Flugreisen mit Überschallgeschwindigkeit könnten bald wieder Realität werden – 20 Jahre nach der Concorde. Diesmal sollen sie jedoch umweltfreundlich und wirtschaftlich sein.
Fast zwei Jahrzehnte nach dem letzten Flug der Concorde könnten bald wieder Überschall-Verkehrsflugzeuge unterwegs sein. Mehrere Hersteller kündigen einen Start der kommerziellen supersonischen Flugzeuge für die nächsten Jahre an. Im Gegensatz zur Concorde sollen diese Jets jedoch möglichst geringe Umweltauswirkungen haben.
„Für die Concorde galten noch Luftfahrtregularien, die höhere Emissionen im Vergleich zu den im Unterschall fliegenden Flugzeugen erlaubten. Die neue Generation von Überschalljets wird sich nun an den konventionellen Flugzeugen messen lassen müssen“, erklärt Prof. Lars Enghardt, Leiter der Abteilung Triebwerksakustik im Institut für Antriebstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Hier werden aktuell die Umweltwirkungen einer zukünftigen Flotte von Überschallflugzeugen untersucht, um Daten für neue Zertifizierungsregeln festzulegen.
Ab einer Machzahl über Eins beginnt der Überschallbereich. In Reiseflughöhe muss ein Flugzeug dazu rund 1.000 Stundenkilometer schnell sein. Die aktuell schnellsten Business-Jets sind mit Mach 0,9 unterwegs. Die geplanten supersonischen Linienflugzeuge sollen im Reiseflug sogar Machzahlen zwischen 1,8 und 2,2 erreichen. Sie wären damit mehr als doppelt so schnell wie die derzeitigen Maschinen. Während es um die bereits vor einigen Jahren präsentierten Konzepte für Überschall-Passagierflugzeuge der großen Flugzeughersteller wie Boeing und Airbus ruhig geworden ist, treiben Newcomer-Unternehmen die Entwicklung vehement voran.
Überschall mit Öko-Kerosin
Allen voran Boom Supersonic: Das erst 2014 gegründete Unternehmen mit Sitz in Denver hat bereits Aufträge für 130 Exemplare seines Überschall-Verkehrsflugzeugs „Overture“ in den Büchern stehen. Overture soll 65 bis 80 Passagiere mit einer Geschwindigkeit von Mach 1,7 befördern – das ist doppelt so schnell wie die derzeit schnellsten Verkehrsflugzeuge – und hat eine Reichweite von 4.250 Seemeilen. Damit sollen 600 Routen rund um die Welt in nur der Hälfte der bisher üblichen Zeit bedient werden. Das heißt, Flüge von Miami nach London wären dann in knapp fünf Stunden und von Los Angeles nach Honolulu in drei Stunden möglich. Die Overture soll bereits in 2025 den Flugbetrieb aufnehmen und 2029 die ersten Passagiere befördern.
Das Unternehmen entwickelt dazu ein eigenes Triebwerk namens „Symphony“.
„Die Entwicklung eines Überschalltriebwerks speziell für Overture bietet bei Weitem den besten Nutzen für unsere Kunden“, meint Blake Scholl, Gründer und CEO von Boom Supersonic. „Mit dem Symphony-Programm können wir unseren Kunden ein wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiges Überschallflugzeug anbieten – eine Kombination, die mit den derzeitigen Beschränkungen herkömmlicher Triebwerke und Industrienormen nicht zu erreichen ist.“
Symphony wird ein maßgeschneidertes Design sein, das bewährte Technologien und Materialien nutzt, um optimale Überschallleistung und -effizienz zu erreichen. Das neue Antriebssystem von Overture soll zu 100 Prozent mit Sustainable Aviation Fuel (SAF) arbeiten – also ein Luftfahrttreibstoff, der aus nicht fossilen Rohstoffen nachhaltig hergestellt wird. Zudem soll das Triebwerk die Lärmgrenzwerte nach Chapter 14 einhalten, dem aktuell anspruchsvollsten Level in der Luftfahrtbranche.
„Wir glauben an eine Welt, in der mehr Menschen immer öfter an mehr Orte reisen können. Nachhaltiges Reisen mit Überschall erschließt neue Möglichkeiten für Geschäftsbeziehungen, Urlaubsperspektiven und Gelegenheiten für menschliche Kontakte.“
Blake Scholl, Gründer & CEO, Boom Supersonic
Lärmbelastung reduzieren
Die Lärmentwicklung stellt eine besondere Problematik bei Überschallflugzeugen dar, nicht nur wegen der leistungsstarken Triebwerke, sondern vor allem auch wegen des sogenannten Überschallknalls: Wenn sich ein Flugzeug mit Überschallgeschwindigkeit fortbewegt, entstehen Wellen von Luftdruckveränderungen. Diese Schockwellen sind noch in großer Entfernung als Knall wahrzunehmen. Dies war einer der Gründe, warum die Concorde nur über dem Meer mit Überschallgeschwindigkeit fliegen durfte. Um diesen Überschallknall zu reduzieren, arbeitet die NASA an einer speziellen Formgebung für Überschalljets: Das X-59 Quiet SuperSonic Technology X-plane der NASA ist so konstruiert, dass es schneller als die Schallgeschwindigkeit fliegt, ohne diesen Überschallknall zu erzeugen. Durch eine spezielle, extrem lang gestreckte Spitze sollen die Schockwellen so weit reduziert werden, dass das wahrgenommene Geräusch kaum mehr als ein dumpfes „Plopp“ ist – wenn man überhaupt etwas hört.
Fünffache Schallgeschwindigkeit
Neben Boom arbeiten noch weitere Start-ups an Überschall-Passagiermaschinen. So will Hermeus einen Jet bauen, der Mach 5 erreicht – bei dieser Geschwindigkeit würde ein Flug von New York nach Paris nur 90 Minuten dauern, verglichen mit den siebeneinhalb Stunden, die man heute noch unterwegs ist. Dabei will Hermeus die Betriebskosten niedrig halten, sodass die Ticketpreise für die Passagiere in einem erschwinglichen Rahmen bleiben können. Das soll durch die Kombination eines herkömmlichen Strahltriebwerks mit einem Ramjet erreicht werden.
Bei so einem Staustrahltriebwerk erfolgt die Kompression der dem Verbrennungsraum zugeführten Luft nicht durch bewegliche Teile wie Verdichter, sondern allein durch Ausnutzung der hohen Strömungsgeschwindigkeit des Gases selbst. Das Triebwerk von Hermeus ist auf dem Gebiet der Hyperschalltechnik einzigartig: Die meisten Hyperschallplattformen werden von einem Raketentriebwerk angetrieben. Dieser Ansatz erschwert jedoch die Wiederverwendbarkeit und ist für Passagierflüge wesentlich gefährlicher.
„Wenn es um Technologie geht, hören wir oft den Begriff ‚bahnbrechend‘“, so Generalmajor Heather Pringle, Kommandantin des Air Force Research Laboratory, das in Hermeus investiert hat. „Hyperschall-Flugzeuge und -Antriebssysteme sind jedoch wirklich bahnbrechend und werden die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, revolutionieren, so wie es die Automobile im letzten Jahrhundert getan haben.“