Die Smart City ist die Antwort auf die zunehmende Urbanisierung weltweit. Durch die Nutzung der unterschiedlichsten, miteinander vernetzten Technologien und Prozesse soll sie weniger Ressourcen verbrauchen, den Bürgern mehr Teilhabe ermöglichen und die negativen Folgen der wachsenden Stadtbevölkerungen mindern.
Laut einer Prognose der Weltbank werden im Jahr 2050 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. In den Schwellen- und Entwicklungsländern benötigt die Stadt der Zukunft dafür eine intelligente, effiziente und kostengünstige Infrastruktur. In den Industrienationen fordern die Bürger dagegen vor allem Lebensqualität, Nachhaltigkeit und attraktive Infrastrukturen für die Wirtschaft. Die Lösung hierfür sollen Smart Cities bringen.
Ausgangspunkt sind Informationen
„Dank der von Sensoren gesammelten Daten können Smart Cities mit ihren Bewohnern und Unternehmen interagieren und sie beteiligen, das schafft ein kollaboratives Umfeld“, meint Bettina Tratz-Ryan, Vizepräsidentin Research beim Marktforschungsunternehmen Gartner. In Singapur zum Beispiel identifizieren Sensoren in Bushaltestellen Passagiere mit speziellen Bedürfnissen – unter anderem werden Busse frühzeitig angekündigt, sodass ältere Menschen sich rechtzeitig für die Abfahrt bereit machen können. In Malaga oder auch Madrid registrieren mit Umweltsensoren ausgerüstete Fahrräder oder Post-Handwagen Luftverschmutzungen, wobei die Daten in ein öffentlich zugängliches Web-Portal hochgeladen werden. „Bürger können aktiv zur Entwicklung und strategischen Ausrichtung ihrer Stadt beitragen“, ergänzt Tratz-Ryan. „Gleichzeitig werden die Unternehmen stärker befähigt, die Sensordaten zu nutzen, um einen Mehrwert zu schaffen.“
Viele verschiedene Ansätze
Eine einheitliche Definition, was genau eine Smart City ist, existiert nicht. Die einen verstehen darunter vor allem eine Stadt mit einer umfassenden Infrastruktur an Informations- und Kommunikationstechnologien. Bei anderen steht eine dezentrale, regenerative Energieerzeugung im Fokus. Und bei den nächsten drückt sich Smartness durch autonomes Fahren in einem Carsharing-Programm mit App-gesteuertem Parkmanagementsystem aus. Einen recht umfassenden Ansatz hat die Europäische Union: Sie versteht unter einer Smart City eine Stadt, die, unterstützt durch Digitalisierung und Telekommunikation, ihre Netzwerke und Dienstleistungen effizienter gestalten kann und so zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Zukunft der Bürger und Unternehmen beiträgt.
Die stärkere Stadt
Die Ziele einer Smart City ähneln sich jedoch bei allen Definitionen: Die Lebensqualität der Bürger und ihre gesellschaftliche Teilhabe soll verbessert werden. Ein wichtiges Ziel ist auch die Verringerung der Nutzung endlicher Ressourcen und die Etablierung erneuerbarer Energien. Zur Smart City gehört zudem die Schaffung einer transparenten Entscheidungsstruktur für kommunale Prozesse. Zu guter Letzt soll die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts dauerhaft erhalten oder sogar erhöht werden. Das große übergeordnete Ziel lautet jedoch vor allem, die Überlebens-, Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit der Stadt zu stärken und negative Folgen der Urbanisierung zu mindern oder zu vermeiden.
Ein sich anpassender Organismus
Die Vielfalt der Definitionen spiegelt die Vielfalt der Herausforderungen: „Fest steht, dass bisherige, scheinbar autark voneinander existierende Lebens- und Technologiefelder künftig immer enger miteinander verbunden werden“, erläuterte Joachim Lonien, Projektmanager beim Deutschen Institut für Normung (DIN). Sein Institut hat eine Normungs-Roadmap entwickelt, mit der eine durchgängige Interoperabilität der Teilsysteme einer Smart City international sichergestellt werden soll. Denn gleich ob bestehende, historisch gewachsene Städte, beispielsweise in Europa, oder boomende neue Städte in den Entwicklungs- und Schwellenländern – sie alle haben ähnliche technologische Herausforderungen.
Die Umsetzung der Lösungen kann und muss allerdings immer individuell angepasst werden, um einerseits effizient zu sein, andererseits auch den Charakter der Städte, die Individualität und damit die Lebensqualität der Menschen, die darin wohnen, beizubehalten. Denn die Smart City ist eine Stadt, die sich den Bewohnern und ihren Bedürfnissen anpasst. Sie ist wie ein lebendiger, denkender Organismus, der gleichzeitig Plattform und Akteur ist. Laternen leuchten dann, wenn jemand die Straße entlang-läuft oder -fährt. Ruhemöglichkeiten im Park mit WLAN bieten jedem die Möglichkeit, im Grünen einzukaufen oder Mails zu beantworten. Autonom fahrende Autos bringen ihre Passagiere sicher von A nach B. Das Smart Home stimmt Heizung und Jalousien auf die Bedürfnisse der Bewohner ab und trägt so dazu bei, Ressourcen zu sparen. Das ist keine Zukunftsmusik. Dank der rasanten Technologieentwicklung in den letzten Jahren ist heute schon vieles davon Realität.