Auf dem Weg zur Industrie 4.0 mit WirelessHART

Für die zunehmende Digitalisierung in der Industrie bieten Funksysteme eine flexible und kostengünstige Möglichkeit zur Vernetzung von Maschinen, ­Komponenten und Hilfsmitteln. Von WLAN über Bluetooth bis hin zu speziellen ­industriellen ­Systemen wie WirelessHART ­werden dabei je nach Anforderung die unterschiedlichsten Lösungen eingesetzt.

Was ist WirelessHART

WirelessHART ist die Funkvariante des leitungsgebundenen Feldbusses HART, der vor allem in der Prozessindustrie etabliert ist. WirelessHART nutzt ein Flat Mesh Network, bei dem jeder Teilnehmer gleichzeitig als Signalquelle und Repeater dient. Dadurch kann das Netzwerk ein großes Areal abdecken und es ist eine hohe Übertragungssicherheit gegeben. Um Störungen zu minimieren und andere Funkteilnehmer im 2.4-GHz-Band nicht zu stören, nutzt WirelessHART ein Verfahren namens FHSS (Frequency Hopping Spread Spectrum). Hier werden alle 15 in IEEE 802.15.4 definierten Frequenzen parallel genutzt. Belegte Kanäle werden in eine Blacklist eingetragen und nicht mehr für die Kommunikation genutzt. Dadurch werden Kollisionen mit anderen drahtlosen Kommunikationssystemen vermieden.

Ein hohes Maß an Flexibilität und Produktivität sind Hauptanforderungen an eine moderne industrielle Fertigung.

Drahtlose Kommunikationssysteme sind hierfür von zentraler Bedeutung, denn mit ihnen können zum einen bewegliche Akteure in der Produktion – Gabelstapler, Roboter, mobile Arbeitsstationen – Steuerungsdaten erhalten und Statusinformation liefern.

Zum anderen lässt sich mit ihnen der Verkabelungs- und Installationsaufwand erheblich reduzieren – ein zunehmend wichtiger Faktor in flexibel modular aufgebauten Fabriken, in denen immer mehr Geräte vernetzt werden.

Per Mobilfunk mit der Maschine vernetzt

Dabei können durchaus Wireless-Technologien zum Einsatz kommen, die man auch aus dem Privatleben kennt: Mobilfunk, WiFi und Bluetooth werden schon seit längerem auch in industriellen Anwendungen genutzt.

Zum Beispiel bei der Fernwartung von Anlagen: Der Nähmaschinenspezialist Dürkopp Adler zum Beispiel bietet seinen Kunden die Möglichkeit, zur Wartung aus der Ferne auf die Maschinen zuzugreifen. Die mit Mobilfunkmodems ausgestatteten Nähmaschinen verbinden sich hierfür mit einer cloudbasierten Plattform der Telekom und können so Betriebsparameter der Maschine über das Mobilfunknetz senden und gleichzeitig Kontrollbefehle empfangen.

Auch für die Kommunikation mit dem Maschinenbediener kann Mobilfunk durchaus interessant sein: So bietet Phoenix Contact, Hersteller von Komponenten für die Elektrotechnik und Automatisierung, ein Mobilfunk-Modul, mit dem eine Werkzeugmaschine ihrem Bediener über SMS Statusmeldungen schicken kann.

So kann er, auch wenn er zum Beispiel in der Pause oder in einem anderen Bereich der Fabrik ist, sofort über eine Störung informiert werden.

Fahraufträge über WLAN

Vor allem in der Intralogistik hat sich dagegen WiFi etabliert. Allerdings stellt die Anwendung von WLAN im industriellen Umfeld Systemintegratoren immer wieder vor Herausforderungen – wie zum Beispiel bei der Badischen Staatsbrauerei Rothaus.

Die gelagerten Flüssigkeiten, in diesem Fall das Bier, erforderten, dass die WLAN-Frequenz des Staplerleitsystems auf die Resonanzfrequenz der Tank- oder Flascheninhalte abgestimmt werden musste.

Andernfalls wäre die Funkverbindung zu stark gestört worden und der Staplerbetrieb nur eingeschränkt bis gar nicht möglich. Der Flurförderzeug-Hersteller Linde bietet für solche Fälle die Möglichkeit, verschiedene Funksysteme auf den Staplern zu nutzen: So kann die Datenübertragung mittels GPRS (SIM-Karte), Bluetooth oder WLAN erfolgen.

Wenn es im betrieblichen Außenbereich kein WLAN gibt, kann auf dem dort eingesetzten Fahrzeug die Mobilfunkverbindung genutzt werden, um Informationen an die Datenbank zu senden.

Und wenn es im Gebäude Bereiche gibt, wo nur schlechter WLAN-Empfang gegeben ist, kann der Stapler automatisch über Bluetooth Daten abrufen, sobald er sich einem fest installierten Bluetooth-Access-Point nähert.

WiFi oder Bluetooth stoßen allerdings an ihre Grenzen, wenn in einer Produktion hunderte Sensoren, Aktoren und weitere Systeme miteinander vernetzt werden sollen.

Ab 15 Geräten kann das in der Praxis zu Problemen führen, da sich die Teilnehmer gegenseitig stören. Darüber hinaus gibt es im funkbasierten LAN erhebliche Verbindungsprobleme – denkt man an Wände, Störsignale, Maschinen und metallische Gegenstände.

Diese können zu einer unzuverlässigen Kommunikation führen.

Stabile Sensornetzwerke für Condition Monitoring

Speziell für industrielle Sensornetzwerke wurde daher der Funkstandard IEEE 802.15.4 entwickelt, der sich durch einen äußerst geringen Stromverbrauch, niedrige Datenraten und Funkreichweiten bis circa 200 Meter auszeichnet.

Die kostengünstige Hardware ist ebenso kennzeichnend für den Funkstandard wie die Nutzung der lizenzfreien ISM-Bänder. Auf diesem Standard basieren verschiedene Wireless-Technologien, darunter Zigbee, 6LoWPAN oder WirelessHART.

Mit diesen Systemen lassen sich umfangreiche Sensornetze realisieren, wie sie unter anderem bei Condition Monitoring, also der Überwachung von Maschinen und Anlagen, benötigt werden.

So hat zum Beispiel der Kugellager-Spezialist SKF einen smarten Sensor entwickelt, der Datenerfassung und Funkgerät in einem batteriebetriebenen Gerät kombiniert und der sowohl Schwingungs- als auch Temperaturdaten erfassen kann.

Der Sensor nutzt das WirelessHART-Kommunikationsprotokoll, mit dem sich bis zu 250 Teilnehmer vernetzen lassen.

Diese Teilnehmer werden in Form eines Mesh-Netzwerks miteinander verbunden: Dabei dient jedes angeschlossene Gerät gleichzeitig auch als Router. Fällt ein Datenpfad für die Signalübertragung aus, sucht sich das Signal einen alternativen Weg. Nachrichten, die nicht oder unvollständig ankommen, werden erneut an denselben Teilnehmer gesendet.

So entsteht ein sehr robustes Netz, wie es für Industrie-Anwendungen erforderlich ist. Die Möglichkeit eines Mesh-Netzes bieten auch andere Systeme wie Zigbee 3.0 oder das relativ neue Bluetooth Mesh.

Industrie 4.0 braucht neue Lösungen

Doch für die zukünftigen Anwendungen in der Industrie 4.0 reichen die vorhandenen Funklösungen in vielen Fällen nicht aus.

Denn deren Anforderungen an Latenz, Zuverlässigkeit, Reichweite, Fehlertoleranz, Sicherheit und Möglichkeiten zur Lokalisierung sind oftmals zu hoch, warnt zumindest der VDE in seinem Positionspapier „Funktechnologien für Industrie 4.0“.

Der Verband fordert unter anderem die Entwicklung neuer Funksysteme auf Basis offener, global anerkannter Standards. Sie sollen nicht nur die nötige Leistung und Zuverlässigkeit für die Anwendungsszenarien der Industrie 4.0 bieten, sondern darüber hinaus auch möglichst einfach bei Installation, Handhabung und Wartung sein.

Das Spektrum an industriellen Wireless-Kommunikationssystemen dürfte also in Zukunft noch größer werden.

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