Straßenlaternen werden zu multifunktionalen Stationen für die Smart City. Sie dienen als Ladestation für Elektrofahrzeuge, als WLAN-Knoten, Messstation oder Notrufsäule.
Alleine in Europa müssen in den nächsten Jahren etwa zehn Millionen Straßenlaternen ausgetauscht oder instand gesetzt werden. Die Modernisierung eröffnet den Kommunen jetzt die Chance, über das Sparen von Energie und Kosten hinaus, eine innovative digitale städtische Infrastruktur aufzubauen. Aus Straßenbeleuchtung werden multifunktionale Masten: Ausgerüstet mit öffentlichem WLAN, Notruffunktionen, Sensorik zur Messung von Schadstoffen und CO2, Instrumenten der Verkehrsmessung und -steuerung bis hin zur Ladestation für Elektrofahrzeuge beschleunigen sie die Digitalisierung des städtischen Raums. Die anonymisierten Informationen können Bürger und Unternehmen für innovative Anwendungen nutzen. So können zum Beispiel Sicherheit und Komfort auf den Straßen erhöht, Energie intelligent genutzt und Daten zur Einhaltung von kritischen Schadstoffen gesammelt werden. „Der Austausch von Glühbirnen durch LEDs ist zu wenig. Mit digitalisierter Straßenbeleuchtung bauen wir die Smart City“, sagt Prof. Dr. Lutz Heuser, CEO des Urban Software Institute – ein Software- und Beratungsunternehmen, das sich auch als Inkubator für Smart-City-Lösungen versteht.
Licht nach Bedarf
Die niederländische Gemeinde Schiedam hat beispielsweise zwei Straßen mit einer intelligenten Straßenbeleuchtung der Firma Tvilight ausgerüstet. Funksensoren an den Straßenlaternen erkennen, ob sich ein Fußgänger, Radfahrer oder Auto nähert und passen das Licht entsprechend an: Ist jemand im Bereich der Laterne, wird die Leistung der Lampe hochgefahren, ist die Straße leer, dimmt sie herunter – dieser Effekt wird auch „Light on demand“ genannt. „Die Gemeinde legt größten Wert auf Nachhaltigkeit bei allen städtischen Projekten“, betont Jean-Marc Pisters von der Gemeinde Schiedam. „Als wir die Beleuchtung einer der wichtigsten Straßen der Stadt erneuern mussten, entschieden wir uns für eine intelligente Straßenbeleuchtung. Sie erlaubt uns, Energie zu sparen und die öffentliche Sicherheit zu steigern.“ Die öffentliche Beleuchtung hat einen Anteil von rund 60 Prozent an den Stromkosten europäischer Städte.
Multifunktionale Service-Stationen
Doch Straßenlaternen können noch viel mehr, als nur im Dunkeln zu leuchten. Das zeigt der Energieversorger EnBW mit seiner intelligenten multifunktionalen Straßenbeleuchtung: Neben einer effizienten LED-Beleuchtung ist Sm!ght ein WLAN-Hotspot für drahtlosen Internetzugang, Ladestation für Elektrofahrzeuge, Notrufsäule für Hilfesuchende und Messstation für Umweltdaten. Technische Basis für die Vernetzung der Laternen und ihrer Sensoren sowie die Verarbeitung der Daten ist Azure, die Cloud-Plattform von Microsoft. „Mit Sm!ght zeigen wir, dass moderne Laternen deutlich mehr Funktionen anbieten können als nur effizientes Licht“, sagt Uli Huener, Leiter des Innovationsmanagements bei EnBW, der die Eigenentwicklung verantwortet. „Mit modernen Sensoren und der richtigen Cloud können wir aus einfachen Laternen multifunktionale Service-Stationen entwickeln.“ So liefern die an den Masten montierten Sensoren Informationen über Feinstaub und verknüpfen diese mit Wetterdaten, um beispielsweise über eine angepasste Verkehrsregelung die Umweltbelastung zu reduzieren. Auch die am Hotspot angemeldeten Mobiltelefone übermitteln nützliche Daten, die sich etwa für die Lenkung von Menschenströmen bei Sportveranstaltungen und Volksfesten einsetzen lassen. Die ersten dieser smarten Lampen stehen bereits in Karlsruhe und weiteren Städten Baden-Württembergs.
Nutzung der alten Infrastruktur
Wichtig für Kommunen, deren Budget meist eingeschränkt ist: Es müssen nicht völlig neue Laternen installiert werden, um die Straßenbeleuchtung fit für die Smart City zu machen. Das zeigt das Beispiel Brasov: Die siebtgrößte Stadt in Rumänien und eines der wichtigsten Ziele für Touristen hat die vorhandene Infrastruktur nicht ausgetauscht, sondern „nur“ upgedatet. Denn das zur Verfügung stehende Budget reichte nicht aus, um die rund 12.000 Hochdruckentladungs- gegen LED-Lampen auszutauschen. Daher bestand das vorrangige Ziel darin, die vorhandene Infrastruktur besser zu managen. Gleichzeitig sollten aber auch an den Masten installierte Überwachungskameras und Panikknöpfe die Sicherheit für die Bürger erhöhen. Dazu wird seit 2015 das Intellilight-System der rumänischen Firma Flashnet eingesetzt: Neben LoRaWAN als Kommunikationssystem für eine moderne Straßenbeleuchtungs-Lösung bietet das Unternehmen auch die Kommunikation über Powerline an. Hierbei werden die Daten der Laternen nicht über Funk übertragen, sondern über die vorhandenen Stromleitungen, die die Laternen mit Energie versorgen. Dadurch ist die Datenübertragung auch gut geschützt vor elektromagnetischen Störungen, die von den alten HID-Lampen ausgestrahlt werden. Die Beleuchtungs-Kontroll-Software überwacht nicht nur den Stromverbrauch jeder einzelnen Lampe, sodass Defekte schnell erkannt werden. Sie sorgt auch dafür, dass das Netz 24 Stunden mit Energie versorgt wird. Somit steht immer Strom für die an einigen Laternenmasten installierten Kameras und Panikknöpfe zur Verfügung. Auch deren Daten werden über Powerline an die Zentrale übermittelt. Zudem hat Brasov einige Masten mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausgerüstet – all das, ohne neue Stromleitungen verlegen oder neue Laternen aufbauen zu müssen.