Denkt man heute an Drohnen, ist dies oft mit einem gemischten Gefühl verbunden. Doch Technologien, die ein autonomes Fliegen ermöglichen, helfen auch, Menschenleben zu retten.
Flug DL1889, Anfang August 2015: Der Airbus A320 geriet in eine heftige Gewitterzelle über dem Bundesstaat Colorado. Das Flugzeug wurde von starken Turbulenzen durchgeschüttelt, große Hagelkörner schlugen auf den Rumpf ein und beschädigten die Flugzeugnase, in der das GPS-System untergebracht war. Nicht nur das – die Hagelkörner hatten zudem die Scheiben des Cockpits zertrümmert. Übersät von feinen Rissen, konnten die Piloten kaum noch durch sie hindurchschauen. Eine heikle Situation, doch dank moderner Elektroniksysteme keine wirklich kritische. Denn die Piloten konnten ihren Airbus per Autopilot landen. Dabei orientierte sich das Flugzeug an Leitstrahlen vom Flughafen, per Radarhöhenmesser konnte das System die Höhe ermitteln und bei der Landung das Flugzeug selbsttätig abfangen und aufsetzen. Selbst nach dem Aufsetzen folgte der Flieger weiter dem Leitstrahl und rollte auf der Landebahnmitte zu seinem Gate. Diese Episode zeigt deutlich, was moderne Autopilot-Systeme heute leisten können.
Automatisch von Start bis Landung
Bei einem derartig automatisierten Flug arbeiten viele verschiedene Systeme zur Kontrolle der Lage, der Triebwerke, zur Positionsbestimmung und vielem mehr zusammen. Früher nutzte jedes dieser Systeme einen eigenen Rechner, heute dagegen werden sie zunehmend auf ein und demselben Prozessor ausgeführt. Das spart nicht nur Gewicht, sondern das Gesamtsystem kann auch viel komplexere Aufgaben übernehmen, da eine Vielzahl von Daten im direkten Zugriff ist. Damit ist es theoretisch möglich, einen Flug vom Start bis zur Landung komplett automatisch durchzuführen. Noch sind allerdings Passagierflüge ohne Pilot alleine schon wegen der psychologischen Hemmschwelle der Passagiere utopisch – doch Anwendungen im Kleinen zeigen, dass es funktioniert.
So testet das Logistikunternehmen DHL schon seit längerem Mikro-Drohnen, um Pakete auszuliefern. Der Parcelcopter von DHL absolvierte bereits erfolgreiche Tests, bei dem er im Linienbetrieb vom Festland bis zur Insel Juist rund zwölf Kilometer vollständig autonom flog. Auch der Versandhändler Amazon plant, Drohnen für den Versand kleinerer Lieferungen einzusetzen. Was zuerst wie ein Marketing-Gag klang, ist ernst gemeint: Im März 2015 erhielt das Unternehmen von der US-amerikanischen Luftfahrtbehörde eine Lufttüchtigkeitsbestätigung für ein experimentelles unbemanntes Luftfahrzeug. Im April reichte der Konzern dann einen Patentantrag für eine Drohne ein. Das dort beschriebene unbemannte Luftfahrzeug soll acht Rotoren besitzen und selbstständig Waren von einem Umschlagplatz abholen sowie die Route zum Empfänger berechnen können. Der Empfänger soll nicht an einen festen Ort gebunden sein, sondern die Lieferdrohne bringt das Paket zum jeweils aktuellen Standort. Laut Patentantrag könnte die Drohne die Informationen dazu über Smartphones oder andere Geräte erhalten, die mit GPS arbeiten und mit WLAN oder einem Mobilfunknetz verbunden sind. Die Amazon-Drohne soll sich auch mit anderen Drohnen abstimmen können, um so Wetterdaten oder Verkehrsinformationen in ihre Routenplanung mit einzubeziehen. Doch noch befindet sich das gesamte Projekt in einer frühen Testphase. Bis Amazon tatsächlich mit dem Lieferservice „Prime Air“ Bestellungen verschickt, dürften noch Jahre vergehen.
Mini-Hubschrauber erfüllt Aufgaben autonom
Doch in anderen Bereichen werden selbstständig fliegende Drohnen bereits seit längerem eingesetzt. Wie zum Beispiel das Camcopter S-100 Unmanned Air System der österreichischen Firma Schiebel: Von einem, auf bewährten Algorithmen und Flugsteuermethoden basierenden, dreifach redundanten Bordcomputer gesteuert, erfüllt der S-100 seine Aufgaben von Start bis Landung voll autonom. Redundante Trägheitsnavigationssysteme (INS) und globale Positionierungssysteme (GPS) garantieren präzise Navigation und Stabilität in allen Flugphasen. Die Planung und Steuerung von Missionen erfolgt per Mausklick auf einer grafischen Benutzeroberfläche, von den Kameras erfasste Bilddaten werden in Echtzeit an die Bodenstation übertragen. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Hubschrauber-Drohne sind vielseitig.
Rettung aus Seenot
Aktuell wird ein S-100 von der Hilfsorganisation Migrant Offshore Aid Station (MOAS) eingesetzt, um Flüchtlinge in Seenot zu retten. MOAS, eine registrierte gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Malta, verfügt über ein 40 Meter langes Schiff, genannt Phoenix, auf dem der S-100 stationiert ist und das zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen eingesetzt wird. Durch den S-100 wird der bislang durch den Horizont begrenzte Sichtbereich der Phoenix deutlich erweitert. Die Kamera des unbemannten Hubschraubers liefert Tageslicht- und Infrarotaufnahmen in Echtzeit an das Team von MOAS. Flüchtlingsboote können nun bei Tag und bei Nacht, selbst bei starkem Seegang und in großer Entfernung ausgemacht werden. Ein weiteres Beispiel dafür, dass smarte Systeme in Fluggeräten helfen können, Menschenleben zu retten …
(Bildnachweis: Deutsche Post DHL Group)