Dank autonomer Navigation werden Fahrzeuge für den Transport innerhalb von Fabriken jetzt vielseitig und flexibel wie der Mensch. Die ersten Transportroboter sind bereits im Einsatz.
Die Fähigkeit, autonom zu navigieren, wird die Welt der innerbetrieblichen Logistik revolutionieren. Das- meinen zumindest die Marktanalysten von IDTechEx. „Die Inflexibilität der Navigation begrenzte das Marktvolumen bisheriger automatisierter Industriefahrzeuge“, so Dr. Khasha Ghaffarzadeh, Research Director bei IDTechEx. „Autonome mobile Roboter sind dagegen radikal anders, da sie es der Automation ultimativ ermöglichen, im weiten Umfang die Flexibilität und Vielseitigkeit von Menschen gesteuerter Fahrzeuge beizubehalten.“ Er geht davon aus, dass mobile Roboter in Materialfluss und Logistik bis zum Jahr 2027 ein 75-Milliarden-Dollar-Markt werden – der sich bis zum Jahr 2038 noch einmal mehr als verdoppeln wird.
Produktivität durch Transportroboter sofort gestiegen
Noch befindet man sich allerdings in der Anfangsphase, mobile Roboter sind noch relativ teuer. Doch gibt es auch heute schon erste Einsätze. So arbeitet in der spanischen Firma Hero España, Hersteller von Kindernahrung und Konfitüren, schon seit dem Jahr 2011 ein Auto Pallet Mover (APM) der Firma Jungheinrich. Dabei handelt es sich um einen regulären Vertikalkommissionierer beziehungsweise Gabelhubwagen, der durch ein Automationspaket, eine Transportsteuerungs-Software und ein Personenschutzsystem modifiziert worden ist. Das Fahrzeug transportiert bereitgestellte Paletten vom Automatiklager zu den Kommissionierplätzen und von dort zum Versandbereich. Während der Fahrt tastet ein rotierender Laser die Umgebung ab und ermittelt mithilfe von Reflektoren, die längs der Fahrwege angebracht sind, die genaue Position des Auto Pallet Mover. Das Lagerlayout und die Fahrwege lassen sich binnen weniger Minuten ändern, ohne die Reflektoren versetzen zu müssen. Sensoren an den Gabeln ermöglichen auch die Aufnahme beziehungsweise das Absetzen der Paletten bis in einer Höhe von zwei Metern im autonomen Modus. Juan Francisco García Gambín, Lagerleiter bei Hero España: „Mit dem Einsatz des Auto Pallet Movers ist unsere Produktivität aufgrund der Autonomie, mit der das Flurförderzeug seine Aufgaben erfüllt, sofort spürbar gestiegen.“ Schon kurz nach der Inbetriebnahme haben sich Effizienzsteigerungen in den intralogistischen Prozessen sowie eine wesentlich niedrigere Fehlerquote im Warenein- und -ausgang und bei den Transporten ergeben.
Transportroboter als Meilenstein der Digitalisierung
Auch im BMW-Werk Wackersdorf sind bereits selbstfahrende Transportroboter im Einsatz. Zehn dieser Smart Transport Robots transportieren Bauteile in Lager und Produktion. Durch die Abstandsmessung zu Funksendern und ausgerüstet mit einer exakten digitalen Karte der Produktionshalle berechnet der Roboter seine genaue Position und den Fahrweg zu seinem Ziel. Die batteriebetriebenen Sender sind an den Hallenwänden montiert und können ohne großen Mehraufwand flexibel und kostengünstig auf weitere Logistikbereiche erweitert werden. Zusätzlich erkennt und reagiert das Fahrzeug mithilfe seiner Sensoren auf kritische Situationen und kann den Fahrweg gemeinsam mit Menschen und anderen Fahrzeugen nutzen. In einem nächsten Entwicklungsschritt sorgt ein 3D-Kamerasystem für eine noch präzisere Navigation. „Die Entwicklung des sogenannten Smart Transport Robots ist für die BMW Group ein wesentlicher Meilenstein für die Digitalisierung und Autonomisierung in der Produktionslogistik. Dieses Innovationsprojekt leistet einen wichtigen Beitrag für agile Lieferketten, die sich in der Logistik und Produktion schnell und flexibel an veränderte Rahmenbedingungen anpassen“, so Dr. Dirk Dreher, Leiter Auslandsversorgung bei der BMW Group.
Trotz Transportrobotern sind anspruchsvolle Aufgaben dem Menschen vorbehalten
Tobias Zierhut, Head of Product Management Warehouse Trucks bei Linde Material Handling, sieht auch Vorteile für die Lagerarbeiter selbst: „Simple Arbeitstätigkeiten, die sich ständig wiederholen, können künftig von automatisierten Fahrzeugen übernommen werden. Die Menschen können sich dann auf anspruchsvollere und komplexere Aufgaben konzentrieren.“ Seit 2015 arbeitet Linde Material Handling bei der Entwicklung und Produktion von automatisierten Fahrzeugen eng mit dem französischen Robotikanbieter -Balyo zusammen. Die Fahrzeuge sind nicht auf im Lager angebrachte Re-flektoren, Induktionskabel oder Magnete angewiesen. Bei der Installation wird das Einsatzgebiet zunächst kartografiert und die Information an das Fahrzeug überspielt, dann orientiert sich das Fahrzeug per unsichtbarer, lasergesteuerter Geo–navigation selbstständig.
Inventur mit der Drohne
Balyo und Linde haben auch eine Drohne entwickelt, die zur Inventur im Lager eingesetzt werden soll. Die zirka 50 Zentimeter große, mit sechs Rotoren, Kamera, Barcode-Scanner und- Telemeter ausgestattete Inventurdrohne „Flybox“ fliegt langsam jedes einzelne Regalfach ab, macht von jedem Palettenstellplatz ein Foto und erfasst die Barcodes der gelagerten Waren. „Das entscheidend Neue an der Erfindung ist, dass wir die Drohne zusammen mit einem autonomen Flurförderzeug nutzen“, so Tobias Zierhut. Denn die Drohne wird bei ihrem Inventureinsatz von einem automatisierten Hochhubwagen geführt. Beide Geräte sind über ein sich selbst justierendes Kabel miteinander verbunden. Durch die Kopplung löst Linde zwei Herausforderungen, die einem breiten Einsatz von Drohnen in Lagerhallen bisher im Wege standen: zum einen die Energieversorgung (Drohnenakkus reichen in der Regel nur rund 15 Minuten), zum anderen die Lokalisierung unter dem Hallendach ohne GPS-Empfang.