Interview zu Künstlicher Intelligenz

Interview mit Antonio Fernandez, Vice President Technical Development bei EBV

Systeme mit Künstlicher Intelligenz benötigen eine Vielzahl verschiedener elektronischer Komponenten. EBV hat dazu bereits heute die unterschiedlichsten Bauteile im Produktportfolio – vom Sensor bis zum FPGA. Doch stellt die neue Technologie durchaus eine Herausforderung für den Elektronik-Distributor dar, wie Antonio Fernandez, Vice President Technical Development bei EBV, sagt: Um die Kunden auch bei Fragen der Software-Entwicklung und im technischen Support kompetent zu unterstützen, hat das Unternehmen mit wichtigen Herstellern eine gemeinsame KI-Roadmap entwickelt und investiert in den spezialisierten Software-Support.

KI zieht in immer mehr Anwendungen ein. Was bedeutet das für Sie als Elektronikdistributor?

Antonio Fernandez: Künstliche Intelligenz stellt für uns sowohl eine große geschäftliche Chance als auch eine beispiellose Herausforderung in Bezug auf den technischen Support dar. Das ist unsere Chance, unseren Kunden den Wert einer Partnerschaft mit uns zu demonstrieren.

Ändert sich Ihr Produktportfolio?

A. F.: Künstliche Intelligenz kann in der Cloud, beim Edge Computing oder am häufigsten in einer Kombination von Edge und Cloud eingesetzt werden. Wir haben bereits FPGAs, MPSoCs und Prozessoren, die in der Lage sind, KI in den verschiedenen Anwendungsszenarien zu implementieren. Zudem haben wir eine vielversprechende Roadmap mit unseren wichtigsten Herstellern bzw. Partnern bezüglich dedizierter KI-Hardware und Software.

Welche Komponenten – neben KI-Chips – sind denn zusätzlich wichtig, um Kunden bei der Entwicklung von KI-System zu unterstützen?

A. F.: Das beginnt mit Sensoren zur Erfassung aller Variablen, die einen Prozess beeinflussen, reicht über Prozessoren zur effektiven Ausführung der Sensorfusions- und Kommunikationsprotokolle und endet noch lange nicht mit Security-Chips zur Sicherung der Kommunikation. Zudem sind zur Übertragung der Daten drahtlose Konnektivitäts-Transceiver zum Beispiel für WiFi, Bluetooth, Thread oder LTE notwendig sowie diverse Netzwerkprodukte.

Entstehen dadurch auch neue Herausforderungen bei der Beratung und bei den sonstigen Service-Leistungen, die EBV bietet?

A. F.: Sicher, aber unsere technische Spezialisierung und die enge Zusammenarbeit mit unseren Herstellerpartnern und den AI Cloud Services bevorzugter Drittanbieter ermöglichen es uns, die Herausforderung anzunehmen.

KI ist auch bzw. vor allem ein Software-Thema. Wie kann EBV hier die Kunden unterstützen?

A. F.: EBV investiert weiterhin in spezialisierte Software-Support-Ressourcen. Zudem entwickeln unsere Fertigungspartner spezifische Software Development Kits, die die Einführung von Machine Learning in verschiedenen Anwendungen erheblich beschleunigen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der Xilinx „Revision“ Stack für Edge Machine Learning in Embedded-Vision-Anwendungen.

KI-Lösungen werden auch immer interessanter für Unternehmen, die bis dato keinen oder nur wenig Kontakt mit der Elektronik-Welt hatten. Können Sie auch solche Firmen unterstützen und, wenn ja, wie?

A. F.: Unsere Kunden entwickeln und fertigen Elektroniksysteme und decken alle Arten von Anwendungen ab. Wenn Integratoren auf uns zukommen, definieren wir ihre Bedürfnisse und verweisen sie gegebenenfalls an erfahrene Kunden, Designhäuser und Vertragshersteller, die ihre Anforderungen erfüllen und ein Endprodukt liefern können.

Welche technologischen Trends rund um KI beobachten Sie zurzeit bei Ihren Lieferanten, den Elektronik-Herstellern?

A. F.: Da gibt es verschiedene interessante Entwicklungen. So werden AI-spezifische Funktionen in die MCUs integriert. Dadurch können kleine Knoten auf Mikrocontroller-Basis intelligenter mit tiefen neuronalen Netzwerken interagieren. Auch zu beobachten ist eine Erhöhung der Rechenleistung der Prozessoren und MPSoCs zur Implementierung von Edge Inference Engines mit sehr geringer Latenz. Zudem investieren die Hersteller aktuell sehr stark in Software-Bibliotheken für Sensor-Fusion und Machine Learning.

In welchen Bereichen sehen Sie noch Entwicklungsbedarf bei den elektronischen Komponenten für KI?

A. F.: Sensoren sind ein kritischer Bereich für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Wir haben zum Beispiel immer noch keine kommerziellen Sensoren für Geruch oder Geschmack … Künstliche Intelligenz ist zudem ein sehr komplexes Thema, so dass spezifische Entwicklungskits und Schulungen erforderlich sind, um die Vorteile für den Massenmarkt nutzbar zu machen.

Aus Ihrer Sicht – welche Märkte oder Branchen sind zurzeit besonders interessant bzw. bieten aktuell ein besonderes Potenzial für KI-Systeme?

A. F.: Da sehe ich vor allem Embedded Vision, autonome Systeme, Predictive Maintenance, Mensch-Maschine-Schnittstellen über Natural Language Processing, die Robotik sowie Messtechnik und Diagnostik.

Gerne wird ja Elon Musk zitiert, der KI als eine der größten Bedrohungen der Menschheit bezeichnet. Wie sehen Sie das?

A. F.: Künstliche Intelligenz kann disruptive Innovationen ermöglichen, die einen erheblichen Nutzen für die Menschheit darstellen und unsere Produktivität und Lebensqualität erhöhen könnten. Aber es besteht auch die Gefahr, dass Maschinen Menschen ersetzen und so die Arbeitslosigkeit erhöhen. Unsere Privatsphäre könnte verloren gehen und Systeme, die unbeaufsichtigt Entscheidungen treffen, könnten eher stören als helfen. Wie üblich hängt alles vom Einsatz der Technologie ab. Höchstwahrscheinlich brauchen wir neue Regeln um den ethischen Einsatz der Künstlichen Intelligenz zu regeln.

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