Dank neuer Entwicklungen bei der Chip-Technologie erhalten selbst kleine Wearables wie Fitness-Armbänder eine KI on-board. Aktuelle Top-Smartphones lernen bereits mit neuronalen Netzen, den Nutzer besser zu verstehen, und liefern deutlich mehr Leistung.
Mobile Geräte wie Smartphones und Wearables gewinnen im Alltag der Menschen immer mehr an Bedeutung. „Gerade das Smartphone hat in den vergangenen zehn Jahren unser Leben tiefgreifend verändert: Es hat sich zum universellen Zugriffspunkt auf Kommunikation, Inhalte und Dienste entwickelt“, so Martin Börner, Mitglied des Präsidiums des Branchenverbandes Bitkom.
Mobile Geräte erhalten KI-Fähigkeiten
Jetzt kommen die ersten mobilen Geräte auf den Markt, die mit Künstlicher Intelligenz die erfassten Daten noch besser analysieren und dem Nutzer gezieltere Empfehlungen zur Steigerung seiner Gesundheit oder Fitness geben können. Im Trend dabei ist das Edge Computing: Hier bleiben die Daten auf dem Gerät und werden zur Analyse nicht – oder nur teilweise – an die Cloud übertragen. Das hat gleich mehrere Vorteile: Erstens wird die Belastung von Cloud-Computing-Systemen und Übertragungsmedien reduziert. Zweitens sinkt die Latenz, der Nutzer erhält die Analyse-Ergebnisse schneller. Und drittens – wichtig gerade bei medizinischen Anwendungen – bleiben personenbezogene Daten geschützt auf dem mobilen Gerät. „KI vertraute früher auf leistungsstarke Cloud-Computing-Funktionen für Datenanalyse und -algorithmen, doch mit der Weiterentwicklung von Chips und der Entwicklung von Edge-Computing-Plattformen haben Feldgeräte und Gateways grundlegende KI-Fähigkeiten erhalten, mit denen sie unter anderem bei der anfänglichen Datenprüfung sowie Analyse assistieren und sofort auf Anforderungen reagieren können“, betont Jimmy Liu, Analyst bei Trendforce.
Mehr Effizienz, Leistung, Geschwindigkeit
Auch für Huawei ist diese On-Device-KI eine Antwort auf bestehende KI-Probleme wie Latenz, Stabilität und Datenschutz. So präsentierte das Unternehmen Ende 2017 seine Smartphones Mate 10 und Mate 10 Pro, die laut Hersteller als erste in der Welt mit einem künstlich intelligenten Chipsatz mit einem fest zugeordneten neuronalen Netzwerkprozessor (NPU, Network Processing Unit) ausgestattet sind. Damit können die Smartphones die Gewohnheiten der Benutzer verstehen lernen. Die mobile KI-Rechnerplattform ermöglicht es, den effektivsten Modus des Handys zu ermitteln, die Performance zu optimieren und insgesamt größere Effizienz mit mehr Leistung bei schnelleren Geschwindigkeiten zu liefern. Vor allem aber nutzt Huawei die KI bei der Echtzeit-Szenen- und Objekterkennung, um ohne große Einstellungen durch den Nutzer ein perfektes Foto zu machen.
Gesichtserkennung auf dem Smartphone
Auch Apple hat sein neues iPhone X mit einem speziellen Chip für On-Device-KI ausgestattet: Die neurale Architektur des A11 Bionic Chips hat ein Zweikern-Design und führt bis zu 600 Milliarden Operationen pro Sekunde für Echtzeitverarbeitung aus. Diese Architektur wurde für spezielle Algorithmen des maschinellen Lernens entwickelt und ermöglicht Face ID, Animoji und andere Funktionen. Damit ist es zum Beispiel möglich, das Smartphone durch eine Gesichtserkennung zu entsperren: Die Face ID genannte Funktion projiziert mehr als 30.000 unsichtbare IR-Punkte auf das Gesicht des Nutzers. Das IR-Bild und das Punktmuster werden durch neuronale Netze geschoben, um ein mathematisches Modell des Gesichts des Anwenders zu erstellen und die Daten an die Secure Enclave zu senden, um eine Übereinstimmung zu bestätigen, während maschinelles Lernen körperliche Veränderungen des Erscheinungsbilds im Laufe der Zeit nachempfindet. Alle gespeicherten Gesichtsinformationen werden durch die Secure Enclave geschützt, um die Daten extrem sicher zu halten und die gesamte Verarbeitung erfolgt auf dem Gerät und nicht in der Cloud, um die Privatsphäre der Anwender zu wahren. Face ID entsperrt iPhone X nur dann, wenn es der Nutzer ansieht, wobei umfassend trainierte neuronale Netzwerke einer Manipulation durch Fotos oder Masken vorbeugen.
Immer der richtige Aufnahmemodus
„Der Smartphone-Markt hat sich in den letzten zehn Jahren signifikant weiterentwickelt“, betont Hwang Jeong-hwan, Präsident der LG Mobile Communications Company. „Unsere Kunden erwarten Premium-Qualität bei den vier wichtigsten Kernfunktionen eines Smartphones – bei den Audiofeatures, der Leistungsfähigkeit des Akkus, der Kameraqualität und dem Display.“ Daher hat auch LG damit begonnen, differenzierte und intuitive KI-basierte Lösungen für die am häufigsten in Smartphones verwendeten Features zu entwickeln. Erstes Ergebnis ist das Smartphone LG V30S ThinQ mit integrierter Künstlicher Intelligenz. Die KI-Kamera des Geräts analysiert Motive im Bild und empfiehlt den optimalen Aufnahmemodus – je nachdem ob es sich zum Beispiel um ein Porträt, Speisen, ein Haustier oder eine Landschaft handelt. In jedem Modus werden die speziellen Eigenschaften des Motivs verbessert – unter Berücksichtigung von Faktoren wie Betrachtungswinkel, Farbe, Reflexionen, Beleuchtung und Sättigungsgrad. Mit der Voice KI können Benutzer Anwendungen ausführen und Einstellungen allein über Sprachbefehle anpassen. In Verbindung mit Google Assistant wird so die Suche über Menüoptionen überflüssig und bestimmte Funktionen lassen sich direkt auswählen. Doch LG will nicht nur neue Smartphone-Modelle mit KI ausrüsten – abhängig von der Hardware und anderen Faktoren, sollen einige Smartphone-Modelle von LG zukünftig wichtige KI-Funktionen via Over-the-Air-Updates erhalten.
Jedes dritte Wearable mit KI
Es wird erwartet, dass KI-Wearables dem stagnierenden Wearables-Segment dringend benötigte Impulse geben werden. Nach Schätzungen der Marktanalysten von Counterpoint arbeitete in 2017 bereits jedes dritte Wearable mit KI. Parv Sharma, Research Associate: „Wearables haben bis jetzt noch nicht das erwartete Momentum gesehen, da sie noch Probleme mit einer stärkeren Mensch-Computer-Interaktion hatten. Die Integration Künstlicher Intelligenz in die Wearables wird jedoch die Art und Weise verändern, wie wir mit Wearables interagieren oder sie nutzen. KI wird nicht nur die Benutzererfahrung verbessern, und so die Verbreitung von Wearables steigern, sondern auch Wearables smarter und intelligenter machen.“ Besonderes Wachstum erwarten die Analysten im Bereich der Hearables – mit Geräten wie dem Apple Airpod oder innovativen Produkten von unbekannteren Marken wie dem Dash von Bragi.
Wearables lernen den Nutzer kennen
Aber neben dem Smartphone nutzen auch andere Wearables KI. Bei der Überwachung von Vital-Parametern versprechen Methoden des maschinellen Lernens viel größere prädiktive Möglichkeiten. So hat die Firma Supa smarte Kleidung mit integrierten Sensoren entwickelt. Sie erfassen eine Vielzahl biometrischer Daten im Hintergrund und liefern personalisierte Informationen über die Umgebung des Nutzers. Künstliche Intelligenz versetzt die Supa-Kleidung in die Lage, beständig mehr über den Nutzer zu lernen und so zum Beispiel das eigene Verhalten beim Sport besser zu verstehen. Laut Sabine Seymour, Gründerin und CEO von Supa, kann man mit derartigen Wearables in 20 oder 30 Jahren klären, warum der Nutzer zum Beispiel an Krebs erkrankt ist, ob es an genetischer Veranlagung, Umwelt oder Ernährung liegt.
Auch PIQ hat seinen Sport-Assistenten Gaia mit einer Künstlichen Intelligenz kombiniert. Damit können Bewegungen über spezifische Motion-Capture-Algorithmen intelligent erfasst und ausgewertet werden. Dank KI lernt Gaia die Bewegungen des Nutzers immer besser zu erkennen und kann individuell zugeschnittene Hinweise zur Optimierungen des Trainings geben.
Mehr Sicherheit im Busverkehr
Intelligente Wearables helfen aber nicht nur beim sportlichen Training, sondern auch bei ernsthafteren Applikationen. So testet NEC zum Beispiel zusammen mit Odakyu City Bus ein Wearable, das die biologischen Informationen von Fahrern sammelt. Das Ziel ist, die Sicherheit im Busbetrieb zu verbessern. Bei dem Pilotprojekt misst ein Armband Vitaldaten wie Puls, Temperatur, Feuchtigkeit und Körperbewegungen während des Fahrens. Die Daten werden dann über ein Smartphone zur Analyse an eine IoT-Plattform gesendet, die auf den neuesten Technologien der Künstlichen Intelligenz von NEC basiert. So soll eine breite Palette von Gesundheitsfaktoren visualisiert, überwacht und bewertet werden – wie etwa der Ermüdungsgrad des Fahrers oder Veränderungen seiner physischen Konditionen, die er eventuell nicht selbstständig erkennen kann.
Eine weitere spannende Lösung hat Ayata Intelligence entwickelt: Die smarte Brille Vishruti hilft Menschen mit einer Sehbehinderung, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Dafür ist sie mit einer Kamera und einem speziellen, energieeffizienten Chip zur Bilderkennung und für Deep-Learning-Prozesse ausgestattet. Damit kann sie verschiedene Objekte und die Gesichter von Personen erkennen. Über eine Sprachausgabe unterstützt das System den Nutzer bei der Orientierung, meldet zum Beispiel, wenn sich ein Auto nähert, wo eine Tür ist oder wie die Person heißt, die vor ihm steht.
Derartige Entwicklungen lassen erwarten, dass auch in den nächsten Jahren Smartphone und Wearables unser Leben weiter entscheidend beeinflussen und zu vielseitigen Ratgebern werden können.