Ist KI besser als der Arzt?

Kognitive Computerassistenten helfen Medizinern bei Diagnose- und Therapieentscheidungen. ­Sie sind deutlich schneller bei der Auswertung von medizinischen Informationen und erreichen ­mindestens die gleiche Präzision. Nicht verwunderlich also, dass Applikationen mit Künstlicher Intelligenz in der Medizin immer häufiger Anwendungen finden.

Kliniken und Arztpraxen verfügen über Unmengen an Daten: Röntgenbilder, Befunde, Laborwerte, digitale Patientenakten, OP-Berichte und vieles mehr. Bislang werden sie meist noch getrennt voneinander behandelt. Doch nun geht der Trend dahin, all das in einem einheitlichen Software-Rahmen unterzubringen. Diese Datenintegration ermöglicht nicht nur einen schnelleren Umgang mit medizinischen Informationen und bildet die Grundlage für ein effizienteres Zusammenwirken der verschiedenen Fachrichtungen. Sie verspricht auch einen weiteren Mehrwert: Neue, selbstlernende Rechenalgorithmen können verborgene Muster in den Daten aufspüren und den Medizinern wertvolle Unterstützung für ihre Diagnose- und Therapieentscheidungen geben.

Bessere Diagnose dank Künstlicher Intelligenz: 30-mal schneller als ein Arzt mit einer Fehlerrate von 1 %.
Quelle: PwC

Gewebe schneller und genauer untersuchen

„Die Künstliche Intelligenz und die Robotik bieten für unsere tägliche Arbeit enorme Vorteile“, betont Prof. Dr. Michael Forsting, Leiter der Klinik für Diagnostische Radiologie des Universitätsklinikums Essen. Hier wurde mit einem selbstlernenden Algorithmus ein System auf Lungenfibrosen trainiert. Schon nach wenigen Lernzyklen stellte der Computer die Diagnose besser als ein Arzt: „So hilft uns beispielsweise die Künstliche Intelligenz, seltene Erkrankungen besser zu erkennen – weil der Computer anders als der Mensch das einmal Gelernte nicht mehr vergisst und beim Vergleichen von Mustern dem menschlichen Auge überlegen ist.“

Besonders bei der Verarbeitung von Bilddaten erweisen sich kognitive Computerassistenten als hilfreich, um Mediziner von langwierigen, monotonen und immer wiederkehrenden Arbeiten zu entlasten – etwa wenn es darum geht, die Umrisse eines Organs auf einer CT-Aufnahme präzise zu bestimmen. Außerdem sind die Assistenten in der Lage, Informationen aus medizinischen Bilddaten herauszudestillieren, die ein Mediziner beim bloßen Blick auf den Bildschirm kaum zu erkennen vermag.

Diagnose mit Hilfe Künstlicher Intelligenz – Besser als der Arzt

Inzwischen übertreffen diese Systeme sogar den Menschen, wie eine Studie der Universität Nijmegen (Niederlande) nahelegt: Für den Test zur Erkennung von Krebsgewebe hatten die Forscher zwei Gruppen organisiert. Auf der einen Seite standen 32 Entwicklerteams mit eigenen KI-Software-Lösungen, auf der anderen Seite zwölf Pathologen. Die KI-Entwickler bekamen vorab 270 CT-Aufnahmen, bei denen 110 gefährliche Knoten und 160 gesundes Gewebe zeigten. Damit sollten sie ihre Systeme trainieren. Ergebnis: Das beste KI-System erreichte eine nahezu einhundertprozentige Erkennungsgenauigkeit und färbte die kritischen Stellen zudem gleich ein. Dabei war es erheblich schneller als ein Pathologe, der 30 Stunden benötigte, um die befallenen Proben mit entsprechender Präzision zu erkennen. Unter Zeitdruck übersahen die Mediziner vor allem Metastasen mit einer Größe unter zwei Millimeter. Allerdings waren nur sieben der 32 KI-Systeme besser als die Pathologen-Gruppe.

Dabei sind entsprechende Systeme nicht nur Gegenstand von Forschern, sie werden auch bereits eingesetzt. Zum Beispiel bei der Fibroseforschung in der Berliner Charité: Mit -Hilfe einer Cognitive Workbench des Unternehmens ExB wird hier die sehr aufwändige Analyse von Gewebeproben zur Früherkennung von pathologischen Veränderungen auto-matisiert. Bei der Cognitive Workbench handelt es sich um eine proprietäre cloudbasierte Plattform, mit der Anwender eigene AI-fähige Analysen komplexer unstrukturierter und strukturierter Datenquellen in Text und Bild erstellen und schulen können. Ramin Assadollahi, CEO und Gründer von ExB, betont: „Zusätzlich zur Diagnose von Leberfibrose können wir unsere hochwertigen Deep-Learning-Verfahren bei der Früherkennung von Melanomen und Kolorektalkarzinomen einsetzen.“

Kostensenkung für das Gesundheitssystem

Laut PwC führen KI-Anwendungen bei der Brustkrebs-Diagnose dazu, dass Mammografie-Resultate 30-mal schneller ausgewertet wurden als durch einen Arzt – und das bei einer Fehlerrate von nur einem Prozent. Nicht nur bei der Diagnose winken enorme Fortschritte. So war Künstliche Intelligenz bei einer Pilotstudie in der Lage mit mehr als 70-prozentiger Genauigkeit vorherzusagen, wie eine Patientin auf zwei herkömmliche Chemotherapie-Verfahren reagieren würde. Angesichts der enormen Verbreitung von Brustkrebs geht die PwC-Untersuchung davon aus, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz immense Kostensenkungen für das Gesundheitssystem brächte. So könnten über die nächsten zehn Jahre kumuliert schätzungsweise 74 Milliarden Euro eingespart werden.

Digitale Hilfsmittel für den Patienten

Aber KI nützt Patienten auch ganz konkret bei verschiedenen Beeinträchtigungen im Alltag wie Sehbehinderungen, Gehörlosigkeit oder motorischen Krankheiten. Die App „Seeing AI“ etwa hilft im Falle einer Beeinträchtigung des Sehvermögens, die Umgebung wahrzunehmen. Die App erkennt auf einem Foto, das der Nutzer per Smartphone macht, Objekte, Personen, Text oder auch Bargeld. Der auf Künstlicher Intelligenz beruhende Algorithmus identifiziert den Inhalt des Bildes und beschreibt ihn in einem Satz, der vorgelesen wird. Auch intelligente Geräte wie die „Emma Watch“ zählen hierzu, die das bei Parkinson-Patienten typische Zittern durch intelligentes Gegensteuern ausgleicht. Microsoft-Entwicklerin Haiyan Zhang hat die intelligente Armbanduhr für die an Parkinson erkrankte Grafik-Designerin Emma Lawton entwickelt. In Zukunft sollen auch weitere Parkinson-Patienten Zugang zu entsprechenden Modellen erhalten.

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