bereits im Einsatz
Derartig ausgerüstete Logistikbausteine sind schon heute erhältlich – wie zum Beispiel der von Würth entwickelte iBin. Er überwacht eigenständig den Bestand im Behälterinneren und löst vollautomatisch die Bestellung aus. Per integrierter Kamera wird auf Behälterebene eine Füllstands-, Zähl- und Bestellinformation der Artikel automatisiert an das Warenwirtschaftssystem der Würth Industrie Service übermittelt.
Auch kleine Vertreter autonomer Fahrzeuge sind bereits in der Logistik im Dienst wie zum Beispiel das Shuttle des österreichischen Unternehmens Ylog. Die Fahrzeuge werden in der Lager- und Transportlogistik eingesetzt. Durch ein On-Board-Navigationssystem berechnen und finden sie ihren Weg durch die Regale selbst.
Inventur mit dem fliegenden Assistenten
Zukunftsmusik ist noch der Einsatz von Drohnen, doch die Forscher arbeiten bereits daran: Im Projekt Inventairy am IML werden autonome Flugroboter entwickelt, die in der Lage sind, eigenständig zu navigieren und Inventuren auf Knopfdruck durchzuführen. Die fliegenden Assistenten sollen Objekte sowohl in Lagerhallen als auch im Außenbereich lokalisieren und über Barcodes oder RFID-Chips erfassen können. Der Roboter erkennt unter anderem mithilfe von Bewegungs- und Kamerasensoren, wie das Lager aufgebaut ist und kann sich innerhalb eines Lagers orientieren. GPS bestimmt seine Position im Außenbereich. Zudem erfasst der Roboter die gelagerten Objekte inhaltlich. Dies bewerkstelligen die Wissenschaftler durch optische Sensoren oder Funksensoren. „Wir nehmen verschiedene zentrale Problemstellungen zugleich in den Blick: robust designte, leichte Flugroboter, die ihre Umgebung zuverlässig erkennen sowie intelligente Software zu ihrer Routenplanung und Koordination“, erläutert der Projektleiter Marco Freund. „Damit die Lösung auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv ist, verzichten wir bewusst auf die Installation einer teuren lokalen Infrastruktur, mit der sich die Roboter orientieren können.“ Die Forscher wollen dies mit intelligenten Algorithmen schaffen. Die Flugobjekte sollen völlig autonom Karten der Lagerhallen erstellen und diese bei Veränderungen eigenständig anpassen. Basis hierfür sind beispielsweise Ultraschallsensoren, 3D-Kameras sowie Laserscanner.
Dies sind nur einige Beispiele, wie durch die Verbindung von smarten Zukunftstechnologien mit bestehenden Logistikstrukturen und -prozessen komplett neuartige Anwendungsfelder und Effizienzpotenziale in der Logistik entstehen. Wertschöpfungsprozesse werden so zukünftig noch integrierter, schneller, effizienter, flexibler, robuster und kundenorientierter.