Die wachsenden Metropolen der Welt erfordern eine neue verkehrstechnische Vernetzung. Autonome Züge und völlig neue Zugkonzepte werden den Personen- und Güterverkehr zwischen den Städten revolutionieren.
Sechs Uhr abends in Berlin. Ein Besuch des neuen Restaurants in Hamburg wäre schön. Also schnell über das Smartphone ein autonomes Taxi von Uber rufen. Es kommt pünktlich zum Büro, fährt weiter zum Arbeitsplatz der Ehefrau und bringt seine Passagiere zum Hyperloop-Portal am Hauptbahnhof. Das autonome Taxi hat selbstständig die Vakuumbahn informiert. So kann das Taxi direkt in die bereitstehende Hyperloop-Kapsel hineinfahren. Die Bahn beschleunigt stetig, bis sie die Geschwindigkeit eines Düsenjets erreicht – nach 20 Minuten ist man bereits in Hamburg angekommen. Das Uber-Taxi fährt direkt aus der Hyperloop-Bahn zum Restaurant … So sieht die Vision von Doug Chey, Systementwickler bei Hyperloop One, aus. „Das ist eine direkte, autonome, ultraschnelle Intercity-Verbindung und die Türen öffnen sich nur zweimal, einmal um dich einsteigen zu lassen und einmal zum Aussteigen“, so schreibt er im Blog von Hyperloop One. Er gibt aber zu, dass das eine Vision von einer fernen Zukunft ist: „Wir müssen offensichtlich noch Tonnen von Engineering-Arbeit leisten.“ Die ursprüngliche Vision zu diesen Zügen in Vakuumröhren hatte Elon Musk, der mit seinem Unternehmen Tesla erfolgreich Elektroautos baut und mit SpaceX Raumflüge realisiert. Hyperloop One ist eines der Unternehmen, die an der Umsetzung der Idee arbeiten und auch schon erste Fahrtests mit den Wagen durchgeführt hat – allerdings erstmal nur mit einer Geschwindigkeit von knapp über 100 Kilometern pro Stunde.
Fahrerlos ist nicht gleich autonom
Die Metropolen werden also erstmal weiterhin mit „klassischen“ Zügen untereinander verbunden bleiben. Aber auch hier gibt es eine Entwicklung hin zu immer mehr Automatisierung – so heißt es in Zukunft nicht mehr nur „Die Türen schließen selbsttätig“, sondern der komplette Zug wird selbsttätig fahren.
Fahrerlose Züge sind schon seit einigen Jahren in Städten wie Nürnberg, Singapur oder Paris im Einsatz. Aber eben bisher nur im Nahverkehr. Und sie sind nicht wirklich autonom, denn die Intelligenz für das Fahren steckt in der Infrastruktur, nicht oder nur wenig im Bahnfahrzeug selbst. Die bisherigen Züge haben also keine eigenen Sensoren zur Überwachung der vor ihnen liegenden Strecke. Sie werden zudem von einem entfernt liegenden Kontrollraum über ein Computersystem gesteuert – die Züge selbst treffen also nicht eigenständig Entscheidungen.
Doch das wird sich in absehbarer Zeit ändern: Denn die Vorteile sind groß. Autonome Züge können – mit geringerem Abstand und höherer Geschwindigkeit fahren. Bahn-Manager können so mehr Züge auf einer vorhandenen Strecke einsetzen, statt teure neue Gleistrassen bauen zu müssen.
So will zum Beispiel auch der französische Bahnbetreiber SNCF seinen Hochgeschwindigkeitszug TGV ab 2023 autonom fahren lassen. Mit eigenen Sensoren soll der Zug, der ab 2019 getestet wird, Hindernisse erkennen und selbstständig Bremsungen einleiten. Allerdings sollen auch weiterhin Lokomotivführer an Bord autonomer Züge sein, aber nur in Notfällen eingreifen. Der Bahnbetreiber erwartet, mit einem autonomen TGV die Geschwindigkeit und Frequenz der Bahnverbindungen zu steigern – bis zu 25 Prozent mehr Hochgeschwindigkeitszüge sollen so etwa auf der Strecke Paris–Lyon fahren können.
Auch die Deutsche Bahn will bis spätestens 2023 auf einigen ausgewählten Strecken autonome Fernverkehrszüge einsetzen. In 2017 startete das Unternehmen im Erzgebirge ein entsprechendes Pilotprojekt: Auf der 25 Kilometer langen Teststrecke bewegt sich ein umgebauter Dieseltriebwagen „automatisiert“. Dazu muss das Fahrzeug lernen, Hindernisse und optische Signale auf der Strecke zu erkennen. „Der Triebwagen wird so intelligent sein, dass er mit den bestehenden Infrastrukturanlagen zurechtkommt“, erklärt der Projektkoordinator Michael T. Hoffmann. Ähnlich wie bei selbstfahrenden Autos kommen verschiedene Sensorsysteme zum Einsatz, wie Kameras, Radar und Lidar zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Allerdings entscheidet das Fahrzeug nicht selbst, sondern „die Steuerung kommt weiterhin aus einer Zentrale“, wie Hoffmann erklärt.
Intelligente Einzelwagen im Güterverkehr
Doch nicht nur komplette Züge sollen autonome Fähigkeiten erhalten. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat jetzt mit dem NGT Cargo ein Konzept für Güterzüge der Zukunft vorgestellt, bei dem jeder einzelne Wagen autonome Fähigkeiten hat. „Ganzzüge, die nicht rangiert werden und mit ganz vielen Wagen eine große einheitliche Frachtmenge von Punkt A nach Punkt B bringen, beherrschen aktuell den Güterverkehr“, so DLR-Forscher Dr. Joachim Winter, der das Projekt Next Generation Train (NGT) leitet. Die Zusammenstellung dieser Züge ist aber sehr zeit- und ressourcenintensiv. Die automatisch fahrenden NGT-Cargo-Züge sollen dagegen je nach Bedarf aus Einzelwagen und leistungsstarken Triebköpfen zusammengestellt und automatisch gekuppelt werden. Die intelligenten Güterwagen im NGT-Cargo-Konzept verfügen über einen eigenen Antrieb, der auf Elektromotoren basiert, und über eine Batterie, welche die beim Bremsen zurückgewonnene Energie speichert. Dadurch können die Einzelwagen selbstständig rangieren und dank ihrer Sensoren sogar autonom die letzten Kilometer zum jeweiligen Kunden fahren.