Überall auf dem Globus werden zurzeit Smart Cities realisiert. Die Oberbürgermeister von Städten in Deutschland, Luxemburg und Korea berichten über ihre Projekte auf dem Weg zu einer intelligenten, lebenswerten Stadt.
Lydie Polfer: Luxemburg
Einwohner: ca. 115.000
Fläche: ca. 52 km
Dieter Reiter: München, Deutschland
Einwohner: ca. 1,45 Mio.
Fläche: ca. 310 km2
Yoo Jeong-bok: Songdo City, Südkorea
Einwohner: ca. 3 Mio.
Fläche: ca. 1.029 km2
1. Was ist an Ihrer Stadt „smart“ im Sinne einer Smart City?
Lydie Polfer: Die Stadt Luxemburg ist „smart“ wegen ihrer internationalen und multikulturellen Bevölkerung: In der Tat hat Luxemburg mehr als 69 Prozent nichtluxemburgische Einwohner und Menschen aus mehr als 160 verschiedenen Ländern, die harmonisch und in gegenseitigem Respekt miteinander leben.
Dieter Reiter: Bei unserem Smart-City-Projekt „Smarter Together“ geht es im Kern darum, Neues mit bereits Geplantem zu verbinden. Es ist vor allem ein kooperatives Projekt, bei dem München und die anderen beteiligten Städte und unsere Partner aus Technologie und Wissenschaft sowohl voneinander lernen als auch die Projektbausteine gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern weiterentwickeln – auch und gerade dieser interdisziplinäre und zugleich lokal vor Ort wirksam werdende Austausch ist ein „smarter“ Mehrwert.
Yoo Jeong-bok: Für die Schaffung einer IT-basierten, intelligenten Stadt bemüht sich Incheon zurzeit darum, die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt sicherzustellen, und hat alle möglichen topaktuellen IT-Technologien integriert – wie etwa selbstorganisierende Breitbandnetzwerke, intelligente Gebäudesysteme, geografische Informationssysteme und intelligente Verkehrssysteme. Auf dieser Grundlage verfügt die Stadt über die Fähigkeit, ein Umfeld zu schaffen, das zweckmäßiger und wirtschaftlicher ist.
2. Welche Rolle spielt dabei die Nachhaltigkeit? Ist ein Stadtwachstum möglich, ohne die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden?
Lydia Polfer:Nachhaltigkeit spielt eine sehr wichtige Rolle. Wir müssen sicherstellen, dass zukünftige Generationen von derselben Lebensqualität profitieren, die wir heute kennen. Die Bedürfnisse und Erwartungen der zukünftigen Generationen zu steigern und zu erfüllen – die sich kontinuierlich entwickeln und verändern –, ist eine große Herausforderung, die die Stadt Luxemburg bereit ist anzunehmen, um reibungsloses und „smartes“ Wachstum zu garantieren.
Dieter Reiter: Wir möchten mehr als 20 Prozent CO2 einsparen, mehr als 20 Prozent erneuerbare Energien nutzen und die Energieeffizienz um mehr als 20 Prozent steigern. Dazu arbeiten wir am Aufbau von Niedrigenergiequartieren, an der Sanierung von Wohnanlagen sowie der Entwicklung von innovativen Mobilitätskonzepten.
Yoo Jeong-bok: Bei der Fortsetzung des Projekts „Smart City“ gab es verschiedene Herausforderungen wie die digitale Kluft zwischen den neuen Stadtteilen und der Altstadt. Aber durch die von uns auf Weltklasse-Niveau errichtete IT-Infrastruktur wurde stadtweit eine „Smart City“ sowohl für die Altstadt als auch für die Freiwirtschaftszone Incheons realisiert. Dadurch wird ein nachhaltiges Wachstum der Stadt gesichert und den Bürgern werden sichere und günstige Dienstleistungen zur Verfügung gestellt.
3. Wo liegt der Fokus Ihres Smart City Projektes
Lydia Polfer: Die Projekte „Smart City“ umfassen viele Themengebiete, aber sie konzentrieren sich insbesondere auf Telekommunikation und den Zugang zu Informationen, Mobilität, Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und die Umwelt. All diese Projekte haben das Ziel, das Leben der Menschen einfacher zu gestalten. Die Bedürfnisse der Menschen stehen stets im Mittelpunkt der Betrachtungen und Bemühungen der Stadt.
Dieter Reiter: Bei „Smarter Together“ geht es um energieeffiziente Quartiere, nachhaltige Mobilitätskonzepte und digital vernetzte Infrastrukturen und Dienste, wie öffentliches WLAN oder „intelligente Straßenlaternen“. Mobilitätsstationen werden die flexible und individuelle Fortbewegung im Quartier spürbar verbessern, sei es durch Lastenfahrräder, E-Bikes oder integrierte Car-Sharing-Angebote. Über zentrale Infosäulen und eine Quartiers-App werden die Bürger über all das informiert.
Yoo Jeong-bok: Bis Ende 2014 war die Errichtung der IKT-Infrastruktur abgeschlossen. Jetzt wird die zweite Phase des Projekts umgesetzt. Dadurch wollen wir eine IT-basierte, intelligente Stadt schaffen, wo wir Informationen über Aspekte wie Infrastruktur- und Wohneinrichtungen aus allen Teilen der Stadt austauschen können.
4. Wie profitieren Ihre Bürger davon?
Lydia Polfer: Die Stadt Luxemburg verbessert ihre Anwendungen kontinuierlich und passt sie den Bedürfnissen der Nutzer an, z. B., um Echtzeitinformationen über öffentliche Transportmittel oder freie Parkplätze zur Verfügung zu stellen, um Formulare oder Dokumente zu bestellen, um Probleme an die Stadtverwaltung zu übermitteln.
Dieter Reiter: Im Mittelpunkt steht eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität der Bürger im Quartier. In Neuaubing-Westkreuz werden sie als künftige Nutzerinnen und Nutzer gemeinsam mit Unternehmen und örtlichen Umsetzern die Lösungen entwickeln. Co-Creation nennen dies die Fachleute. Dies geschieht bei uns in unserem „Stadtteillabor“.
Yoo Jeong-bok: Unsere smarten Technologien werden sich auf das Konzept der „Öko-Stadt“ (‚eco city‘) ausweiten, um die Natur zu schützen und den Bürgern eine ansprechende städtische Infrastruktur zu bieten. Um den Problemen gerecht zu werden, die im Prozess der Stadtentwicklung verursacht wurden, wie Verschmutzung und Abfall, werden wir Öko-Bauten und ökologische IT-Technologien einführen, die den Bürgern ermöglichen werden, in einer umweltfreundlichen Umgebung zu leben.
5. Was ist in Ihren Augen die wichtigste Technologie, um eine Smart City zu realisieren?Lydia Polfer: Eine technologische Infrastruktur, welche die Entwicklung von Hochleistungsanwendungen ermöglicht, schneller Datenverkehr und die Verarbeitung von großen Datenmengen kombiniert mit einem effizienten und sicheren Netzwerk, sind unerlässlich, um eine „Smart City“ zu schaffen. Die Stadt verfügt über ein eigenes faseroptisches Netzwerk und ein Wi-Fi-Netzwerk, das beinahe jedes Stadtviertel abdeckt. Die Stadt hält es für äußerst wichtig, dass die öffentlichen Daten der Stadtverwaltung den Bürgern zugänglich gemacht werden. Die Stadt hält an ihren Bemühungen im Bereich der offenen Daten fest und arbeitet ständig daran, die Bürger mit Informationen zu versorgen, die diesen wichtig sind.
Dieter Reiter: Unter dem Begriff „Integrierte Infrastrukturen“ können viele bereits existierende Systeme verbunden werden: Wir entwickeln dazu eine Smart-Data-Management-Plattform. Hierauf lassen sich wichtige Informationen sammeln. Das kann unsere Arbeit in der Planung erleichtern und den Bürgern helfen, die sich dies alles über die Quartiers-App anzeigen lassen können.
Yoo Jeong-bok: In einer „Smart City” werden Informationen, die an unterschiedlichen Terminals, Überwachungskameras und Sensoren erhoben werden, verarbeitet, analysiert und verteilt. Das Wichtigste ist, diese verschiedenen Dienste durch eine Plattformlösung auf der Basis von IdD zu integrieren. Zu diesem Zweck hat die Freiwirtschaftszone Incheons (IFEZ) im Jahr 2012 eine öffentlich-private Partnerschaft ins Leben gerufen und eine IFEZ-integrierte Plattform entwickelt. Jedes Netzwerk ist ein selbstorganisierendes Breitband-Netzwerk, das ein hohes Datenvolumen verarbeitet. Es erzeugt Informationen mit großem Mehrwert, indem es alle Daten verarbeitet, die im Smart City Operation Center erfasst werden.
6. Welche Rolle werden Smart Cities nach in der Zukunft spielen?
Lydia Polfer: Die Menschen zeigen immer mehr Interesse für Innovation und fordern Transparenz, Zugang zu Informationen und Teilnahme an Projekten und Entscheidungsfindung. Daher werden die Städte, die sich selbst als „Smart City“ positionieren wollen, Projekte entwickeln müssen, die diesem Bedürfnis Rechnung tragen, um nicht nur für die eigenen Bürger, sondern auch für Arbeitgeber, Investoren und Touristen attraktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Dieter Reiter: Smart Cities sind sicherlich ein wesentlicher Baustein der künftigen Stadtentwicklung, der gleichwohl erst auf seine Praxistauglichkeit und seinen konkreten Nutzen für die Bürgerschaft hin erprobt werden muss. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist zugleich auch planerisch oder gesellschaftlich sinnvoll.
Yoo Jeong-bok: Mit dem Projekt „Smart City“ werden wir eine IT-basierte, intelligente Stadt schaffen, in der Informationen, die aus allen Teilen der Stadt erfasst werden, auch aus Infrastruktur- und Wohneinrichtungen, ausgetauscht werden können. Dies wird zur Realisierung einer Umwelt beitragen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht.