Elektromotoren

Elektromotoren kommen in fast allen Gebäuden, Industrien und Infrastrukturen zum Einsatz. Tatsächlich sind sie weltweit der größte Einzelverbraucher von Strom. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission sind allein in Europa etwa acht Milliarden Elektromotoren im Einsatz. Diese verbrauchen fast 50 Prozent des in der EU erzeugten Stroms.

Die Modernisierung der Motoren der Welt ist essenziell im Kampf gegen den Klimawandel. Denn sie wird den CO2-Fußabdruck der Welt reduzieren. Stellen Sie sich vor, Sie würden der Welt sieben neue Amazonas-Regenwälder hinzufügen“, veranschaulicht Ryan Morris, Vorsitzender und CEO des Elektroantriebherstellers Turntide Technologies die Bedeutung energieeffizienter Antriebstechnologie. Turntide hat einen drehzahlvariablen Antrieb entwickelt. Dieser ist durch die Kombination einer modernen Computer- und Softwaresteuerung und mit einem geschalteten Reluktanzmotor rund 25 Prozent effizienter als herkömmliche Antriebe. Kunden haben die Effizienz ihrer Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen um bis zu 65 Prozent gesteigert. Dies erfolgte durch Ersetzen der alten Antriebe mit fester Drehzahl, durch die drehzahlvariablen von Turntide.

Zehn Prozent Strom mit Elektromotoren einsparen

Unabhängige Forschungsergebnisse zeigen, dass sich der weltweite Strombedarf durch den Austausch ineffizienter Antriebe durch optimierte, hocheffiziente Anlagen um bis zu zehn Prozent senken ließe. „Der Beitrag, den die Umstellung von Industrie und Infrastruktur auf diese äußerst energieeffizienten Antriebe und Motoren zu einer nachhaltigeren Gesellschaft leisten kann, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen“, betont daher auch Morten Wierod, Leiter des Geschäftsbereichs Antriebstechnik von ABB.

Weltweit gibt es verschiedene gesetzliche Vorgaben und regulatorische Rahmenbedingungen, um die Energieeffizienz elektrischer Antriebe zu steigern. In der Europäischen Union existiert zum Beispiel die Ökodesign-Verordnung (EU 2019/1781) mit strengen Anforderungen an die Energieeffizienz von Motoren und Drehzahlregelungen. Mit der Verordnung sollen bis 2030 jährlich 110 Terawattstunden eingespart werden, was dem Stromverbrauch der Niederlande entspricht. Dies bedeutet, dass jährlich 40 Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden und die jährlichen Energiekosten der Haushalte und der Industrie in der EU bis 2030 um rund 20 Milliarden Euro sinken werden. Die Richtlinie unterscheidet bei Elektromotoren vier Wirkungsgradklassen, deren aktuelle Grenzwerte bei IE1 (niedrigste Klasse) bis IE4 liegen. Analog zu den Motoren sind IE-Klassen für Umrichter und IES-Klassen für Umrichter-Motor-Kombinationen definiert.

Effizienter mit Drehzahlregelung

Der Einsatz von Komponenten mit hohem Wirkungsgrad bildet allerdings nur die Basis für ein Antriebssystem, das möglichst wenig Energie verbraucht. Das größte Potenzial lässt sich dann heben, wenn Antriebsauslegung und Bewegungsprofile dem tatsächlichen Prozessbedarf entsprechen. Die Nutzung von Umrichtern zur Anpassung der Leistung oder die Einspeisung der Bremsenergie in den Zwischenkreis sind weitere Optimierungsmöglichkeiten. So können drehzahlgeregelte Antriebe den Energieverbrauch um 30 bis 50 Prozent senken, indem sie genau die Leistung zur Verfügung stellen, die tatsächlich benötigt wird.

Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle hat zum Beispiel die Lüfterantriebe für seine 30 Rauchkammern durch moderne IE4-Antriebspakete ersetzt. Statt der alten zweistufigen, polumschaltbaren Asynchronmotoren werden die Lüfter jetzt durch eine Kombination eines Synchronreluktanzmotor und Frequenzumrichter angetrieben. Der Motor verfügt über einen Rotor, der im Gegensatz zur herkömmlichen Synchronmotor-Konstruktion ohne Magnete oder Wicklungen auskommt. Rotorbedingte Leistungsverluste, die rund 40 Prozent der Energieverluste eines Elektromotors ausmachen, gibt es dadurch fast keine mehr. Insgesamt konnten so fast 50 Prozent Energie eingespart werden. Die Investition amortisierte sich dadurch für die Rügenwalder Mühle schon nach etwas mehr als einem Jahr.

Strom sparen mit Leistungselektronik

IE4-Motoren gibt es aber auch in vielen anderen Motortypen. Bei Drehstrom-Asynchronmaschinen genauso wie bei Motoren mit Permanentmagneten oder bei EC-Motoren (EC = Electronically Com mutated). Die Motoren können alle mit einem Frequenzumrichter kombiniert werden und so als drehzahlvariabler Antrieb fungieren. Teils benötigen sie grundsätzlich für den Betrieb sogar einen elektronischen Regler wie den EC-Motor oder den Synchronreluktanzmotor. Damit spielt hier die Leistungselektronik eine große Rolle bei der Energieeffizienz des Gesamtsystems. Die Marktanalysten von Navigant gaben daher schon vor einigen Jahren die Empfehlung, Wide-Bandgap-Halbleiter, vor allem auf Basis von Siliziumcarbid, anstelle von herkömmlichen Halbleitern zu verwenden.

Was dieses Material leisten kann, zeigt ein Antrieb, den der Automobilzulieferer Marelli zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM für die Formel E entwickelt hat. Die extrem kompakte Leistungsstufe auf Basis von Siliziumcarbid ermöglicht im Vergleich zu einem siliziumbasierten Aufbau gleicher Leistung einen Umwandlungswirkungsgrad von bis zu 99,5 Prozent. Außerdem reduziert sie Gewicht und Größe um die Hälfte und besitzt eine um 50 Prozent höhere Wärmeableitung in das Kühlsystem.

„Industrielle Energieeffizienz bietet gegenüber anderen Schwerpunktbereichen das größte Einzelpotenzial zur Bekämpfung des Klimanotstands“, so das Fazit von ABB-Manager Morten Wierod. „Sie ist im Grunde die unsichtbare Lösung für das Klimaproblem unserer Welt.“

 

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