Mit der Entwicklung von flexibler, dehnbarer Elektronik lässt sich bereits heute Elektronik direkt in die Kleidung integrieren. Der nächste Schritt hin zu intelligenter Kleidung sind smarte Fasern, mit denen die Kleidung selbst zu Wearable-Technologie wird.
Damit Wearable Technology einen wirklichen Massenmarkt findet, muss sie nützlich, praktisch, schick und modisch sein. Da ist die nahtlose Integration in Textilien und Kleidung nur eine logische Weiterentwicklung der tragbaren Elektronik: Sensoren sitzen so immer nah am Körper, die Geräte sind komfortabler und weniger auffällig. Der Nutzer kann sein Wearable öfters und regelmäßiger nutzen, damit steigt die Qualität der vom Wearable gesammelten Daten. Laut den Marktanalysten von IDTechEx war das Jahr 2015 mit einem Marktvolumen von 100 Millionen Dollar ein Rekordjahr für Investitionen in smarte Kleidung und E-Textilien. In 2016 soll dieser Markt bereits 3 Milliarden Dollar wert sein.
Der Begriff „smarte Kleidung“ umfasst die unterschiedlichsten Technologien: Durch physikalische und chemische Veränderungen an der Oberfläche werden in Textilien Funktionen wie Leuchten, Heizen, das kontrollierte Freisetzen von Stoffen, temporäre Farb- oder Strukturänderungen, sensorische sowie aktuatorische Eigenschaften integriert. So gibt es bereits Jacken für Cabriofahrer mit integrierter Heizfunktion oder Sportlerkleidung, die erkennt, wenn es dem Träger zu warm wird, und über Formgedächtnislegierungen Lüftungsschlitze öffnet.
Die Integration von Elektronik und Mikrosystemtechnik in textile Materialien ermöglicht eine Reihe von Zusatzfunktionen für verschiedene Anwendungen. Die Chip-Hersteller haben dazu für den Wearable-Markt inzwischen spezielle Systems-on-Chip (SoC) entwickelt: Das Curie-Modul von Intel zum Beispiel ist so groß wie ein Knopf und umfasst Mikroprozessor, Bluetooth Low Energy Radio, Sensoren sowie Akkulader.
LED zum Aufbügeln
Modemacher experimentieren schon seit längerem mit in die Kleidung integrierten Lichtquellen. Miniaturisierte und energieeffiziente LEDs eignen sich in flexiblen, leichten und formbaren Textilien ideal für Lichteffekte. Einige Beispiele dieser „leuchtenden Mode“ konnte man in 2015 auf der Fashion-Show im Rahmen der Maker Faire Berlin sehen: Guido Burger schickte zum Beispiel ein Model mit einem sogenannten Social Skirt auf den Laufsteg. Der Clou: In dem Rock sind viele Bewegungssensoren eingearbeitet, die ein sich näherndes Smartphone erkennen und dann ihr Leuchtverhalten ändern. Lichtdesignerin Lina Wassong machte aus der Not eine Tugend: Auch sie wollte ein Kleid mit vielen bunten LEDs nähen, doch die vorhandene Technik frustrierte sie. Kurz entschlossen entwarf sie mit Freunden eine flache LED, die man einfach auf die Kleidung aufklebt oder aufbügelt. Mit einem Arduino – einem Open-Source-Mikrocontroller-Board – kann sie viele dieser winzigen Lämpchen individuell ansteuern und ihr Kleid wird zum Hingucker auf jeder Party.
Aufgedruckte Photovoltaik
Eher praktischen Nutzen hat es, wenn über die in die Kleidung integrierte Elektronik Energie gewonnen wird, um zum Beispiel das Smartphone oder andere Wearables mit Strom zu versorgen. So wie bei dem von Theresa Scholl entworfenen Textilprodukt „Pink Bionic“. Scholl studiert den Masterstudiengang Textile Produkte an der Hochschule Niederrhein und hat auf ihr Smart-Textile-Top ein Muster aus Leiterbahnen gedruckt, das das Sonnenlicht in Energie umwandelt. Über ein filigranes Stahlnetz wird der Strom an eine Speichereinheit weitergeleitet.
Biegsames Display
Ein weiterer wichtiger Schritt bei der Realisierung von smarter Kleidung ist die Integration eines Displays in den Stoff, über das der Nutzer mit dem Wearable interagieren kann. Forscher des niederländischen Holst Centers haben dazu das weltweit erste dehnbare und biegbare LED-Display vorgestellt, das auf Textilien laminiert werden kann. Das Display ist auf einem Polimid-Substrat aufgebracht und in Gummi gekapselt, so dass es sich auch waschen lässt. Die Technologie nutzt Produktionsprozesse, die bereits in der Fertigungsindustrie etabliert sind, so dass sie schnell in die Serienfertigung gehen kann. Die im August 2015 gezeigte zweite Generation des Displays hat eine Auflösung von 13 Pixel per Inch und eine durchschnittliche Helligkeit von mehr als 200 Candela pro Quadratmeter.
Die Jeans für das nächste Jahrhundert
Wirklich smart und komfortabel wird Kleidung, wenn Elektronik nicht erst integriert werden muss, sondern wenn der Stoff selbst die Funktionen ermöglicht. Schon vor einiger Zeit hatte ein Team um Huisheng Peng von der Fudan University zum Beispiel dehnbare, biegsame faserförmige Superkondensatoren für einen Einbau in elektronische Gewebe entwickelt. Und Google entwirft zurzeit zusammen mit dem Jeans-Hersteller Levis einen Stoff, mit dem die Hose zum Touchpad wird. Dabei werden feine, leitfähige Fäden in das Gewebe eingewoben. Sie erlauben es, maßgeschneiderte Berührungs- und gestensensitive Flächen an jeder gewünschten Stelle eines Kleidungsstücks einzuweben. Damit lassen sich auch ganze Sensornetze in eine Hose einarbeiten – so entstehen große interaktive Oberflächen. Sie sind mit einem Hauptprozessor verbunden, der alle Informationen verarbeitet und per WLAN an ein anderes Wearable weiterleitet. Über eine Berührung mit dem Finger wird die Jeans so zum Eingabegerät zum Beispiel für das Smartphone in der Hosentasche. Google hat das Projekt auf seiner Entwicklermesse Google I/O vorgeführt und bereits gezeigt, dass damit die normalen Funktionen eines Touchpads wie Maussteuerung und Gesteneingaben möglich sind.
(Bildnachweis: A.Berns/Th. Scholl)