Die Realisierung einer Smart City benötigt Elektroniklösungen und Fachwissen aus den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern. Karl Lehnhoff, Director des Marktsegments Smart Grid bei EBV Elektronik, sieht sein Unternehmen hier mit den vertikalen Vertriebssegmenten gut aufgestellt. Sein Wunsch: Zukünftige Smart-City-Projekte direkt mit Städten und Gemeinden umzusetzen.
Wie definieren Sie eine Smart City?
Karl Lehnhoff: Für mich steht im Fokus, ein intelligentes und vernetztes, nachhaltiges Städtekonzept zu entwickeln. Ziel ist es, zum einen Kosten und den Energieverbrauch zu reduzieren, zum anderen aber auch, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Der Mensch sollte immer im Vordergrund stehen.
Ab wann ist eine Stadt überhaupt „smart“?
K. L.: Eine Grundlage dazu ist sicherlich, dass die Stadt vielfältige Informationen zum Geschehen in ihr sammelt und für verschiedenste Anwendungen zur Verfügung stellt. Interessant ist, dass in den Städten schon zahlreiche Daten erfasst werden, zum Beispiel von Stadtwerken oder von der Verkehrstechnik. Sie werden nur nicht über ein öffentliches Portal zur Verfügung gestellt und können daher heute noch nicht miteinander verknüpft und nutzbar gemacht werden. Und mit dieser Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Bereichen beginnt die eigentliche Intelligenz einer Smart City.
Was macht die Smart City für Sie als Elektronik-Distributor so spannend?
K. L.: Wir haben ja bereits Kunden, die Elektroniklösungen für Städte entwickeln – wie Umweltsensoren oder Ampelsteuerungen. Der Markt ist also nicht neu für uns. Mit der Smart City kommen aber viele neue Applikationen hinzu. Dazu wird sicherlich weitere Sensorik benötigt. Vor allem aber ist Kommunikationstechnologie erforderlich, sodass in der Stadt ein Internet der Dinge entstehen kann.
Damit sind wir dann beim Thema Datenschutz …
K. L.: Richtig – für EBV ist Cybersecurity ein wichtiges Thema bei der Kundenberatung wie auch im Portfolio. Wir bieten dazu beispielsweise spezielle Sicherheits-Chips, wie man sie auch von der EC-Karte kennt – diese Technologien werden jetzt auch in IoT-Anwendungen eingesetzt.
Viele Menschen begegnen einer Smart City wegen des Datenschutzes mit Vorbehalt – sie befürchten den gläsernen Bürger. Wie kann man dem begegnen?
K. L.: Angst kommt immer auf, wenn Innovationen im Alltag eingeführt werden. Aber wenn wir nicht weiter innovativ sind, bleiben wir auf einem gewissen Level stehen. Außerdem – wenn man bedenkt, wie offen viele Menschen ihre Daten in Social Media preisgeben, dann kann die Angst der Menschen anscheinend nicht wirklich so groß sein … Aber zurück zur Smart City: Hier handelt es sich ja in der Regel nicht um personalisierte Daten. Personenbezogene Daten, etwa aus Healthcare-Anwendungen, haben natürlich nichts in einem offenen Portal zu suchen. Aber wir brauchen sicherlich auch noch Definitionen und Standardisierungen für Datenschutz und Datensicherheit – das benötigen übrigens auch unsere Kunden, um entsprechend ihre Produkte entwickeln zu können.
Welche Komponenten für smarte Städte bietet EBV? Gibt es spezielle Elektronikbauteile für Smart Cities?
K. L.: Spezielle Komponenten für Smart Cities gibt es in dem Sinne nicht. Aber wir haben für die Applikationen alle benötigten Halbleiter in unserem Portfolio – von Sensorikbausteinen über Mikrocontroller und Kommunikationsmodule bis hin zur Leistungselektronik. Daneben bieten wir mit unserem EBVchips-Programm auch die Möglichkeit, weiße Flecken in dem Portfolio der Halbleiterhersteller zu schließen.
Das müssen Sie erklären …
K. L.: Wenn wir in einer Applikation sehen, dass keiner unserer Hersteller hierfür eine passende Halbleiterlösung anbietet, dann können wir eigene kundenspezifische Chips entwickeln. Gerade im Bereich der Kommunikation haben wir hier schon eine ganze Familie für die Wireless-Datenübertragung designt. Diese Chips kann man natürlich auch in Smart-City-Applikationen einsetzen. Das Besondere ist, dass wir Hard- und Software dabei kombinieren.
Was bietet EBV über die Komponenten hinaus, um Kunden bei der Entwicklung smarter Städte zu unterstützen?
K. L.: Wir haben uns seit einigen Jahren in vertikalen Vertriebssegmenten organisiert. Das sind zum einen Marktsegmente wie zum Beispiel Automotive, Consumer, Healthcare oder Smart Grid. Die werden abgerundet durch Technologie-Segmente wie RF & Wireless, LightSpeed, Identification oder FPGA, also Field Programmable Gate Array. So können wir unsere Kunden bezüglich der Anforderungen der verschiedenen Marktsegmente beraten. Wir haben Spezialisten, die wissen, welche Technologie am besten geeignet ist, um ein spezifisches Problem zu lösen.
Seit einigen Jahren gehen wir sogar noch einen Schritt weiter: Wir haben unsere eigenen Evaluierungs-Boards, die Design-Solutions. Hier wurde etwa der Sensor-Hub Maren entwickelt. Auf dem Board sind verschiedene Sensorikmodule integriert wie Näherungs- und Lichtsensoren, ein digitales Mikrophon oder ein Temperatursensor, um nur einige zu nennen. Über entsprechende Schnittstellen lassen sich verschiedene Kommunikationsmodule anschließen. Das ist ein Allround-System, das unseren Kunden den Start erleichtert – benötigt er für sein Produkt eine Sensorlösung, hat er damit sehr schnell ein passendes System, das er leicht integrieren kann. Ähnliche Lösungen haben wir auch noch für andere Bereiche.
Welche technologischen Trends rund um Smart Cities beobachten Sie zurzeit bei Ihren Lieferanten, den Elektronikherstellern?
K. L.: Es gibt nicht diese eine Entwicklung, die nur auf die Smart City abzielt. Man muss das global sehen. Es hängt aber viel von der Kommunikation ab. Daher passt eigentlich fast alles, was unter das Schlagwort IoT fällt, auch zu Smart-City-Applikationen. Vieles davon ist nicht wirklich neu. Aber ein klarer Trend ist, dass sich die Systeme öffnen und mehr öffentliche Bereiche zur Kommunikation genutzt werden. Bei den technologischen Entwicklungen handelt es sich vor allem um Weiterentwicklungen vorhandener Lösungen, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kostenreduzierung. Ein gutes Beispiel hierfür ist Sigfox: Hier soll nicht die Bandbreite erhöht, sondern sollen die Kosten in der Applikation reduziert werden.
Sie haben gerade schon das Thema Standardisierung im Zusammenhang mit der Cybersecurity angesprochen. Wie sieht es denn bei der Kompatibilität der unterschiedlichen Komponenten aus, die für eine Smart City erforderlich sind?
K. L.: Meines Erachtens passiert da noch zu wenig. Das Problem ist, dass dort unterschiedliche Interessen der Hersteller eine Rolle spielen. Die etablierten Unternehmen versuchen natürlich, ihre Systeme als Standard durchzusetzen. Wir brauchen aber viel mehr offene herstellerunabhängige Standards, gerade bei den Kommunikationstechnologien.
Wenn eine Stadt smart werden will – wo ist es sinnvoll anzufangen?
K. L.: Zunächst sollten Anwendungen definiert werden, die für die Bürger spürbare Vorteile bringen, also durch die er Zeit oder Geld spart und an Lebensqualität gewinnt. Dann besteht für mich der erste Schritt darin, die vorhandenen Daten in einer Stadt öffentlich zugänglich zu machen. Gleichzeitig muss natürlich ein durchgängiges, leistungsfähiges Kommunikationsnetz geschaffen werden, an das Sensoren und Applikationen angebunden werden können und auf das Verwaltung und auch Bürger Zugriff haben.
Das heißt, sie freuen sich über jeden Kontakt einer Stadt, die ein Smart-City-Projekt umsetzen will?
K. L.: Wir freuen uns über jede Anfrage. Denn das erweitert ja auch unseren Horizont. Je besser der Informationsfluss von allen Seiten ist, umso besser wird das Produkt und umso schneller erreichen wir das Ziel, die Lebensqualität in der Stadt zu erhöhen und die Kosten zu senken.