Schon in wenigen Jahren wird jedes neue Fahrzeug mit elektronischen Co-Piloten ausgerüstet sein. Sie verarbeiten sowohl Informationen vom Inneren des Autos als auch von dessen Umgebung für Komfort- sowie Assistenzsysteme.
Wir bringen dem Auto bei, sich selbstständig durch den Straßenverkehr zu bewegen“, so Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung. „Automatisiertes Fahren macht den Straßenverkehr sicherer. Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel dazu. Das Auto wird schlau“, ist sich der Bosch-Chef sicher. Dazu entwickelt das Unternehmen zurzeit einen Fahrzeugcomputer mit KI: Mit ihm sollen automatisiert fahrende Autos auch durch komplexe und für das Auto neue Verkehrssituationen lenken können.
Wissen per Update übertragen
Der KI Autocomputer weiß, wie Fußgänger oder Fahrradfahrer aussehen. Neben dieser sogenannten Objekterkennung erleichtert Künstliche Intelligenz auch die Situationserfassung von automatisiert fahrenden Fahrzeugen. Blinkende Autos beispielsweise wechseln mit höherer Wahrscheinlichkeit die Spur als nicht blinkende. So kann ein selbstfahrendes Auto mit KI komplexe Verkehrssituationen wie das Abbiegen eines vorausfahrenden Fahrzeugs erkennen, beurteilen und für den eigenen Fahrweg berücksichtigen. Das beim Fahren erlernte Wissen speichert der Computer auf künstlichen neuronalen Netzen. Experten überprüfen das Wissen im Labor auf ihre Richtigkeit. Nach weiteren Tests auf der Straße lassen sich die künstlich erzeugten Wissensstrukturen per Update auf beliebig viele andere KI Autocomputer übertragen.
Assistenten erkennen Sprache, Gesten und Gesichter
Beim Bau des zentralen Fahrzeugcomputers will Bosch auch mit dem US-amerikanischen Technologieunternehmen Nvidia kooperieren. Nvidia soll Bosch einen Chip liefern, auf dem die mit maschinellen Lernverfahren erzeugten Algorithmen für die Fahrzeugbewegung gespeichert sind. Wobei laut Nvidia-Gründer Jensen Huang KI im Auto nicht nur für das automatisierte Fahren eingesetzt werden wird: „Schon in wenigen Jahren wird jedes neue Fahrzeug über KI-Assistenten für Sprache und Gesten-, Gesichtserkennung oder Augmented Reality verfügen.“ So hat der Chip-Hersteller auch mit Volkswagen bei der Entwicklung eines intelligenten Co-Piloten für den Elektro-Microvan I.D.Buzz zusammengearbeitet: Er soll Sensordaten sowohl vom Inneren des Autos als auch von dessen Umgebung für Komfort- sowie Assistenzsysteme verarbeiten. Diese Systeme können sich im Zuge weiterer Entwicklungen beim autonomen Fahren neue Fähigkeiten aneignen. Dank Deep Learning kann das Auto der Zukunft lernen, sowohl Situationen präzise einzuschätzen als auch das Verhalten von anderen Verkehrsteilnehmern zu analysieren.
Mit 2D-Kameras das Umfeld dreidimensional erkennen
Voraussetzung des automatisierten Fahrens ist ein möglichst exaktes Abbild der Umgebung. Neue Kamerasysteme nutzen dazu auch KI. So hat ein Projektteam von Audi Electronics Venture eine Monokamera entwickelt, die durch Künstliche Intelligenz ein hochpräzises 3D-Modell der Umgebung generiert. Als Sensor dient eine handelsübliche Frontkamera. Sie erfasst den Bereich vor dem Auto in einem Winkel von etwa 120 Grad und liefert 15 Bilder pro Sekunde mit 1.3 Megapixel Auflösung. Diese Bilder werden daraufhin in einem neuronalen Netz verarbeitet. Dort findet auch die sogenannte semantische Segmentierung statt. Dabei wird jedem Pixel eine von 13 Objektklassen zugeordnet. Dadurch kann das System andere Pkw, Lkw, Häuser, Fahrbahnmarkierungen, Menschen und Verkehrsschilder erkennen und unterscheiden. Auch für die Abstandsinformationen nutzt das System neuronale Netze. Die Visualisierung erfolgt hier über sogenannte ISO-Linien – virtuelle Begrenzungen, die einen konstanten Abstand definieren. Mit dieser Kombination aus semantischer Segmentierung und Tiefenschätzung entsteht ein präzises 3D-Modell des realen Umfelds. Mithilfe von „unsupervised learning“ wurde das neuronale Netz im Vorfeld trainiert: Das neuronale Netz bekam zahlreiche mit einer Stereokamera aufgenommene Videos von Straßensituationen zu sehen. Daraufhin lernte das Netz, eigenständig die Regeln zu verstehen, mit denen es aus den Bildern der Monokamera 3D-Informationen erstellt.
Auch Mitsubishi Electric hat ein Kamerasystem entwickelt, das KI nutzt. Es soll Fahrer in kommenden spiegellosen Fahrzeugen vor möglichen Gefahren warnen und besonders beim Spurwechsel helfen, Unfälle zu vermeiden. Das System nutzt ein neues Rechenmodell für visuelle Erkennung, das das Sehen des Menschen nachahmt: Es erfasst nicht detailliert die gesamte Szenerie, sondern konzentriert sich schnell auf spezifische interessante Bereiche innerhalb des Sichtfelds. Die relativ simplen Algorithmen für visuelle Erkennung der eingesetzten KI schonen die Systemressourcen des On-Board-Rechners. Dennoch kann das System zwischen Objekttypen wie Fußgängern, Pkw und Motorrädern unterscheiden. Im Vergleich zu herkömmlichen kamerabasierten Systemen kann die Technologie die Höchstentfernung der Objekterkennung von heute rund 30 Metern auf 100 Meter deutlich erweitern. Außerdem kann sie die Genauigkeit der Objekterkennung von 14 Prozent auf 81 Prozent verbessern.
KI wird zum Wettbewerbsfaktor
Mit den immer häufiger implementierten intelligenten Assistenzsystemen wird KI zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Autohersteller. Das gilt bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz für autonomes Fahren ebenso wie in der Entwicklung moderner Mobilitätskonzepte, die auf KI basieren. Fast 70 Prozent der Kunden sind laut McKinsey schon heute bereit, für bessere Features bei assistiertem und autonomem Fahren die Marke zu wechseln. Dominik Wee, Partner im Münchener Büro von McKinsey rät daher: „Insbesondere Premiumhersteller mit ihren anspruchsvollen Kunden sollten einen technischen Vorsprung auch bei KI-basierten Anwendungen demonstrieren, zum Beispiel in der sprachbasierten Interaktion mit dem Fahrzeug oder bei der Parkplatzsuche.“