KI steigert Qualität und Produktivität in der Fertigungsindustrie und erleichtert dem Menschen die Arbeit.
Die Künstliche Intelligenz kann zum Wachstumsmotor für die Industrie werden: Alleine in Deutschland könnte bis 2030 das Bruttoinlandsprodukt durch den frühen und konsequenten Einsatz von intelligenten Robotern und selbstlernenden Computern um bis zu vier Prozent oder umgerechnet 160 Milliarden Euro höher liegen als ohne den Einsatz von KI, so das Ergebnis einer Studie der Wirtschaftsberatung McKinsey. „Nicht nur volkswirtschaftlich, auch aus Sicht der Unternehmen verspricht KI Vorteile: Sie gibt Mitarbeitern die Möglichkeit, sich ständig wiederholende oder gefährliche Arbeiten an Computer und Roboter abzugeben und sich auf wertschöpfende und interessante Aufgaben zu konzentrieren“, so Harald Bauer, Seniorpartner im Frankfurter Büro von McKinsey.
Gerade im Umfeld der Industrie 4.0 spielen KI und Maschinenlernen ihre Chancen aus: Denn damit sich eine Produktion selbstständig organisieren und flexibel reagieren kann, sind enorme Datenmengen erforderlich. Computersysteme finden in der Datenflut selbstständig Strukturen, Muster und Gesetzmäßigkeiten. So können Unternehmen neues Wissen aus Erfahrungswerten ableiten. Auf diese Weise lassen sich Trends und Anomalien aufspüren – in Echtzeit und im laufenden System.
Die Fertigung bietet viele Ansatzpunkte für die KI, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Aktuell werden 70 % aller gesammelten Produktionsdaten nicht genutzt – KI kann das ändern. (Quelle. obs / A.T. Kearney)
Reagieren, bevor die Maschine ausfällt
Vor allem die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) verspricht echtes Rationalisierungspotenzial. Mit Hilfe einer Vielzahl von Sensoren werden Daten über den Zustand einer Maschine oder Anlage, beispielsweise Schwingungen, Spannungen, Temperatur und Druck, ausgelesen und an ein System zur Auswertung übertragen. Durch die Datenanalyse können Prognosen aufgestellt werden: Wann kommt es zu einem Ausfall der Systeme? Wann ist der optimale Zeitpunkt für eine Wartung? Somit werden Ausfälle reduziert oder sogar ausgeschlossen. McKinsey geht von einer besseren Auslastung von bis zu 20 Prozent aus, wenn Anlagenbetreiber ihre Wartungsarbeiten vorausschauend planen und durchführen.
Das deutsche Start-up Sensosurf integriert zum Beispiel Kraftsensoren direkt in von Haus aus unintelligente Maschinenkomponenten wie Flansch- und Stehlager, Linearführungen und Gewindestangen. „Wir beschäftigen uns mit Bereichen, aus denen es bislang keine oder nur wenige Informationen gab“, sagt Dr. Cord Winkelmann, Geschäftsführer des Bremer Unternehmens Sensosurf. Die so gewonnenen Daten werden mithilfe maßgeschneiderter Machine-Learning-Algorithmen interpretiert. Dadurch können zum Beispiel spezifische Unregelmäßigkeiten erkannt und es kann Ausfällen vorgebeugt werden.
Die Anlagenverfügbarkeit steigt um bis zu 20 % während die Wartungskosten um bis zu 10% sinken.
Hören, ob die Maschine rundläuft
Das intelligente System Predisound des israelischen Unternehmens 3DSignals misst nicht Verformungen bzw. Schwingungen eines Bauteils, sondern es erfasst akustische Werte einer Maschine. Erfahrene Maschinenbetreiber und Instandhalter erkennen am Klang einer Anlage, ob diese rundläuft. Im besten Fall können sie sogar drohende Ausfälle vorhersagen. Solche Treffer sind natürlich nicht völlig zuverlässig – und sie binden Personal. Beides soll Predisound ändern. Das System besteht aus zahlreichen in den zu überwachenden Maschinen verbauten Ultraschallsensoren. Sie nehmen das komplette Klangspektrum während des Betriebs auf und senden die Daten an eine zentrale Software, die auf einem neuronalen Netz basiert. Per Deep Learning erkennt diese nach und nach immer präziser, welche Abweichungen im Klangbild kritisch sein könnten. So lassen sich Anomalien entdecken, die einem Menschen verborgen blieben. Mit Predictive-Analytics-Algorithmen ausgestattet, lassen sich so Ausfallwahrscheinlichkeiten und zeiträume einzelner Maschinenteile vorhersagen. Der Wartungstechniker wird automatisch informiert, bevor es zu einem Schaden kommt – und damit zum Stillstand einer Anlage. Fixe Prüfintervalle sind deshalb nicht mehr notwendig.
Die Produktivität steigt bei einzelnen Arbeitsschritten um bis zu 20 % durch die KI-basierte Interaktion von Mensch und Roboter. (Quelle: McKinsey)
Effektivere Qualitätssicherung durch Bildverarbeitung
Neben der Maschinenwartung ist die industrielle Bildverarbeitung ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet für KI. Die automatische Mustererkennung über Kameras und Sensoren ermöglicht es, Fehler und deren Ursachen schneller zu erkennen. Das unterstützt die Qualitätssicherung maßgeblich. Wie zum Beispiel der APAS Inspector von Bosch. Er erkennt mithilfe lernender Bildverarbeitung automatisch, wenn die Materialoberfläche eines Fertigungsteils nicht den Vorgaben entspricht. Der Mitarbeiter bringt der Maschine einmal bei, welche Abweichung sie noch tolerieren darf und ab wann ein Teil aussortiert werden muss. Sie kann erlernte Muster dank Künstlicher Intelligenz dann auf alle folgenden Qualitätsprüfungen übertragen und diese eigenständig übernehmen.
Roboter lernt selbstständig dank Künstlicher Intelligenz
Dank KI werden zudem Industrieroboter immer mehr zum Partner des Fabrikarbeiters und arbeiten mit ihm Hand in Hand. Ein Beispiel für so einen kollaborativen Roboter ist der Panda von Franka Emika, ein in seinen Bewegungen besonders feinfühliger Leichtbau-Roboterarm. Das mittelfristige Ziel des Entwicklers Sami Haddadin: Aus Panda einen lernfähigen Roboter machen, der nicht mehr programmiert werden muss. Der Mensch gibt eine Aufgabe vor und Panda probiert selbst, wie diese Aufgabe am besten zu lösen ist. Der Clou: Hat Panda die effizienteste Vorgehensweise entdeckt, gibt er die Information via Cloud an andere Roboter weiter. Für den Produktionsbetrieb fällt somit die aufwändige Programmierung weg. „Wir stehen erst am Anfang einer spannenden Entwicklung“, ist sich Matthias Breunig sicher, Partner im Hamburger Büro von McKinsey. „Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist eine offene Debatte darüber, wie und an welcher Stelle Menschen und Maschinen sinnvoll zusammenarbeiten können.“