Die Fabrik organisiert sich selbst

Die Umsetzung des Internets der Dinge in der industriellen Fertigung steht noch am Anfang. Es gibt noch viel Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Dennoch zeigen verschiedene erste Projekte bereits jetzt, welche interessanten Perspektiven die Industrie 4.0 für die Wertschöpfung ­bietet. 

Auf der letzten Hannover Messe, der größten internationalen Industriemesse, hat das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) vorgestellt, wie eine Produktion im Zeitalter des Internets der Dinge aussehen kann: Die Forscher zeigten anhand einer Demonstrationsanlage eine komplette exemplarische Produktionslinie für Schlüsselanhänger mit Taschenlampe. Der Fertigungsprozess beginnt in der Kommissionierstation. Hier erhält der Schlüsselanhänger seine individuellen Produktionsdaten und die produktionsspezifischen Parameter. Das Produkt führt diese Informationen während seines gesamten Lebenszyklus auf einem RFID-Chip mit sich. Während der Produktion findet ein Informationsaustausch zwischen dem Controller und anderen Automatisierungskomponenten wie Roboter, Werkzeugmaschinensteuerung usw. statt. Ein Roboter transportiert das Werkstück zur jeweils folgenden Arbeitsstation. Zwischen den einzelnen Arbeitsschritten wird der Fertigungsstatus auf dem intelligenten Produktgedächtnis aktualisiert. Die „smarten“, zur Kommunikation fähigen Produkte und Maschinen der Anlage sind dabei autonome Elemente mit einer lokalen Steuerungsintelligenz – sogenannte cyber-physische Systeme. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch individuelle Produktvarianten in geringer Stückzahl flexibel und effizient fertigen.

Vernetzung vermeidet Ausfälle

Bis eine derartig selbstorganisierte, wandelbare und dynamische Fabrik Produktionsalltag ist, wird es laut Expertenmeinung aber noch 15 bis 20 Jahre dauern. Definiert man eine „Smart Factory“ allerdings als eine sich selbststeuernde Produktion, in der die Fertigung selbstständig auf Änderungen oder Störungen reagiert und entsprechende Maßnahmen einleitet, findet man heute schon entsprechende Bausteine des Internets der Dinge im realen Industriealltag. Ein Beispiel hierfür ist die vorausschauende Instandhaltung (predictive maintenance). Darunter wird eine Instandhaltung von Maschinen verstanden, die bereits vor dem Auftreten einer Störung ansetzt. Hierbei wird die Vernetzung von Maschinen, Produkten und anderen am Produktionsprozess beteiligten Systemen genutzt. Zusätzlich erfassen Sensoren Zustandsdaten (wie Temperaturen oder Schwingungen) von Maschinenkomponenten. Diese Informationen werden mit Daten aus Drittsystemen, wie einer Unternehmens-Software, kombiniert und analysiert. So lassen sich auf Störungen hindeutende Muster rechtzeitig erkennen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Ein Beispiel hierfür ist die System- und Diensteplattform von Bosch Software Innovations: Über sie lassen sich sowohl alle Systeme und Dinge anbinden als auch alle Funktionen von der Datenanalyse bis hin zur regelbasierten Prozess-auslösung abwickeln.

Intelligente Komponenten existieren bereits

Auch entsprechende „intelligente“, mit Sensoren ausgestattete Komponenten, wie sie die vorausschauende Instandhaltung benötigt, gibt es bereits. Der schwedische Konzern SKF, Spezialist für Wälzlager, Dichtungen und Schmiersysteme, hat ein Lager entwickelt, das fortlaufend seine Betriebsbedingungen kommunizieren kann. Dazu wurde ein Sensor-Paket integriert, das kontinuierlich Drehzahl, Temperatur, Geschwindigkeit, Schwingungen und anderes erfasst. Die Lager nutzen die Anwendungsumgebung und erzeugen so die Energie für ihre Funktionen selbst. Zudem sind sie mit einem Modul zur drahtlosen Kommunikation ausgestattet. Die Kommunikation läuft dabei über eine drahtlose Schnittstelle von einem Lager zum nächsten. Die Lager fungieren somit als Netz-Knotenpunkte, die ihre relevanten Zustandsdaten in einem engmaschigen Netz von einem Knotenpunkt über den nächsten weiterreichen, bis sie am Ziel sind. Statt ein „Internet der Dinge“ also ein „Internet der Lager“…

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